Zahl der Gründungen stagniert seit Jahren

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110 Unternehmen werden in Österreich jeden Tag gegründet, aber die Zahl stagniert. Angesetzt werden müsste an vielen Hebeln: bei der Finanzierung, den Lohnnebenkosten, der Bürokratie, der Rechtssicherheit.

Warum entscheiden sich Menschen für die Selbstständigkeit? Eine Umfrage unter österreichischen Gründern zeigt: Der Großteil will in seiner Zeit- und Lebensgestaltung flexibler sein und mehr Verantwortung übernehmen. Häufig ist es auch der Wunsch, lieber sein eigener Chef zu sein, als einen Chef zu haben, der zur Unternehmensgründung führt.

So haben sich im Vorjahr 37.120 Personen in Österreich für die Selbstständigkeit entschieden. 8630 davon waren allerdings Personaldienstleister, die großteils in der Pflege tätig sind und ihren Wohnsitz teilweise in den benachbarten osteuropäischen Staaten haben. De facto wurden also 28.490 Unternehmen neu gegründet, das sind 277 mehr als im Jahr davor.

Die Wirtschaftskammer spricht daher von einer „stabilen Situation bei den Gründungen“. Gerade angesichts der angespannten konjunkturellen Situation seien stabile Gründungszahlen ein positives Signal, das der vielfach pessimistischen Stimmung entgegenwirke, sagte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl bei der Präsentation der Gründungszahlen vergangenen Dienstag. Tatsächlich stagniert die Zahl der Gründungen seit einigen Jahren, 2010 war sie sogar noch etwas höher als 2014.


Mehr Frauen. Im Steigen begriffen ist der Frauenanteil. Mit 43,5 Prozent (ohne Personenbetreuer) sind Österreichs Gründerinnen auf dem Vormarsch, 2010 waren es erst 39,5 Prozent. Das Durchschnittsalter der Gründer und Gründerinnen liegt bei 37,4 Jahren. Etwa ein Viertel aller Gründungen wurde von Personen zwischen 20 und 30 Jahren vorgenommen. Die meisten, nämlich nahezu ein Drittel, gründen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren.

Angesichts dieser Altersstruktur ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mitunter entscheidend, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Leitl bekräftigte daher die Forderung nach dem Ausbau von flexibler und leistbarer Kinderbetreuung für unter Dreijährige und der Nachmittagsbetreuung an den Schulen. Der Vorsitzende der Jungen Wirtschaft (JW), Herbert Rohrmair-Lewis, forderte „weniger Bürokratie“ und nannte einmal mehr den „One-Stop-Shop für Gründer“ – also die Möglichkeit, alle für die Unternehmensgründung notwendigen behördlichen Schritte an einer einzigen Stelle abzuwickeln. Derzeit muss man mit bis zu drei Wochen für die Gründung einer GmbH rechnen.


Kreditklemme. Ein weiterer wunder Punkt ist die Finanzierung: „Was nutzt es, wenn die EZB die Märkte flutet, die Banken die Kredite aber nicht weitergeben?“, sagte Leitl. Es brauche also mehr Privatkapital für die Unternehmensfinanzierung und neue Finanzierungsmodelle. Wie Crowdfunding, bei dem viele Privatpersonen mit kleinen Beträgen in innovative Ideen investieren. „Die Regierung hat bis März 2014 einen Rechtsrahmen für Crowdfunding versprochen. Wir wissen, dass es gute Vorschläge gibt, diese werden allerdings vom Sozialministerium und der Arbeiterkammer abgelehnt“, sagte Rohrmair-Lewis. Auch der von der JW geforderte Business-Angel-Freibetrag, also die steuerliche Absetzbarkeit von Investitionen in Start-ups in der Höhe von 50.000 Euro, harrt noch seiner Umsetzung.


Entlastung bei erstem Mitarbeiter. Eine der größten Herausforderungen für neu gegründete Unternehmen ist die Entscheidung, den ersten Mitarbeiter einzustellen. Die Junge Wirtschaft fordert hier eine kräftige Steuerentlastung und eine Unterstützung durch die Sozialversicherungen.

So sollen die Lohnnebenkosten für den ersten Mitarbeiter eines Gründers im ersten Jahr gestrichen werden. Für den zweiten Mitarbeiter sollen im ersten Jahr nur die halben Lohnnebenkosten anfallen. Rohrmair-Lewis rechnet vor, dass ein Gründer im Schnitt 2,5 direkte Arbeitsplätze im ersten Jahr seiner Unternehmertätigkeit schafft, indirekt seien es sogar 5,8 Arbeitsplätze. Damit würde das durch Steuerersparnisse aufgewendete Geld durch die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen wieder hereingespielt.

Immerhin 15 Prozent der Gründer versuchten es 2014 mit einer GmbH. Diese Unternehmensform hat trotz der rechtlichen Unsicherheiten bei der GmbH light um 37 Prozent zugelegt.


Gründungsprivilegiert? Die Regierung hatte vor einem Jahr die gerade eingeführte GmbH light mit einem reduzierten Mindeststammkapital von 10.000 Euro de facto wieder abgeschafft. Als günstigere Gründungsmöglichkeit wurde die sogenannte „gründungsprivilegierte“ GmbH (GmbH light neu) eingeführt. Diese darf zwar mit 10.000 Euro gegründet werden, muss aber innerhalb von zehn Jahren auf ein Stammkapital von zumindest 35.000 Euro aufstocken. Leitl plädiert für eine Rückkehr zum ursprünglichen Modell.

Die Überlebensrate aller Gründungen ist gut: Nach drei Jahren sind noch acht von zehn Unternehmen im Geschäft, nach fünf Jahren immer noch 68 Prozent. Etwa 20 Prozent werden innerhalb dieser fünf Jahre verkauft, nur etwa zehn Prozent überleben die kritischen fünf Jahre nicht.

Motive

64 Prozent der Gründer wollten in ihrer Zeit- und Lebensgestaltung flexibler sein.

52 Prozent wollten ihr Einkommen steigern.

42 Prozent sahen durch die Lage auf dem Arbeitsmarkt in der Selbstständigkeit eine Alternative.

10 Prozent sagen, sie wurden in die Selbstständigkeit gedrängt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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