Die Wirtschaft steht drei Jahre still

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Billigem Öl und schwachem Euro zum Trotz schrammt Österreich auch heuer nur knapp an der Rezession vorbei. Laut Wifo ist das mehr als nur eine „konjunkturelle Schwäche“.

Wien. Wer es sich leisten kann, könnte ab heute bis Ende Juni getrost das Land verlassen. Glaubt man den Wirtschaftsforschern, passiert bis dahin hierzulande ohnedies nicht viel. Ein Rückflugticket im Sommer sollte genügen, um rechtzeitig zu dem von ihnen prognostizierten Aufschwung wieder da zu sein. Aber Vorsicht: Das goldene zweite Halbjahr sagen uns die Volkswirte seit Ausbruch der Krise nicht zum ersten Mal voraus. Geworden ist daraus meist nichts.

Im Vorjahr etwa habe sich die erhoffte große Erholung zum Jahresende in eine wirtschaftliche Lähmung verwandelt, gab das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) am Freitag bekannt. Im letzten Quartal 2014 schrumpfte die heimische Wirtschaftsleistung demnach real um 0,1 Prozent gegenüber der Vergleichsperiode 2013. In den drei Monaten zuvor trat die Wirtschaft auf der Stelle. In Summe bleibt für 2014 damit ein mageres Plus von 0,3 Prozent.

Spätestens seit 2013 (plus 0,2Prozent) klebt das Land also wirtschaftlich an der Nulllinie. Bedenkt man dann noch, dass eine zunehmend wachsende Bevölkerung im Land seit Jahren praktisch die gleiche Leistung bringt, hat uns die Pro-Kopf-Rezession längst erreicht. Auch für heuer erwarten die Wifo-Ökonomen mit einem Plus von 0,5Prozent de facto einen Stillstand der Volkswirtschaft. Und auch das gelingt nur, wenn die Wirtschaft im zweiten Halbjahr, wie prophezeit, brummt.

Steuerreform für Konsum

Das sei längst „keine konjunkturelle Schwächephase mehr“, sagt Wifo-Ökonom Jürgen Bierbaumer-Polly zur „Presse“. Dafür dauere die Stagnation der heimischen Volkswirtschaft schon viel zu lange an. Freilich trägt die flaue Entwicklung der Weltwirtschaft viel dazu bei, da Österreich stark vom Erfolg seiner Exporteure abhängt. Im zweiten Halbjahr 2014 gingen die Exporte um ein Prozent zurück. Und auch Österreichs Unternehmen stehen auf der Bremse. Die Anlageinvestitionen schwächten sich im vierten Quartal real um 0,9Prozent ab.

Aber der Wirtschaftsforscher sieht auch strukturelle Gründe für die Lähmung der heimischen Wirtschaft. Die Realeinkommen der Österreicher treten seit Jahren auf der Stelle oder sinken sogar. Da viele Menschen in den vergangenen Jahren zudem bereits an ihre Ersparnisse gegangen sind, fällt der private Konsum entsprechend schwach aus. Entscheidend für die Entwicklung des Privatkonsums sei nicht zuletzt die Steuerreform, sagt Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker. Eine starke Entlastung könne die Kauflaune auf Jahre hinaus stimulieren.

„Schwacher Euro hilft immens“

Ihren Optimismus für das zweite Halbjahr 2015 wollen die Forscher aber dennoch nicht in den Händen der heimischen Politiker wissen. Sie bauen stattdessen auf Impulse jenseits der Grenzen. Der überraschend tiefe Fall des Ölpreises, die freundlichere Stimmung beim wichtigen Handelspartner Deutschland und nicht zuletzt der schwache Euro sollen den Unternehmen den nötigen Schub geben.

Der Wertverlust des Euro, den manche Ökonomen als „süßes Gift“ für die Industrie geißeln, weil der Druck zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit schwinde, „hilft einem Land wie Österreich in der aktuellen Lage immens“, sagt Bierbaumer-Polly. Die Exporteure würden sehr rasch davon profitieren. Mit einigen Monaten Verspätung komme die gute Stimmung dann hoffentlich auch bei allen Konsumenten und Unternehmen an, sodass diese lange verschobene Investitionen tätigen.

Doch selbst dann sei Österreich noch meilenweit von seiner alten „Wachstumsgrenze“ von zwei Prozent entfernt, gibt der Ökonom zu bedenken. Zur Erinnerung: Diesen Wert galt es hierzulande lange zu erreichen, um „echtes Wachstum“ zu generieren, das auch auf dem Arbeitsmarkt ankommt. Mittlerweile würden rund 1,3 Prozent Plus genügen, schätzen Volkswirte. Aber selbst damit könnte es knapp werden. Bis 2019 erwartet das Wifo ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 1,25 Prozent im Jahr. Erst am Ende dieser fünf Jahre werde auch die Zahl der Arbeitslosen im Land wieder sinken.

AUF EINEN BLICK

Das zweite Halbjahr 2014 brachte Österreichs Wirtschaft an den Rand der Rezession. Auch heuer erwarten Wifo-Ökonomen einen zähen Start ins Jahr. Zur Jahresmitte erhoffen sie sich dank billigem Erdöl, schwachem Euro und einem wieder erstarkten Deutschland einen kleinen Aufschwung auch in Österreich (in Summe plus 0,5 Prozent). In den vergangenen Jahren wurde aus den vorhergesagten Erholungen zur Jahresmitte freilich nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

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