Geldpolitik: Reformen statt billiger Schulden

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Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, mahnt von den Mitgliedern der Eurozone Strukturreformen ein. Ihm schwebt eine "echte Wirtschaftsunion" vor.

Wien. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), die Eurozone in den kommenden eineinhalb Jahren mit über einer Billion Euro zu fluten, freut die Märkte. Sie entzweit jedoch Ökonomen wie Politiker. Mit dem Ankauf von Wertpapieren, allen voran Staatsanleihen, können sich die Mitgliedsländer zwar günstig auf dem Kapitalmarkt refinanzieren, doch fehlen ihnen Anreize für echte Strukturreformen.

Das weiß freilich auch EZB-Chef Mario Draghi. Er mahnte in einem Gastbeitrag für die „Wirtschaftswoche“ eine gemeinsame Initiative der Euro-Länder zur Durchsetzung von Wirtschaftsreformen ein, die über einheitliche Institutionen umgesetzt werden sollen. Indem die „Wirtschaftsunion die Regierungen zu Strukturreformen verpflichtet, macht sie glaubhaft, dass die Länder tatsächlich durch Wachstum ihre Verschuldung überwinden können“, so Draghi.

Mit den beiden Letzteren sah es zuletzt eher schlecht aus. Der Internationale Währungsfonds revidierte seine Konjunkturprognose für die Eurozone erst vor wenigen Tagen um 0,2 Punkte auf 1,2 Prozent nach unten. Die Staatsschuldenquote der Eurozone (Schuldenstand des Gesamtstaates in Prozent des Bruttoinlandsproduktes) kletterte in den vergangenen Jahren indes nach oben. Lag ihr Wert 2010 noch bei 83,9 Prozent, hat er mittlerweile ein Niveau von rund 95 Prozent erreicht.

Hinzu kommt, dass Inflation, flankiert von niedrigen Ölpreisen, in der Eurozone praktisch nicht mehr vorhanden ist – weswegen die Zentralbanker die Notenpresse angeworfen haben. Doch den Währungshütern sind die Hände gebunden. Ihr eigentliches Ziel ist, die Teuerung im Zaum und bei knapp unter zwei Prozent zu halten. „Eine auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik kann nicht auf Schocks reagieren, die nur ein Land oder eine Region betreffen“, so Draghi. Die Geldpolitik kann keine Rücksicht auf die Bedürfnisse einzelner Staaten haben – auch wenn diese, wie Deutschland, viel Gewicht haben. Die Bundesrepublik könnte beispielsweise höhere Leitzinsen vertragen, die Südländer nicht.

Doch wenn die Reformbemühungen einzelner mangelhaft sind, treffe das alle, „wenn sie zu einer dauerhaften Divergenz führen“, so Draghi. Dann nämlich gehe das Schreckgespenst vom Austritt um, worunter alle leiden – wie bei Griechenland zu beobachten war.

Angst vor Währungskrieg

Als konkretes Vorhaben mahnte Draghi etwa die geplante Kapitalmarktunion ein, die man nun rasch vorantreiben müssen. Eine Zusammenführung der Finanzmärkte sei Bedingung dafür, dass der Privatsektor stärker an Risken beteiligt werde. Schon im kommenden Monat soll EU-Finanzmarktkommissar Jonathan Hill einen entsprechenden Vorschlag veröffentlichen.

Bundesbankchef Jens Weidmann glaubt jedenfalls nicht, dass das Anleihenkaufprogramm am grundsätzlichen Problem der Eurozone etwas ändern werde: Die einzelnen Regierungen müssten bei „hoher Verschuldung und einem Mangel an Wettbewerbsfähigkeit“ ansetzen.

Unterdessen warnen einige Experten schon vor einem Währungskrieg. Ihre Befürchtungen beruhen auf dem niedrigen Euro-Kurs. Die Gemeinschaftswährung ist gegenüber dem US-Dollar in den vergangenen Monaten stark gefallen und erreichte erst in der Vorwoche ein Elfjahrestief. Wenn die EZB ungelöste Probleme durch eine Euro-Abwertung lösen möchte, schaffe sie Konflikte mit anderen Staaten, warnt etwa der Chefvolkswirt der Commerzbank Jörg Krämer. Ein günstigerer Euro verbilligt Exporte, was der Konjunktur neuen Schub verleihen könnte.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung teilt die Sorge eines Währungskriegs indes nicht. Der Euro sei selbst bei seinem derzeitigen Wechselkurs nicht deutlich unterbewertet. Abgesehen davon hätten auch andere Notenbanken ähnliche Ankauf-Programme gefahren. (ag./nst)

AUF EINEN BLICK

Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, will die Eurozone mit einem billionenschweren Anleihenkaufprogramm stützen. Dadurch können sich die Mitgliedstaaten zwar günstig refinanzieren, es fehlen aber Anreize für Strukturreformen, die Draghi nun im Rahmen einer Wirtschaftsunion einmahnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2015)

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