Wien: Jeder zweite Mieter lebt allein

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Um den stetigen Zuzug in die Bundeshauptstadt abzufedern, müssten deutlich mehr neue Wohnungen geschaffen werden. Selbst Megabauprojekte wie die Seestadt Aspern schaffen nur bedingt Abhilfe.

Wien. Die Wiener Mietpreise sind 2014 um 1,3 Prozent gesunken. Diese Nachricht veröffentlichte das Maklerportal findmyhome.at rechtzeitig zu Beginn des neuen Jahres. Allerdings ist sie mit Vorsicht zu genießen: Zum einen rechnet das Immo-Barometer dieses Portals mit den Angebotspreisen – nicht den realen Mieten. Da diese naturgemäß hoch angesetzt werden, ist die errechnete Preissenkung noch kein Grund zu frohlocken. Zudem wird sie gleich darauf relativiert: Trotz des leichten Rückgangs zu Jahresende wurde seit 2007 auf dem freien Markt ein 18-prozentiger Preisanstieg von 11,90 auf derzeit 14,05 Euro verzeichnet.

Betrachtet man den Hintergrund der aktuellen Preissenkung, wird vieles klarer. Vor allem in der Bundeshauptstadt verschiebt sich die Nachfrage zunehmend hin zu kleineren Wohneinheiten – das drückt die Maklerpreise. Der Markt für Mietwohnungen mit mehr als 120 Quadratmetern Fläche ist stark rückläufig. Wenn groß investiert wird, dann gleich in Eigentum – wobei aber auch hier 2014 ein drastischer Investitionsrückgang von rund 33 Prozent verzeichnet wurde. Der große Immobilienrun scheint also vorüber zu sein, der Wohnungsmarkt pendelt sich auf hohem Niveau ein. Das zeigt etwa ein aktueller Marktbericht des Immobilientreuhänders Immo-Contract, der den Dämpfer für das überteuerte Spitzensegment begrüßt.

Doch zurück zur Miete: Der Quadratmeter kostet bei Wohnflächen jenseits der 120 Quadratmeter laut Immo-Barometer 13,66 Euro. Hingegen muss man bei einer 60-Quadratmeter-Wohnung fast zwei Euro mehr für einen Quadratmeter einkalkulieren. Die normalverdienenden Wiener Singles, die laut Statistik Austria inzwischen fast die Hälfte aller Mieter der Bundeshauptstadt ausmachen, haben somit recht wenig von den im Schnitt gesunkenen Angebotspreisen. Nach Berechnungen der Statistik Austria stieg übrigens der durchschnittliche Quadratmeterpreis im dritten Quartal 2014 auf 7,23 Euro, was eine Teuerung von 29 Cent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Demnach klettern die Mieten in der Bundeshauptstadt zwar langsam, aber kontinuierlich weiter.

Zu wenige neue Wohnungen

Und Wohnraum in Wien wird zusehends knapp. Laut dem Immobilienpreisspiegel des Fachverbands der Immobilientreuhänder bedarf es einer Bautätigkeit von 8500 bis 10.000 Neubauten jährlich, um den Zuzug von rund 25.000 Menschen pro Jahr – das entspricht den Dimensionen von Städten wie Baden oder Krems – abzufedern. So viel wurde jedoch in den vergangenen Jahren nicht gebaut. Auch Mammutprojekte im geförderten Wohnbau, wie die Seestadt Aspern, die bis 2016 6000 Menschen ein Zuhause bieten soll, oder das Sonnwendviertel neben dem neuen Hauptbahnhof, sorgen nur bedingt für Entspannung.

„Viele Menschen leben derzeit in zu großen Wohnungen“, kritisierte vor Kurzem der Obmann der Wiener Fachgruppe der Immobilientreuhänder, Michael Pisecky. Er hält ein gesellschaftliches Umdenken für notwendig, um den Bedarf an Wohnfläche künftig decken zu können. 1971 lebte eine Person im Schnitt auf 23 Quadratmetern, 2013 auf fast doppelt so viel Raum. Die durchschnittliche Wohnungsgröße stieg österreichweit von rund 69 auf 100 Quadratmeter an, gleichzeitig sank die Zahl der Bewohner je Haushalt. Im eng verbauten Wiener Stadtgebiet liegt zwar die durchschnittliche Wohnungsgröße „nur“ bei 75 Quadratmetern. Dafür sind hier aber 86 Prozent der Mietverträge unbefristet – auch das macht den Wohnungsmarkt unflexibel. (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2015)

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