Per Mausklick zu einer sauberen Wohnung

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Von den USA ausgehend werden Online-Putzdienste in Europa immer populärer. Seit Kurzem können Reinigungskräfte auch in Österreich über das Internet gebucht werden. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter sind kritisch.

Schluss mit dem Moppen, ich geh lieber Shoppen!“, heißt es auf der Facebook-Seite von Helpling – einem von drei Online-Putzdiensten, die derzeit in Österreich tätig sind. Zugegeben, verlockend klingt das Angebot schon: Die Suche nach einer guten und vor allem vertrauenswürdigen „Perle“ kann zeit- und kraftraubend sein. Und: Wer geht nicht lieber einkaufen, als seine Wohnung blitzblank zu putzen?

„Grundsätzlich wollten wir das Buchen von Reinigungskräften so einfach machen, wie es bei Flügen, Hotels und Taxis schon der Fall ist“, sagt Nikolai Vitzthum, Geschäftsführer von Helpling Österreich. Seit vergangenem Jahr ist das Vermittlungsportal, ebenso wie die Konkurrenten Book a Tiger und Clean Agents, hierzulande vertreten. Das Geschäft boomt: Bot Helpling bei der Gründung im März 2014 seine Dienste nur in der Heimatstadt Berlin an, expandierte es binnen eines halben Jahres in zwölf Länder auf vier Kontinenten – außerhalb Europas ist das Start-up auch in Australien, Brasilien und den Vereinigten Arabischen Emiraten tätig. „Von Stockholm bis Rio de Janeiro“ putzen Helpling-Mitarbeiter mittlerweile in 150 Städten. Hierzulande ist Helpling in Wien, Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck vertreten.

Lukrative Idee. Österreich sei für Online-Putzdienste ein attraktiver Markt, sagt Vitzthum. „Als Kunde ist man hier bei der Suche nach Reinigungskräften auf Empfehlungen aus Bekannten- und Freundeskreis angewiesen oder muss sich stundenlang durch Kleinanzeigen lesen“, erklärt der 24-Jährige. Auch Putzkräfte kämen durch Helpling einfacher zu ihren Kunden.

Das Prozedere ist bei allen Anbietern weitgehend gleich: Der Kunde gibt entweder über Rechner oder Smartphone-App Adresse, Wunschtermin und etwaige Sonderwünsche (etwa die Innenreinigung von Backöfen) an und bekommt eine Reinigungskraft zugewiesen – „binnen 60 Sekunden“, wie etwa Book a Tiger auf seiner Homepage verspricht. Die Putzkraft wird stundenweise abgerechnet, die Rechnung nach der Reinigung per E-Mail verschickt. Bei einmaliger Buchung kostet eine Stunde an die 15 Euro, bei mehrmaliger Inanspruchnahme verringert sich der Preis. Nach Abzug der Vermittlungsgebühren bleiben den „Perlen“ brutto zehn bis zwölf Euro über. Bei Helpling betragen die Abzüge 20 Prozent. „Darin fallen Dienstleistungen wie Marketing, Backoffice und unsere Haftpflichtversicherung“, erklärt Vitzthum.

Neu ist das Konzept nicht. 2012 gründeten Adora und Aaron Cheung das Onlineportal Homejoy. Mit dem Start-up aus San Francisco wollte das Geschwisterpaar die „Zusammenführung von Kunden mit vertrauensvollen, professionellen Dienstleistern zu einem angemessenen Preis“ ermöglichen, heißt es auf der Homepage. Die Idee war erfolgreich: Mit dem blitzartigen Erfolg in Nordamerika lukrierte das Unternehmen allein 2013 40 Mio. Dollar (rund 35 Mio. Euro) an Investorengeldern. 38 Mio. Dollar finanzierte Google und ermöglichte die Expansion nach Europa – zunächst nach Großbritannien, im Sommer 2014 nach Deutschland und Frankreich.

Damit reagierte das US–Putzportal auf die deutsche Konkurrenz: Helpling steht unter der Schirmherrschaft der Samwer-Brüder. Das Geschwistertrio, unter dessen Ägide etwa das Versandhaus Zalando entstanden ist, übernahm das Geschäftsmodell und vertraute das Projekt den Helpling-Gründern Benedikt Franke und Philip Huffmann an. Damit stach Helpling auch Clean Agents aus, die bereits seit Mai 2013 am deutschen Markt bestehen.

Die Idee für Clean Agents sei ihm im Zug nach Berlin während eines Gesprächs mit polnischen Migrantinnen gekommen, erklärt Gründer Sergiej Rewiakin. Die Frauen pendelten jeden Tag über die Grenze, um in Berliner Haushalten putzen zu gehen. „Für sie ist es mühsam, alles alleine zu organisieren.“ Daher habe er nach einer Möglichkeit gesucht, ihre Situation zu verbessern. Vergangenen März startete Clean Agents auch in Wien. Hier vermittle er vor allem slowakische und polnische Putzfrauen. Einen „typischen Helpling“ gebe es nicht, meint hingegen Vitzthum. Man arbeite mit unterschiedlichen Menschen zusammen: von Personen, die schon als Reinigungskraft tätig waren, bis hin zu Studenten, Hausfrauen oder Pensionisten.

