ÖIAG-Reform: K(l)eine Abkühlung gefällig?

MINISTERRAT: SCHELLING
MINISTERRAT: SCHELLINGAPA/ROLAND SCHLAGER
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Die Politik feiert ihre Rückkehr in die Staatsbetriebe. Doch die neue ÖBIB birgt noch viel Sprengstoff: Der Finanzminister will bei Jobs Wartezeit für Politiker, Kanzler und Vizekanzler nicht.

Wien. Mit eineinhalb Stunden Verspätung trat die heimische Regierungsspitze am Dienstag nach dem Ministerrat vor die Presse. Genügend Zeit, um alle Missverständnisse in der Koalition auszuräumen, war das offenbar nicht. Ja, die Staatsholding ÖIAG wird in die Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH“ (ÖBIB) umgewandelt. Ja, die Politik sichert sich damit wieder mehr Einfluss auf die (teil-)staatliche Post, Telekom und OMV. Und nein, eine Re-Politisierung der Firmen sei das nicht.

So weit die Einigkeit. Doch in den Details herrscht noch Verwirrung, die sich zu einem handfesten Streit auswachsen könnte: Gibt es sie nun oder gibt es sie nicht? Jene Abkühlungsphase, die Politiker und Sozialpartner absitzen müssen, bevor sie von der neuen Staatsholding in die Aufsichtsräte der Staatsbeteiligungen entsandt werden können?

Für Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist die Sache klar: „Natürlich gibt es eine Abkühlungsphase“, verkündete er am Dienstag. Schon heute müssten etwa Unternehmenschefs zwei Jahre „abkühlen“, bevor sie in den Aufsichtsrat desselben Unternehmens wechseln dürfen. Diese Regeln würden auf Politiker und Funktionäre ausgeweitet, damit die Österreicher „die besten Köpfe für ihr Eigentum“ erhielten, so Schelling: „Darauf werde ich bestehen.“

Laxe Regeln sollen reichen

Doch wie es scheint hat der Finanzminister die Rechnung ohne die beiden Wirte gemacht. „Es wird keine Beschränkungen für Politiker und Sozialpartner geben“, schmetterte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) dessen Ansinnen wenige Minuten später ab. „Sie werden sie auch im Gesetz nicht finden“. Der Kanzler stand zuletzt unter Druck von Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund, die um ihren Einfluss auf die Staatsbetriebe fürchteten.
Aber auch Schellings Parteikollege und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sah keine Notwendigkeit für zusätzliche Regelungen. Es würden schon „nicht lauter Kammerpräsidenten“ in den Kontrollgremien landen, so der Vizekanzler. In der Punktation zum Gesetz, die der „Presse“ vorliegt, findet sich die viel zitierte Abkühlungsphase ebenfalls nicht. Stattdessen liest man dort den Hinweis auf den Österreichischen Corporate Governance Kodex und das Bundesgesetz für Transparenz und Unvereinbarkeit.

Der Kodex regelt jedoch nur, wann Vorstände in den Aufsichtsrat wechseln dürfen. Politiker und Sozialpartner lässt er unerwähnt. Das Transparenzgesetz wiederum verbietet nur aktiven Politikern den Gang in den Aufsichtsrat. Und auch das gilt nicht, „wenn der Bund an dem betreffenden Unternehmen beteiligt ist“ und die Regierung es für gut befindet. Dem politischen Postenschacher in der ÖBIB wäre damit also zumindest theoretisch Tür und Tor geöffnet. Ein Sprecher des Finanzministeriums kommentierte die Worte der Regierungsspitze auf Anfrage nur knapp: Die Aussagen des Ministers seien eindeutig. Und das Gesetz werde noch geschrieben.

"Besser gar nichts zu ändern"

Der Industrielle Norbert Zimmermann, Schellings Chefverhandler für die ÖIAG-Reform, fand im Gespräch mit der „Presse“ klarere Worte: „Wenn die Arbeitnehmerverteterorganisationen wieder Ihren Einfluss reklamieren, um Kapitalvertreter zu entsenden, ist das grotesk“, sagte er. „Dann ist es besser gar nichts zu ändern.“
"Es muss ein Cooling-Off geben“, fordert auch Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung. „Wir wollen keine Sozialpartner in den Gremien der ÖBIB. Das gilt auch für IV-Funktionäre“.

Die beiden Regierungschefs sehen unterdessen keinen Grund zur Besorgnis. Die neue ÖBIB sei kleiner und schlagkräftiger als die alte ÖIAG. Sie dürfe nicht nur privatisieren, sondern auch zukaufen (etwa den Münze-Anteil an den Casinos) und könne (auf Wunsch des jeweiligen Ministers) weitere Bundesbeteiligungen übernehmen. Die Aufsichtsräte für die Staatsfirmen würden nach besten Wissen und Gewissen vom Nominierungskomitee ausgewählt, das aus den Staatssekretären von ÖVP und SPÖ sowie zwei Experten besteht.

Ende März soll das Gesetz beschlossen werden, damit es bei den nächsten Hauptversammlungen im April umgesetzt werden kann. 18 Aufsichtsratsposten (acht OMV, acht Post, zwei Telekom) müssen in Summe neu vergeben werden. Die bisherigen ÖIAG-Kandidaten in den Aufsichtsräten könnten trotz laufender Mandate teils trotzdem früher abgelöst werden. „Es ist nicht die Idee, dass wir tabula rasa machen“, sagte Mitterlehner. „Aber wir werden von der neuen Möglichkeit Gebrauch machen.“

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