Kogler: „War man nur ungeschickt oder blöd?“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der grüne Abgeordnete Werner Kogler will im U-Ausschuss aufdecken, welche Interessen bei der Notverstaatlichung der Hypo Alpe Adria mitgespielt haben. Die ÖVP sieht er in Verantwortung, die SPÖ im Beiwagerl.

Die Presse: Die Griss-Kommission hat einen äußerst kritischen Bericht vorgelegt, der Rechnungshof ebenso. Was kann ein U-Ausschuss jetzt noch beitragen?

Werner Kogler: Unsere Aufgabe ist es, die Motive und die Interessenlagen der Verantwortlichen offenzulegen und damit mögliche Interessenkonflikte. Frau Dr. Griss hat das ja ausdrücklich nicht untersucht. Sie hat ein Organversagen festgestellt, wir wollen hinter die Kulissen schauen, ob es da mögliche Verflechtungen und Verstrickungen und absichtliches Versagen gegeben hat.

Sie bauen auf dem Griss-Bericht auf?

Der ist mit Sicherheit eine Grundlage, ebenso der demnächst zu veröffentlichende Rechnungshofbericht. Wenn die anderen Parteien mitziehen, würde ich die beiden Berichte zur offiziellen Ausschussunterlage erklären. Dann hätten wir schon eine gute Basis für den Schlussbericht.

Welche Motive und Interessenlagen vermuten Sie hinter der Notverstaatlichung?

Wir müssen überprüfen, ob außer Überforderung und Übertölpelung der Verantwortlichen auch Interessen anderer Banken im Spiel sind, die daraus einen Vorteil ziehen konnten. Die Frage ist, hat das Nationalbank und Finanzministerium in ihren Entscheidungen beeinflusst?

Mit anderen Banken meinen Sie andere Hypos und Raiffeisen?

Das wäre zu überprüfen. Raiffeisen ist an drei Hypo-Banken beteiligt und hat auch sonst Verflechtungen. Ich sage aber dazu, dass das nicht meine Hauptthese ist. In erster Linie gilt es auszuleuchten, waren Interessen im Spiel, oder war man nur ungeschickt oder blöd. Was schon schlimm genug wäre.

Was vermuten Sie?

Eine Mischung. Da sind mehrere Dinge zusammengekommen. Trotzdem wird sich die Frage stellen, ob das optimal ist, wenn sich in einem Ministerkabinett so viele Mitarbeiter von Raiffeisen herumtreiben. Das führt immer zu Spekulationen.

Was könnte Sie in dem U-Ausschuss überraschen?

Ich fürchte, mich nicht mehr viel. Die Öffentlichkeit könnte überraschen, dass innerhalb der Institutionen nicht alles so einheitlich war, wie man von außen annimmt. Weniger bekannte Zeugen könnten Licht in das Innenleben der Organisationen wie Finanzmarktaufsicht und Notenbank werfen.

Von den beteiligten Politikern erwarten Sie wenig Neues?

Ich nehme an, dass die das sagen werden, was sie bisher schon gesagt haben.

Wird es politische Konsequenzen geben?

Ich prognostiziere nichts. Aber wir haben jetzt schon den verheerenden Griss-Bericht und bald den Rechnungshofbericht, und man hat nicht den Eindruck, dass SPÖ und ÖVP grundsätzlich einsichtig sind. Man zieht sich darauf zurück, Blau/Orange in Kärnten als schuldig zu benennen. Dort sitzen nach der Diktion der ÖVP die Brandstifter. Mag sein, dass das stimmt, aber wir haben eine Reihe von Brandbeschleunigern in den Reihen von ÖVP und SPÖ.

Zuständig waren ÖVP-Finanzminister, die heute großteils nicht mehr in der Politik sind. Sehen Sie auch eine Beteiligung der SPÖ?

Doch, im Beiwagerl. Auch der frühere Finanzstaatssekretär Andreas Schieder muss gefragt werden, was er dort zu tun gehabt hat – und zwar generell, nicht nur in diesen seltsamen Verhandlungsnächten.

Der Kanzler sitzt am Steuer des Beiwagerls?

Ja, da hält er ein Luftlenkrad in der Hand, so wie andere Luftgitarre spielen. Beim Kanzler ist die Frage zu stellen, warum er sich ausschließlich vom Notenbankgouverneur und vom Finanzstaatssekretär beraten lässt.

