Hypo: Wofür es noch kein Muster gibt

Der Bericht und seine Autorin
Der Bericht und seine AutorinAPA/HELMUT FOHRINGER
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Die unabhängige Untersuchungskommission zur Causa Hypo Alpe Adria war eine politische Premiere. Kommissionsleiterin Irmgard Griss blickt für die »Presse am Sonntag« zurück und erklärt, warum sie diesen Auftrag angenommen hat.

Die unabhängige Untersuchungskommission zur transparenten Aufklärung der Vorkommnisse rund um die Hypo Group Alpe Adria war in jeder Hinsicht eine Premiere: politisch wie persönlich. Zum ersten Mal hat die Bundesregierung eine unabhängige Untersuchungskommission in einer Angelegenheit eingesetzt, in der in Petitionen und Aufrufen ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss gefordert worden war. Und auch für mich persönlich war es Neuland; als Richterin hatte ich – in erster Instanz, und das lag schon mehr als zwei Jahrzehnte zurück – zwar Sachverhalte aufzuklären, doch dafür gab und gibt es ein genau geregeltes Verfahren.

»Was ist eine Bad Bank?«

In Sachen Hypo war nur der Auftrag mehr oder weniger klar: eine zusammenhängende Darstellung zu liefern, die erklärte oder jedenfalls zu erklären versuchte, wie und weshalb die gewaltigen Belastungen für das Budget entstanden waren oder noch zu entstehen drohten. Die Zusammensetzung der Untersuchungskommission, ihre Vorgangsweise, ihre Arbeitsweise, auch ihre Verantwortung waren völlig unbestimmt; Vorgaben der Bundesregierung oder irgendein Regelwerk gab es dafür nicht.

Die Situation erinnerte mich an meine Zeit als Rechtspraktikantin. Ich war damals, vor mehr als 40 Jahren, einem Richter im Bezirksgericht meiner Heimatstadt zugeteilt, der zum ersten Mal eine Enteignungsentschädigung festzusetzen hatte. Ein Muster dafür gab es nicht, und der Richter riet mir, nach Graz zu fahren, um vielleicht im dortigen Bezirksgericht ein Muster zu erhalten. Ich bin nicht gefahren, denn ich dachte mir, es müsste doch möglich sein, den Beschluss auch ohne Muster zu entwerfen.

Zahlen

23,7 Milliarden Euro betrug der Höchststand der Kärntner Landesgarantien für die Hypo Alpe Adria im Jahr 2007. Heute ist dieser Wert auf rund zehn Mrd. Euro geschrumpft. 1,6 Milliarden Euro bezahlten die Bayern im Jahr 2007 für die Hypo. Sie steckten noch weitere Milliarden in Form von Kapitalerhöhungen und Einlagen in das Institut. Einen Euro zahlte die Republik im Jahr 2009 bei der Verstaatlichung für die Hypo. 7,3 Milliarden Euro hat die Republik Österreich seither in die Hypo Alpe Adria investiert. Geld, das sie nie zurückbekommen wird. 20 Milliarden Euro könnte die Hypo die heimischen Steuerzahler am Ende gekostet haben. Wirklich wissen kann man das erst, wenn alle faulen Kredite abgebaut sind. Im Zuge des Zahlungsmoratoriums will Finanzminister Schelling nun auch die Hypo-Gläubiger zu einem Schuldenschnitt bewegen.

Ohne Muster ist man zwar stärker gefordert, aber auch freier. Und so konnte ich mir in der Hypo-Sache überlegen, wie viele und welche Mitglieder die Untersuchungskommission haben sollte, um Fachwissen und Ausgewogenheit zu garantieren, und ob und wie viele Assistenten wir brauchten. Gemeinsam haben wir dann überlegt, wie das Material beschafft und aufgearbeitet werden konnte, wie der Bericht gegliedert und veröffentlicht werden sollte.

Erwartungen waren gering

Das war natürlich kein Nachdenkprozess, der schnurstracks zu einem Ergebnis geführt hätte; es war ein Hin und Her, ein Für und Wider, ein Schritt vor und zwei Schritte zurück. Das gilt vor allem auch für die Überzeugung, oder besser Hoffnung, den Auftrag erfüllen zu können. Zwar waren die Erwartungen der öffentlichen (besser: veröffentlichten) Meinung denkbar gering und konnten eigentlich nur übertroffen werden; aber es gab ja die Verpflichtung der Bundesregierung gegenüber, deren Erfüllung mir in der ersten Zeit in schwachen Momenten völlig unrealistisch erschien.

