Hypo: Die getäuschte Republik

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Die Republik Österreich klagt die frühere Hypo-Mutter BayernLB auf 3,5 Milliarden Euro. Die Bayern hätten Österreich bei der Notverstaatlichung getäuscht, sagt Finanzminister Schelling.

Wien. Finanzminister Hans Jörg Schelling ist ein Meister der Dramaturgie. Erst am Donnerstag kurz vor 19 Uhr ratterte das Aviso über die Agentur: Pressekonferenz zur Causa Hypo. Tags darauf, punkt 9.30 Uhr, waren alle Kameras auf ihn gerichtet. „Wir haben monatelang alle Alternativen geprüft“, sagte er. Nun sei der Entschluss gefallen. Als „letztes mögliches Mittel“ habe die Republik Österreich die Bayern LB geklagt. Klagssumme: 3,5 Milliarden Euro. Im Juristendeutsch nennt sich das Anfechtungsklage.

Die Republik fühlt sich nämlich von den Bayern getäuscht. In der ominösen Nacht auf den 14. Dezember 2009 wurde die Hypo Alpe Adria bekanntlich notverstaatlicht. In dieser teuersten Nacht in der Geschichte der Zweiten Republik sei Österreich über das wahre Ausmaß des Desasters getäuscht worden. Die Bayerische Landesbank habe den Kapitalbedarf verschleiert. Bei den 3,5 Milliarden handelt es sich um den realistischen Betrag, „den die Bayern hätten zahlen müssen“, sagte Schelling am Freitag. Damals ließ sich die Republik mit 825 Millionen von den Bayern abspeisen. 600 Millionen hätten die Bayern allerdings davor aus der maroden Hypo abgezogen, betonte Schelling am Freitag.

„Die Zwangslage der Republik wurde von den Bayern ausgenutzt“, sagt der Finanzminister. Denn ein Konkurs der Hypo Ende 2009 hätte für die Länder Ex-Jugoslawiens ähnlich katastrophale Folgen gehabt wie die Lehman-Pleite für die Weltwirtschaft, meint Schelling.

Österreich sieht sich also in der Opferrolle. Vom damaligen Finanzminister Josef Pröll über den Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny bis zu dessen Vorgänger (und späteren Hypo-Aufsichtsratschef) Klaus Liebscher war demnach keiner in der Lage, die tatsächliche Situation der Kärntner Landesbank halbwegs realistisch einzuschätzen.

Nun werden dies österreichische Gerichte klären. „Vor 15 Minuten“, sagt Schelling und blickt auf die Uhr, sei die Klage eingebracht worden.

Acht Wochen lang habe Schelling auf einen Anruf seines bayerischen Kollegen Markus Söder gewartet. Vergeblich. Der bayerische Finanzminister hat sich mit Schelling im Oktober getroffen. Bei diesem Gespräch sei den Bayern auch ein Vergleichsangebot unterbreitet worden. Trotz der Klage sei er „weiter gesprächsbereit“, sagte Schelling. Nach wie vor sei er an einem „akzeptablen Generalvergleich“ interessiert, durch den sämtliche Klagen aus der Welt geschaffen werden könnten.

Denn geklagt wird mittlerweile genug. Erst vor wenigen Tagen verklagte die BayernLB die Republik Österreich auf 2,4 Milliarden Euro. „Im Fall einer Aufspaltung der Bank [. . .] stellt der Bund auf Verlangen der BayernLB die Rückzahlung der zu diesem Zeitpunkt aushaftenden Kreditlinien sicher“, lautet ein Passus im Kaufvertrag vom Dezember 2009.

Durch die Bildung der Bad Bank sei diese Garantie schlagend geworden, meinen die Bayern. Das Finanzministerium steht auf dem Standpunkt, dass es sich nicht um Kredite, sondern um Eigenkapital handelt.

Dass postwendend nun die Bayern geklagt werden, sei „keine Retourkutsche“, betont Schelling. Er sieht auch die Beziehungen zum bayerischen Nachbarn „nicht gefährdet“. Das Gepolter der CSU-Kollegen sei allerdings verzichtbar. Auch den geplanten Verkauf der Hypo-Balkantöchter sieht Schelling nicht gefährdet.

Und außerdem fließt noch viel Wasser die Donau hinunter bis zum endgültigen Richterspruch. Schelling rechnet nämlich mit einem „extrem langen Verfahren, wenn man durch alle Instanzen geht“. Wovon man wohl getrost ausgehen kann.

Bayern reagieren gelassen

Seitens der BayernLB gab es am Freitag nur ein kurzes Statement. „Dieser Schritt war zu erwarten. Die BayernLB nimmt dies daher zur Kenntnis und sieht einer solchen Klage gelassen entgegen“, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Eine Randnotiz. Die Kameras und Fotoapparate waren an diesem Freitag auf Schelling gerichtet. Dessen perfekt inszenierte „spontane“ Hypo-Pressekonferenz auch noch einen angenehmen Nebeneffekt hatte: Noch am Donnerstag musste sich Schelling nämlich mit einer leidigen Geschichte aus seiner Zeit als Obmann der Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) herumschlagen. 27 Millionen Euro soll die AUVA laut Rechnungshof bei riskanten Finanzwetten verspielt haben. Auch diese Geschichte habe er von seinen Vorgängern geerbt, betonte Schelling tags zuvor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2014)

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