Unabhängig von deren Herkunft werben alle drei Dienste mit der Vertrauenswürdigkeit und Professionalität ihrer Reinigungskräfte. In einem mehrstufigen Aufnahmeverfahren würden die Fachkenntnisse des Personals getestet. Bei Helpling und Book a Tiger wird zusätzlich ein Leumundszeugnis der Polizei verlangt. Zudem können Kunden die Putzkräfte im Nachhinein mit einem Fünf-Sterne-System bewerten. Bei Unzufriedenheit werde die Reinigung nochmals durchgeführt.

Ganz ohne Bedenken sind die verlockenden Angebote der Putz-Start-ups jedoch nicht zu genießen: Die deutsche Verbraucherorganisation Stiftung Warentest etwa kritisiert in einem Bericht, dass die Reinigungsleistung stark von der Putzkraft abhängig sei. Das spiegelt sich auch in sozialen Netzwerken wieder. So heißt es etwa auf der Facebook-Seite von Book a Tiger: „Drei Termine vereinbart, drei Termine bestätigt, dreimal ist niemand aufgetaucht. Ich geh zur Konkurrenz.“

Rechtliche Grauzone. Das Konzept, argumentieren Helpling und Book a Tiger zudem, sei eine legale Alternative zu „schwarzen“ Putzfrauen. „Studien zufolge sind in Österreich 95 Prozent der Reinigungskräfte in Privathaushalten schwarz beschäftigt. Das sind 300.000 bis 400.000 Menschen. Wir wollen eine positive Kraft am Markt sein“, erklärt Vitzthum.

Dass Online-Putzdienste den vor allem weiblichen „Pfuschern“ aus der Illegalität helfen könnten, kann Friedrich Schneider, Experte für Schattenwirtschaft an der Universität Linz, schwer abschätzen. Er sieht den Trend allerdings aus rein menschlichen Gründen skeptisch – vor allem angesichts der hohen Anzahl an Singlehaushalten. „Viele wollen gar nicht, dass ein Fremder in ihre Wohnung kommt. Sie wollen bei ihrer Putzfrau bleiben, wenn bereits ein Vertrauensverhältnis besteht.“

Auch arbeitsrechtlich bewegen sich die Online-Putzdienste in einer Grauzone. Denn die Reinigungskräfte sind bei den Portalen nicht angestellt. Sie müssen einen Gewerbeschein beantragen und werden als selbstständige Putzkräfte vermittelt. Da sie aber von Helpling und Co. Aufträge mit Dienstzeiten, Ort und Arbeitsanweisungen erhielten, bestehe keine richtige, sondern eine sogenannte Scheinselbstständigkeit, erklärt Gerhard Komarek, Innungsmeister der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger in der Wirtschaftskammer Österreich.

Als selbstständiger Dienstleister könne die Arbeit bei den Vermittlungsdiensten nicht lukrativ sein, meint Ursula Woditschka von der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida. Mit allen Abgaben liege das tatsächliche Gehalt der Putzkräfte zwischen fünf und sechs Euro. Zusätzlich entfielen Krankenstand, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. „Viele vergessen, dass sie in Zeiten, in denen sie nicht verdienen, nicht versichert sind“, sagt Woditschka.

Unmut käme zudem von den etablierten Reinigungsdiensten, schildert Komarek. Bei einem im Kollektivvertrag geregelten Mindestlohn von 8,61 Euro brutto (ohne Lohnnebenkosten), müssten herkömmliche Putzunternehmen eine Stunde um mindestens 19 Euro verkaufen, um Gewinn zu machen. „Die Betriebe finden es unfair, wenn Kunden sich beschweren, dass eine Reinigung im Internet viel weniger kostet“, sagt Komarek.

Vitzthum hingegen erachtet den Stundenlohn „durchaus angemessen“, da es sich um ein „attraktives Angebot für beide Seiten“ handle. Einerseits für die Kunden, die bereit seien, den Preis zu zahlen. Andererseits lohne es sich auch für die Dienstleister. „Wir haben uns den Preis nicht ausgedacht“, sagt er. Dieser sei vielmehr aus Gesprächen und Analysen errechnet worden.

Gründer

41 Prozent aller Gründungen betrafen die Sparte Gewerbe und Handwerk.

75 Prozententschieden sich für ein Einzelunternehmen.

15 Prozent gründeten eine GmbH.

43,5 Prozent der österreichischen Gründer sind Frauen.

37,4 Jahre ist der durchschnittliche Gründer alt.

51 Prozent aller Gründer kommen aus einem Angestelltenverhältnis.

68 Prozent aller Gründungen bestehen nach fünf Jahren noch.

Putzdienste

Hepling ist in Wien, Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck buchbar. Bei einmaliger Buchung werden 14,80 Euro pro Stunde verrechnet.

Clean Agents ist seit vergangenen März in Wien.Eine einmalige Buchung kostet 15 Europro Stunde.

Book a Tiger ist derzeit nur in Wien vertreten. Eine Ausweitung auf andere Städte ist geplant.Für eine Stunde werden 15 Euro verlangt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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