Die Lawine nach der Causa OMV

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Die Ablöse von OMV-Chef Roiss brachte einiges ins Rollen: ÖIAG-Chef Kemler geht mit unter, ein Kanzlerkandidat wird Richtung OMV "weggelobt". Und Roiss macht weiter, als wäre nix passiert.

Wien. Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: OMV-Chef Gerhard Roiss muss vorzeitig gehen. Und mit ihm der halbe Vorstand. Seit diesem Tag im Oktober 2014 ist im größten Unternehmen des Landes nichts mehr, wie es war. Und auch in der Politik hat der Fall seither ordentlich Staub aufgewirbelt.

Erklärungen für seinen Abgang gab es seither viele – allerdings höchst unterschiedliche: Gerhard Roiss, der Machtmensch, habe es sich selbst zuzuschreiben. Er habe die Stimmung im Unternehmen vergiftet, als er in einem Brief an den Aufsichtsrat unverhohlen den Abgang des verfeindeten Vorstandskollegen Hans-Peter Floren forderte. Roiss habe die OMV strategisch auf die falsche Spur gebracht. Oder: Gerhard Roiss sei Opfer eines Komplotts und stand längst auf der Abschussliste der Miteigentümer aus Abu Dhabi, da er den OMV-Anteil an der hochprofitablen Kunststofffirma Borealis nicht und nicht verkaufen wollte.

Ölpreis fällt ins Bodenlose

Egal, welche Variante stimmt, dem Ölveteranen und seinem Unternehmen geht die Affäre an Herz und Nieren. Für den Konzern, der in den nächsten Monaten die halbe Chefetage verlieren wird, kommt es seither weiter knüppeldick: Der Ölpreis rutschte unter 60 Dollar pro Fass und bringt damit die OMV genauso ins Schleudern. Die Produktion in Libyen steht still. Russland sagte den Bau der South-Stream-Pipeline ab. Wenige Wochen vorher hatte die OMV den Bau erst feierlich mit der Gazprom besiegelt.

Und was macht Gerhard Roiss? Hat er innerlich abgedankt und wartet als „lame duck“ auf seine Ablöse? Keineswegs. Obwohl sein Abschied Mitte 2015 besiegelt ist, macht er weiter, als wäre nichts geschehen. Dazu gehört auch, eisern zu schweigen, wenn er (von Journalisten) auf sein Schicksal angesprochen wird. Die Mitarbeiter, so heißt es aus dem Unternehmen, stünden jedenfalls immer noch in Habachtstellung, wenn er den Raum betritt. Allzu viel hat sich also nicht geändert.

Warum auch? Obwohl mittlerweile zwei Headhunter beauftragt sind, die Chefetage neu zu besetzen, ist kein Nachfolger in Sicht. Solange die OMV auf einen neuen Steuermann warten muss, kann genauso gut der alte weitermachen. Zudem hat Roiss zwar das persönliche Match verloren, das inhaltliche aber gewonnen. Auch sein Gegenspieler Hans-Peter Floren muss gehen. Dessen Gassparte wird aufgespalten, wie von Roiss gefordert. Vorstandskollege Manfred Leitner, bisher zuständig für Raffinerien und Tankstellen, wird übernehmen.

Politische Kollateralschäden

Unterdessen hat der Fall auch innenpolitisch einiges ins Rollen gebracht. Denn die OMV gehört über die ÖIAG zu einem Drittel der Republik Österreich, und ÖIAG-Chef Rudolf Kemler hat in der Causa nicht unbedingt eine gute Figur gemacht. Auch er muss daher früher als geplant gehen. Das alles in einer Zeit, in der die Staatsholding (wieder einmal) auf Sinnsuche ist.

Und auch die Roiss-Nachfolge könnte eine politische Schlagseite bekommen. Kanzler Werner Faymann wird nachgesagt, ÖBB-Chef Christian Kern unbedingt an der OMV-Spitze sehen zu wollen. Der Grund ist wenig charmant: So könnte der schärfste Konkurrent in der Partei elegant aus dem Weg gelobt werden. Kern winkt offiziell freilich ab. Zudem wird ausdrücklich ein Ölmanager gesucht, was Kern nicht ist. Aber bis Mitte 2015 ist es noch eine Weile hin.

Ausreichend Zeit auch, um sich mit dem Gerücht zu beschäftigen, wonach der Abschuss von Roiss von langer Hand geplant gewesen sei. Die Ipic, der Staatsfonds von Abu Dhabi und gemeinsam mit der ÖIAG in einem Syndikat, sei schon länger nicht gut auf Roiss zu sprechen, erzählt man. Die Ipic habe die OMV-Anteile an Borealis kaufen und sich dafür aus der OMV zurückziehen wollen. Roiss habe sich quergelegt. Seither sei er eine Persona non grata. Und der Brief, übrigens im November 2013 geschrieben, eine willkommene Chance, ihn endlich loszuwerden.

Alles nicht wahr, sagte Ipic-Finanzchef Al Hashmi kürzlich in Wien. Man denke nicht daran, die OMV zu verkaufen. Bei Borealis war er weniger klar. „Für eine Transaktion braucht es einen glücklichen Verkäufer und einen glücklichen Käufer“, so Al Hashmi. Roiss war offenbar kein glücklicher Verkäufer. Man darf gespannt sein, ob der nächste OMV-Chef einer sein wird.

AUF EINEN BLICK

Im Oktober stimmte der Aufsichtsrat der OMV einstimmig für die vorzeitige Ablöse des amtierenden OMV-Chefs Gerhard Roiss. Spätestens Mitte 2015 soll sein Nachfolger übernehmen. Mindestens zwei weitere Vorstände werden ebenfalls verfrüht abtreten. Die Implosion in der OMV-Chefetage löste in der Republik heftige Nachbeben aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2014)

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