Hypo-Finanzloch: "Eine Bank bricht nicht in einem Jahr zusammen"

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Experten rätseln über das Milliarden-Loch bei der Hypo-Bad-Bank: Gutachter Fritz Kleiner und Werner Doralt orten "Bilanzbehübschung". Die Neos kündigen rechtliche Schritte an.

Der Finanzexperte Werner Doralt vermutet zum plötzlichen Auftauchens neuer Milliarden-Lücken bei der Hypo-Bad-Bank Heta, dass schon frühere Bilanzen falsch gewesen wären. Und der Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner meinte, ebenfalls am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal" des ORF-Radio, "eine Bilanz entwickelt sich ziemlich stetig und eine Bank bricht nicht in einem Jahr zusammen. So etwas gibt es nicht." Doralt meint: "Wenn jetzt eine Lücke von sieben Milliarden auf einmal auftaucht, dann ist es vollkommen klar, dass auch die früheren Bilanzen schon falsch waren." Und weiter: "Der Fehler liegt ja ganz offenkundig schon in der früheren Bilanz. Wenn man jetzt draufgekommen ist, dass ein neues Loch in der Höhe von sieben Milliarden bestanden hat, dann hat dieses Loch ja schon vor einem Jahr auch bestanden. Und dann stellt sich die Frage, warum man diesen Fehler damals nicht erkannt hat."

Kleiner: "Plötzlich war alles paletti"

Und auch Wirtschaftsprüfer Kleiner, der schon mehrere Gutachten zur Hypo-Bank erarbeitet hat, wunderte sich im Radio über die Hypo-Bilanzen der letzten Jahre: "Wir haben bis zur Bilanz neun und zehn deutliche Verluste und plötzlich elf und zwölf war alles paletti. Und in der Bilanz 13, also im Jahr 14, ist dann der große Aufschrei gekommen, wir können keine Bilanz mehr machen. Das fällt schon auf."

Theoretisch gebe es verschiedene Möglichkeiten, eine Bankenbilanz zu verschönern, so Kleiner: "In dem man zum Beispiel die schlechten Aktiva an eine konzerneigene Firma auslagert gegen einen Gewinn und damit die konzerneigene Firma zwar belastet, aber die in der Einzelbilanz nicht aufscheint. Das nennt man windowdressing, hübschen oder brushing."

Doralt: "In Wahrheit natürlich nicht legitim"

Ob derartige Maßnahmen erlaubt seien? Kleiner: "In Ordnung ist das jedenfalls nicht." So sieht das auch Doralt: "Naja, eine Bilanzbehübschung - wie es ja schon der Name sagt - ist in Wahrheit natürlich nicht legitim."

Eine Bilanzfälschung kann sich der Wirtschaftsprüfer und Vizepräsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Alfred Brogyanyi, allerdings nicht vorstellen. Er kenne zwar die Bilanz nicht, halte aber eine "Behübschung" nicht für wahrscheinlich, sagte Brogyanyi im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radio am Dienstag. Für Brogyanyi liegt die Erklärung beim neuen BaSAG-Gesetz (Bundesgesetz über die Sanierung und Abwicklung von Banken). Eine Neubewertung wurde notwendig: Während die Hypo früher als Bank bilanzierte, müsse die Heta nun als Abwicklungsgesellschaft bilanzieren, für die eigene Kriterien gelten. Die Größe des Loches in der Bilanz sei zwar "gewaltig", aber es werde schon seit mehreren Jahren von gewaltigen Beträgen gesprochen. Daher sei er nicht überrascht.

Die Neos kündigten unterdessen an, den "unglaublichen und unerklärlich hohen Abschreibungsbedarf" bei der Heta von einem Gericht untersuchen lassen. Eine Sachverhaltsdarstellung werde in Kürze eingebracht werden, so Finanzsprecher Rainer Hable am Dienstag bei einem Pressegespräch in Wien.

Neos: "Große Hypo-Lüge" enttarnt

Mit dem "großen Paukenschlag" am Wochenende sei die "große Hypo-Lüge" enttarnt worden. "Sehr viele Leute haben Erklärungsbedarf", meinte Hable, und verwies auf die Rolle der Bankprüfer, der Aufsichtsbehörden - die Finanzmarktaufsicht FMA und Nationalbank - sowie die Rolle der Politiker. Das heiße aber nicht, dass alle schuldig seien. Die Sachverhaltsdarstellung werde sich daher gegen Unbekannt richten.

Angesichts des unglaublich hohen neuen Abschreibungsbedarfes - fast die Hälfte der 18 Mrd. Euro, die in die Heta geflossen seien - stelle sich die Frage, ob die Bilanzen in der Vergangenheit nicht gefälscht worden seien.

Hable befürchtet aber, dass damit noch nicht der ganze Schaden am Tisch liegt. Die nunmehr bekannt gewordenen neuen Bilanzverluste würden nämlich nur die ehemalige Hypo-Konzernmutter betreffen. Weitere Verluste drohten noch aus dem Verkauf der Südosteuropa-Töchter an den US-Investor Advent, der Italien-Tochter und den potenziellen Gläubigerklagen. Eine Schätzung über die höhe dieser noch drohenden Verluste traue er sich nicht zu.

>>> Bericht im "Ö1"-Morgenjournal

(APA)

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