"Friss oder Stirb": Firmen sollen höhere Strompreise zahlen

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In Erwartung hoher Strafzahlungen heben Stromversorger vorsorglich den Preis für Firmenkunden an. Doch sie schießen wohl zu schnell – und weit über das Ziel hinaus.

Wien. Viele Unternehmen in Österreich erhalten seit einigen Wochen unangenehme Post. Absender sind die unterschiedlichsten Stromlieferanten des Landes, der Inhalt ist jedoch meist derselbe: Da seit 1. Jänner das Energieeffizienzgesetz gelte, müsse man für Firmenkunden – leider, leider – den Strompreis anheben. Sollten die Kunden mit den einseitigen Preiserhöhungen nicht einverstanden sein, drohe die Kündigung.

Wie berichtet, müssen Stromlieferanten seit heuer ihre Kunden überreden, jährlich 0,6 Prozent Strom einzusparen. Für jede nicht eingesparte Kilowattstunde drohen den Versorgern 20 Cent Ausgleichszahlung. In Summe könnten 300 Millionen Euro an Kosten auf die Energiehändler zukommen. Diese Kosten wollten viele Stromhändler nun offenbar im Voraus und in voller Höhe auf ihre gewerblichen Kunden überwälzen.

Doch „so einfach wird das nicht gehen“, sagt Wirtschaftsrechtsprofessor Heinz Krejci, der im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) ein Gutachten zur Causa erstellt hat. Die Versorger seien zwar berechtigt, zusätzliche Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Allerdings erst dann, wenn sie tatsächlich anfallen und sicherlich nicht in dieser Höhe. Das derzeit gängige Modell „Friss oder stirb“ sei in jedem Fall höchst fragwürdig.

„Frühzeitiges Einkassieren“

„Wir fordern die Versorger auf, auf den Boden des Rechts zurückzukehren“, sagte Stephan Schwarzer, Leiter der WKÖ-Umwelt- und Energiepolitik-Abteilung. Derzeit beobachte man „wilde Verrechnungen“: So veranschlagte etwa ein „großes österreichweit tätiges Stromunternehmen“ plötzlich einen „Effizienzzuschlag“ rückwirkend für 2014. Das, obwohl das Energieeffizienzgesetz im Vorjahr noch nicht einmal in Kraft war. Seit 1. Jänner 2015 gilt das Gesetz zwar. Erste Strafzahlungen seien jedoch frühestens im Februar 2016 zu erwarten. Jede Preiserhöhung, die schon heute damit begründet werde, sei daher ein „frühzeitiges Einkassieren von Energieeffizienzabgeltungen“ bei Unternehmen.

Haushaltskunden wurden von derartigen Preiserhöhungen bisher verschont. Die Regulierungsbehörde E-Control hat erste Versuche der Versorger in diese Richtung bereits frühzeitig abgewehrt. Nun müsse darauf geachtet werden, dass die Unternehmen nicht auch für die Kosten der Effizienzmaßnahmen im Haushaltsbereich zur Kasse gebeten werden, sagte Krejci. Wenn Haushalten Effizienzausgleichszahlungen nicht anzulasten seien, „darf man es sich nicht von den anderen Kunden holen, das wäre eine Benachteiligung der unternehmerischen Kunden“.

In den Augen der Wirtschaftskammer kommen die Effizienzzuschläge für die Unternehmen nicht nur zu früh, sondern auch in ungerechtfertigter Höhe. Derzeit bürden viele Stromversorger ihren Gewerbekunden eine durchschnittliche Preiserhöhung von rund zwei Prozent auf. Umgerechnet auf die Kilowattstunde sind das 0,12 Cent. Schwarzer rechnet damit, dass diese Kosten „ohne große Anstrengungen“ auf die Hälfte oder ein Drittel reduziert werden könnten.

Nämlich dann, wenn die Versorger tatsächlich im Sinn des Gesetzes handeln und – deutlich günstigere – Energie-Effizienzmaßnahmen einleiten würden. Letztlich dürften maximal „30 Millionen Euro“ an Kostenbelastung übrig bleiben, so seine Schätzung. Die Überwälzung fiktiver Kosten des Worst-Case-Szenarios sei – auch bei Neuverträgen – keinesfalls rechtens.

Keine Panik bei angedrohter Erhöhung

Unternehmen, die derzeit unter dem Deckmantel „Energieeffizienz“ Preiserhöhungen zugeschickt bekommen, sollten daher nicht in Panik verfallen. Ohne Preisanpassungsklauseln in den AGB sei das nicht einseitig möglich. Und selbst in den Fällen, in denen es derartige Klauseln bereits gibt, stünden die Chancen auf Erfolg vor Gericht nicht schlecht. „Da wird sich schon ein Rechtsanwalt finden, der eine Sammelklage macht“, sagte Heinz Krejci.

Die Stromwirtschaft weist die Kritik zurück. Die Versorger seien per Gesetz verpflichtet, Effizienzprojekte durchzuführen. Die Kosten dafür seien nun einmal Teil des Energiepreises, ließ der Branchenverband Oesterreichs Energie wissen. Dass man das Geld dafür schon im Vorfeld einsammle, habe nichts mit der Spekulation auf ein Körberlgeld zu tun, heißt es aus der Branche. Vielmehr seien etliche Kunden durchaus daran interessiert, voraussichtliche Kosten laufend in Rechnung gestellt zu bekommen, um Nachzahlungen zu vermeiden. (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2015)

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