Wird es langfristige Konsequenzen aus dem U-Ausschuss geben?

Ich erwarte mir sehr viel. Etwa, dass Finanzmarktaufsicht und Notenbank nochmals einen Schub an Effizienz und Zusammenarbeit bekommen. Die Dinge, die hier zutage kommen werden, sind ein Befund, wie introvertiert und eigenbrötlerisch gefuhrwerkt wurde. Wenn sich da etwas ändert, wäre das eine gute Nachricht, auch wenn es für den Normalbürger nicht so sensationell aussieht.

Sie haben immer für eine Insolvenz der Hypo plädiert. Halten Sie das auch jetzt noch für sinnvoll?

Ja, und da kann auch der Ausschuss sehr viel dazu beitragen. In der Betrachtung der Jahre 2003 bis 2007, speziell 2005 bis 2007 können Dinge ausfindig gemacht werden, die die damaligen Investoren in einem nicht mehr so schützenswerten Licht erscheinen lassen. Landeshaftungen hin und her, die ja schon aufgrund der Dimension für jeden Laien erkennbar Lufthaftungen gewesen sind. Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass man damals schon als Investor hätte wissen können, wie es mit der Bank in Wahrheit bergab geht, dann ist aus ethischen, ökonomischen und politischen Gründen die Möglichkeit gegeben, diese Investoren nicht zur Gänze auszubezahlen. Und nur das wird helfen, den zu erwartenden Zusatzschaden von zehn Milliarden Euro aufwärts einzudämmen. Das neue europäische Recht, das seit ein paar Monaten gilt, gibt das ja her. Und ich weiß, dass der Finanzminister auch schon in diese Richtung denkt.

Wie werden sich die neuen Regeln für Untersuchungsausschüsse auswirken?

Da bin ich ganz entspannt. Das wird ein brauchbarer Ausschuss. Es ändert sich einiges mit den Minderheitsrechten, aber insgesamt ist es ähnlich wie vorher, das wird gern übersehen. Viele Entscheidungen sind Mehrheitsentscheidungen und Entscheidungen der Präsidentin, das wird in einer Demokratie wohl auch so sein müssen.

Aber es wird kein Tribunal mehr geben?

Ich bestreite heftig, dass es jemals Tribunale gegeben hat. Das einzige Tribunal, das wirklich stattgefunden hat, war das von Rot und Schwarz gegen die Vorsitzende Gabriele Moser im Korruptions-U-Ausschuss. Ja, mag sein, dass der Kollege Petzner, indem er den Kollegen Pilz übertrumpfen wollte, zu übertriebenen Formulierungen gegriffen hat. Aber das war ein Schaden, den er sich selbst zugefügt hat, kein Tribunal gegen Personen. Ich halte das für eine Schutzbehauptung der Regierung.

Wie lange wird der U-Ausschuss dauern?

Mindestens ein Jahr. Ich vermute, dass die Minderheit dann noch um drei Monate verlängern wird, weil am Ende noch viele Fragen offen sein werden, die wir mit neuen Befragungen einzufangen versuchen werden. Ob es eine weitere Verlängerung gibt, wird davon abhängen, wie weit die Regierungsfraktionen bereit sind, die maximale Dauer von 18Monaten auszunützen. Gemessen am Arbeitsaufwand ist ein Jahr relativ knapp.

ZUR PERSON

Werner Kogler gehört zum grünen Urgestein, wenn es denn ein solches gibt. Der 53-jährige Volkswirt ist im Nationalratsklub eine der wichtigsten Stützen von Bundessprecherin Eva Glawischnig. Ab heute, Donnerstag, fungiert er als Fraktionsführer der Grünen im U-Ausschuss zum Hypo-Desaster. Daneben ist der Steirer Vorsitzender des Rechnungshofausschusses und Dreifachsprecher der Fraktion: Zuständig eben für den Rechnungshof, für Budget und Finanzen. Er hält auch einen bizarren Rekord: Knapp vor Weihnachten des Jahres 2010 meldete sich Kogler im Budgetausschuss des Nationalrats zu Wort und gab es erst nach zwölf Stunden und 42 Minuten ab – die längste Parlamentsrede.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2015)

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