IHS: "Widerstand gegen höhere Steuern nimmt progressiv zu"

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Die Untätigkeit der Regierung sei höchst riskant, sagt der scheidende IHS-Chef Christian Keuschnigg. Denn die Steuerlast hemme Investitionen und heize die Arbeitslosigkeit an.

Die Presse: Sie sagen für 2015 ein Wachstum von 0,8Prozent voraus. Ist das der Aufschwung?

Christian Keuschnigg: Ein langsamer Aufschwung. Natürlich können wir danebenliegen – es ist ja eine Prognose. Und es gibt Risken nach unten. Man muss davon ausgehen, dass das potenzielle Wachstum bei durchschnittlichem Wirtschaftsgang in den nächsten zehn Jahren nicht mehr über 1,5 Prozent liegt.

Wie kann das sein? Was hat sich seit den Zeiten, in denen zwei oder mehr Prozent Wachstum üblich waren, geändert?

In der Eurozone, in der einzelne Länder die Struktur ihrer Produktion ändern müssen und die Wirtschaft sich entschulden muss, sieht das nun anders aus. Hier müssen wir uns wohl auf eine längere Phase mit niedrigem Wachstum und niedriger Inflation einstellen.

Außer in Österreich: Wir haben die höchste Inflation in der Eurozone.

Wir haben hausgemachte Komponenten: Wohnungen, Dienstleistungen, indirekte Steuern. Aber wir können nicht immer eine höhere Preissteigerung haben – dann würden wir viel zu teuer werden, dann könnte das geschehen, was im Süden geschehen ist.

Wird es uns in zehn Jahren so gehen wie Griechenland heute?

Das wäre ein extremes Szenario. Deutschland hat auch lange als kranker Mann Europas gegolten. Und dann hatten sie zehn Jahre Lohnmoderation. Da haben sie sich mit Lohnsteigerungen zurückgehalten und Reformen gemacht. Jetzt sind sie eine überdurchschnittlich starke Nation, wettbewerbsfähig, innovativ – und die Arbeitslosigkeit geht zurück.

Woran scheitert es in Österreich?

Es ist schwierig geworden, ein geschlossenes Programm, das auch Opfer verlangt, durchzusetzen. Die Parteienlandschaft ist breiter geworden. Man muss schon ganz klar sagen: Grundlegende Investitionen zahlen sich innerhalb einer Wahlperiode eben oft nicht aus – und sind oft ein großes Risiko für denjenigen, der sie angeht.

Ist es aber auch ein größeres Risiko als Untätigkeit?

Untätigkeit ist auch höchst riskant. Die Bevölkerung verspürt schon einen gewaltigen Unmut, weil nichts passiert. Jetzt hat sich die Regierung zur Steuerreform verpflichtet. Wenn sie jetzt nicht kommt, wird das Probleme mit der Öffentlichkeit schaffen. Dann wäre auch ein Ausdruck von Untätigkeit ein großes Risiko. Klar, auch Schröder ist mit seinen Reformen ein Risiko eingegangen. Aber man muss das eben erklären. Familien planen weiter als über eine Wahlperiode. Sie verstehen, dass man jetzt Opfer für die Zukunft bringen muss.

Derzeit reden wir doch nur vom Opferbringen.

Das ist so. In der Debatte um die Gegenfinanzierung geht es darum, wer die Opfer bringt. Die einen wollen es den Reichen aufbürden, die anderen wollen bei den Ausgaben einsparen.

Bei einer Abgabenquote von rund 45Prozent und einer Staatsquote von 52 Prozent: Ist da nicht offensichtlich, wo man hier zu sparen hat?

Nein, weil der Großteil der öffentlichen Ausgaben im Sozialstaat und der Umverteilung angelegt ist. Und da gehen die weltanschaulichen Positionen gewaltig auseinander. Wenn jemand für viel Umverteilung ist, dann ist er automatisch für eine höhere Steuerquote. Der Unternehmer will ja reich werden; und wenn er das nicht kann, weil alles wegbesteuert wird, dann ist der Anreiz zum Unternehmertum nicht da.

Aber nicht jeder Unternehmer gründet eine Firma, nur um reich zu werden.

Nein. Aber Geld ist auch nicht nur da, um Kaufkraft zu erwerben. Geld dient auch als Indikator dafür, dass man etwas erreicht hat. Ein Unternehmenswert wird in Geld gemessen – aber den Wert erzielt zu haben ist der Maßstab des Erfolgs.

Und die Staatsquote?

Ich bin auch dafür, dass die Staatsquote reduziert wird. Denn sie hängt direkt mit der Steuerquote zusammen. Wir geben ja Geld von den Privaten zum Staat, um diesen zu finanzieren. Aber je höher die Steuern, desto höher der Widerstand. Und dieser nimmt progressiv zu. Da wird dann weniger investiert, weniger gearbeitet, weniger Karriere gemacht und früher in Pension gegangen, weil sich das Arbeiten eh nicht auszahlt. Steuern erhöhen tendenziell die Arbeitslosigkeit. Und keine Investition wird dadurch rentabler, indem man den Ertrag wegbesteuert.

Wo würden Sie morgen eher eine Firma gründen: in Österreich oder in der Schweiz?

Ich wohne auch in der Schweiz, also wahrscheinlich würde ich es dort tun. Man kann dort mit Unternehmen gut verdienen. Die Besteuerung ist mäßig, die öffentlichen Leistungen sind trotzdem sehr gut. Man kann auch mit dem Finanzamt gut reden, weil es dort Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen gibt. Dort ist man beim Finanzamt Kunde.

Und wird bei geringerer Steuerlast auch mehr gearbeitet?

Die Schweizer arbeiten tatsächlich viel mehr. Sie haben weniger Urlaubstage. Die sechste Urlaubswoche haben sie per Volksabstimmung abgelehnt. Sie wollen eben arbeiten. Dann muss man ihnen den Reichtum auch gönnen. Sie gehen auch später in Pension: In der Schweiz liegt das gesetzliche Pensionsantrittsalter bei 65 und das reale bei 64. Bei uns ist es unter 60.

ZUR PERSON

Christian Keuschnigg (geb. 1959) ist noch bis Anfang Jänner Chef des Wiener Instituts für Höhere Studien (IHS). Dann wird er vom Soziologen Sigurd Höllinger abgelöst. Der Tiroler hat in Innsbruck Betriebswirtschaft studiert und in Volkswirtschaft promoviert. Seit 2001 unterrichtet er an der Universität St. Gallen am Institut für Volkswirtschaftslehre. [ APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2014)

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