Elsner will neuen Bawag-Prozess

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Ex-Bawag-General Helmut Elsner (79), wegen Untreue rechtskräftig zu zehn Jahren Haft verurteilt, hat bei Gericht einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens eingebracht.

Wien. Es war das spektakulärste Wirtschaftsstrafverfahren der vergangenen Jahrzehnte. Allein die Anzahl der Verhandlungstage, die von 16. Juli 2007 bis 4. Juli 2008 im Straflandesgericht Wien auf dem „Fahrplan“ standen, war rekordverdächtig: 117-mal war das Gericht unter Vorsitz der damaligen Richterin und späteren ÖVP-Justizministerin, Claudia Bandion-Ortner, zusammengekommen. Am Schluss wurde Helmut Elsner wegen Untreue im Zusammenhang mit Spekulationsgeschäften der Bank („Karibik-Geschäfte“) verurteilt. Beginnt all das wieder von vorn? Ebendies – nämlich die Wiederaufnahme des Verfahrens – hat der ehemalige Bawag-Generaldirektor, der mittlerweile im bayerischen Bad Reichenhall lebt, beantragt.

Dieser Antrag, 116 Seiten stark, versehen mit 64 Seiten Beilagen, wurde am Donnerstag dem Gericht übermittelt. Er liegt auch der „Presse“ vor. Darin attackiert Elsner die einstige Prozessleiterin als voreingenommen. Deren Rückkehr ins Straflandesgericht Wien steht übrigens, wie berichtet, Anfang April bevor. Elsner ist seit 2011 auf freiem Fuß, weil er nach viereinhalb Jahren hinter Gittern (hauptsächlich U-Haft) aus gesundheitlichen Gründen haftunfähig ist.

Auch der damalige Investmentbanker und Spekulant Wolfgang Flöttl – er war letztlich freigesprochen worden, Elsner hatte in zweiter Instanz die Höchststrafe, zehn Jahre Haft, erhalten – muss herbe Vorwürfe einstecken. In dem Wiederaufnahmeantrag legt Elsner dar, warum es im November und Dezember 2000 noch gar nicht zu dem von der Anklage angenommenen Totalverlust gekommen sei: Es hätten sich nämlich noch 221 Millionen US-Dollar auf Brokerkonten von Flöttl befunden.

Klar ist: Um eine rechtskräftige Verurteilung im Nachhinein per Antrag auf Wiederaufnahme zu kippen, müssen neue Entwicklungen eingetreten sein. Das Vorliegen von Verfahrensmängeln kann ein (erstinstanzlich) Verurteilter ohnedies durch Rechtsmittel (Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung) aufzeigen. Der Gesetzgeber sieht eine Wiederaufnahme etwa dann vor, wenn die Verurteilung „durch Urkundenfälschung oder durch falsche Beweisaussage, Bestechung oder eine sonstige Straftat einer dritten Person veranlasst“ wurde.

Angriff auf Bandion-Ortner

Ein rechtskräftig Verurteilter kann aber auch dann eine Wiederaufnahme verlangen, „wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen“.

Ob es im Fall Elsner (der mittlerweile im 80. Lebensjahr stehende Ex-Banker war einer von insgesamt neun Angeklagten) nun reicht, um die gesamte Materie zurück an den Start zu schicken, muss das Straflandesgericht Wien entscheiden. Klar ist, dass sich Elsner in seinem Papier voll auf seine damalige Richterin einschießt, wobei er auch deren nachfolgende Karriere als Ministerin ins Visier nimmt. So heißt es etwa auf Seite 13 in dem von Elsners Anwalt Andreas Stranzinger ausgearbeiteten Schriftsatz: „Der Einschreiter ist aus der nunmehrigen Ex-post-Betrachtung davon überzeugt, dass die damalige Richterin, Mag. Claudia Bandion-Ortner, den Bawag-Prozess nur deshalb so geleitet hat, weil ihr für die Verurteilung des Einschreiters ein Karrieresprung zur Justizministerin in Aussicht gestellt wurde.“ Weiter heißt es: „Zu diesem Zweck war es erforderlich, von Anbeginn die Verfahrensführung in eine bestimmte Richtung zu leiten und zahlreiche Verfahrenszwischenergebnisse nicht zu berücksichtigen oder – wie die Richterin zu sagen pflegte – diese vorerst einmal ,auszuklammern‘, um sie letztlich endgültig unberücksichtigt zu lassen.“

Die Tatsache, dass Bandion-Ortner schon als Justizministerin nominiert war, während sie noch am schriftlichen Urteil arbeitete, prangert Elsner als „Verschmelzung der judikativen und exekutiven Gewalt“ an.

Auch sei das Verschwinden der Bawag-Gelder – im Urteil wurde bei Elsner eine Schadenssumme von 1,4 Milliarden Euro angenommen – bis dato „unklar“. Diese Problematik hatte sich schon während des Prozesses hartnäckig gestellt: Kritiker hatten dem Gericht vorgeworfen, dem Verbleib der Gelder viel zu wenig nachgegangen zu sein. Als Antwort hieß es damals seitens der Justiz: Ein Gutachter habe ohnedies zumindest stichprobenartig nachgeschaut, wie einzelne Flöttl-Deals abgelaufen seien. Und im Übrigen sei ein Gericht beim Vorwurf der Untreue gar nicht dazu verpflichtet, die verspekulierten Gelder aufzuspüren.

Das Urteil

1,4 Milliarden Euro Schaden hat Helmut Elsner laut Urteil infolge der umstrittenen Spekulationsgeschäfte der Bawag verursacht. Elsner hat dies immer bestritten. Der OGH verurteilte ihn wegen Untreue zu zehn Jahren Haft. Bemerkenswert: Wolfgang Flöttl, also der Mann, der die Bankgelder von Elsner und Co. zur Verfügung gestellt bekam – und verlor –, wurde freigesprochen.

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