2014: Das reformpolitische Minusjahr

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Deutschland, Österreich und die Schweiz verbuchten im Jahr 2014 kaum wirtschaftspolitische Reformerfolge.

Berlin. Der Ruf nach Reformen ist in Berlin besonders laut zu hören. Dabei richtet sich der Zeigefinger oft nicht nach innen, sondern nach außen auf die europäischen Partner. Der eigene Reformeifer hingegen ist in Deutschland nicht nur ins Stocken geraten, es ist sogar der Rückwärtsgang eingelegt worden. Das ist die ganz kurze und nicht ganz erfreuliche Zusammenfassung des wirtschaftspolitischen Jahres 2014 von Michael Hüther, dem Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und dem Schweizer Thinktank Avenir Suisse hat Hüther am Donnerstag in Berlin den jährlichen Reformbarometer vorgelegt, wobei die drei Länder in ihrer Reformdynamik (inkludiert sind etwa die Arbeitsmarkt-, Sozial- und Steuerpolitik sowie Bildung und Innovation) verglichen werden. Nun, in Österreich und der Schweiz sieht es auch nicht viel besser aus: Erstmals in den vergangenen zehn Jahren verzeichnen alle drei Länder ein Minus im Barometer. Wien liegt im Ranking – wie auch im Jahr zuvor – auf dem zweiten Platz vor Berlin und hinter Bern.

„Österreich befand sich 2014 im dritten Jahr im Tal der Tränen“, so Christoph Schneider, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik in der WKÖ – und 2015 geht es nahtlos in das vierte Tränenjahr: „Es gehen uns langsam die Taschentücher aus.“ Negativ auf den Reformbarometer hat sich demnach vor allem das Abgabenänderungsgesetz ausgewirkt – ein Potpourri an Steuererhöhungen, das den Standort Österreich, so Schneider, mit einer Milliarde Euro zusätzlich belastet, und hier insbesondere die Unternehmer. So wurde das Mindeststammkapital für die GmbH nicht gesenkt, die Versicherungssteuer angehoben und Einschränkungen der Gruppenbesteuerung eingeführt.

Dem „Belastungspaket“, wie Schneider sagt, stehen einzelne Reformen gegenüber, die sich leicht positiv auf das Gesamtbild ausgewirkt haben. Das Anti-Bürokratie-Paket im Bereich Arbeitsmarkt und Bildung habe Einsparungen in der Höhe von 40 Millionen Euro eingebracht; weitere Impulse wurden in den Feldern Wettbewerbs- und Innovationspolitik gesetzt. In der Bildungspolitik insgesamt sei die Lage „dramatisch und tragisch“, da im vergangenen Jahr keine verwertbaren Maßnahmen gesetzt wurden.
Österreich sticht im Dreiländervergleich übrigens in der Staatsausgabenquote heraus: Mit 50,9 Prozent ist hier die Zahl am höchsten, gefolgt von Deutschland (44,3 %) und der Schweiz (42,4 %).

Bund trägt Last allein

In Deutschland hat sich laut Hüther vor allem das neue Rentenpaket negativ auf die Bilanz ausgewirkt, wobei die Auswirkungen des heuer eingeführten Mindestlohns noch abzuwarten sind. Hüther geht davon aus, dass diese Maßnahme zu einer Rezession führen wird. Aber: „Es war wenigstens klug, den Mindestlohn in der Aufschwungphase einzuführen, weil die Anpassungen leichter verkraftet werden können.“ Die Rentenreform brachte unterdessen die „teure Mütterrente“, wie Hüther sagt, aber auch die Reform der staatlichen Unterstützung für Schüler und Studenten (BAföG) habe negative Auswirkungen. Künftig trägt der Bund die BAföG-Finanzierung allein, hat aber die Länder nicht verpflichtet, das Geld, das sie einsparen, den Universitäten zu geben.

Wie Deutschland haben auch die Eidgenossen im vergangenen Jahr eine Rentenreform auf Schiene gebracht, wobei allerdings das Pensionsalter nicht erhöht wurde, wie von Avenir Suisse kritisch angemerkt wird; stattdessen soll unter anderem die Umsatzsteuer erhöht werden, um das Paket zu finanzieren. Insgesamt war das Schweizer wirtschaftspolitische Jahr 2014 fast schon tumultartig, wenn man an die Volksinitiative „Gegen die Masseneinwanderung“ denkt, oder an die Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Nationalbank. Es herrscht ein hohes Maß an Unsicherheit, so die Bilanz.

Ende dieses Jahres wählen die Eidgenossen ein neues Parlament, alle reformwilligen Augen sind auf die neue Regierung gerichtet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2015)

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