Doch das Glück war auf meiner und, als die Untersuchungskommission gebildet war, auf unserer Seite. Zwar war nicht immer von Anfang an klar, dass etwas ein Glück und doch kein Unglück war, doch letztlich hat sich alles gut gefügt. So habe ich zuerst versucht, österreichische Fachleute als Mitglieder der Untersuchungskommission zu gewinnen. Ich habe nach einigen Versuchen aufgegeben. Denn entweder waren Experten bereits in der Hypo-Sache tätig gewesen oder wollten aufgrund ihrer Erfahrungen in der Politik nie wieder etwas mit einer derart „politiknahen“ Geschichte zu tun haben.

Experten aus dem Ausland

Geworden ist es eine Untersuchungskommission aus zwei deutschen und zwei Schweizer Experten der Bereiche, auf die es ankam: Bankwirtschaft, Bankpraxis, Bankprüfung und Wirtschaftsrecht. Keiner von ihnen hatte in irgendeiner Weise auf österreichische Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen, allen ging es von Anfang an darum, der Sache auf den Grund zu gehen. Zu Beginn war eine gewisse Skepsis auch mir gegenüber zu spüren. Denn so ganz konnten auch sie sich nicht vorstellen, dass auch mein Blick nicht durch irgendwelche Rücksichten getrübt sein würde.

Wir haben schließlich – und das war ein weiteres ganz großes Glück – zwei Assistenten, eine junge Richterin und einen Universitätsassistenten, für die Arbeit in der Untersuchungskommission gewinnen können. Ihre herausragende Kompetenz und Einsatzbereitschaft gab den Mitgliedern der Untersuchungskommission die Sicherheit, dass seriös und auf hohem Niveau gearbeitet wird.

Aufregung um das Amtsgeheimnis

Es gab natürlich auch Aufregungen. Die Aufregung um ein – angeblich – befangenes Kommissionsmitglied und die Aufregung um das Amtsgeheimnis. Beide haben zu Meldungen und Kommentaren geführt, die die Erwartungen an den Bericht noch weiter herunterschraubten. So hat das Amtsgeheimnis viele fürchten lassen, die Untersuchungskommission würde entweder gar nichts erfahren oder jedenfalls nichts davon öffentlich machen können.

Mir war von Anfang an klar, dass wir einen Weg finden würden, und wir haben ihn gefunden. Die Untersuchungskommission hat sich in den Vereinbarungen mit den verschiedenen Institutionen verpflichtet, das Amtsgeheimnis zu wahren. Dadurch konnten uns Unterlagen ungeschwärzt zur Verfügung gestellt werden. Es war dann unsere Sache zu beurteilen, ob es sich wirklich um geheime Tatsachen handelte, und ob ihre Geheimhaltung im wirtschaftlichen Interesse des Bundes oder einer anderen Gebietskörperschaft geboten war. Letztlich konnten wir alle Tatsachen veröffentlichen, die für den Bericht wesentlich waren.

Beim Verfassen des Berichts ist mir ein weiteres großes Glück bewusst geworden. Alle Mitglieder der Kommission und unsere beiden Assistenten strebten einen gut verständlichen Bericht an, einen Bericht, der sich gut liest und den jeder verstehen kann. Jeder hat sich hier eingebracht. Wenn nun insgesamt sieben Leute sich darum bemühen, dass etwas verständlich ausgedrückt wird, dann vergrößert sich die Chance, dass es auch wirklich gelingt. Mich freut es immer ganz besonders, wenn jemand sagt, er habe den Bericht gelesen und auch verstanden.

Ich werde immer wieder gefragt, warum ich das – noch dazu ehrenamtlich – gemacht habe. Den Auftrag habe ich angenommen, weil ich überzeugt war und bin, dass künftige Fehlentwicklungen nur verhindert werden können, wenn wir durch seriöse Aufklärung aus der Vergangenheit lernen. Und letztlich ist es ja auch eine spannende Herausforderung, etwas zu machen, wofür es noch kein Muster gibt.

Zur Autorin

Irmgard Griss wurde im März 2014 vom damaligen Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) beauftragt, die Leitung der unabhängigen Untersuchungskommission zur Causa Hypo Alpe Adria zu übernehmen. Im Dezember 2014 legte die Kommission ihren Bericht vor. 2007 wurde Griss zur Präsidentin des Obersten Gerichtshofes ernannt. Diese Funktion übte sie bis zur Pensionierung 2011 aus.

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