Nur keine Wellen in Washington

Austrian National Bank Governor Nowotny listens during a news conference in Vienna
Austrian National Bank Governor Nowotny listens during a news conference in ViennaREUTERS
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Mag auch die Weltwirtschaft Not leiden: Österreich duckt sich bei den Tagungen von IWF und Weltbank weg und präsentiert auch hausgemachte Bankprobleme in positivem Licht.

Seit September 2008 ist Ewald Nowotny Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank. Er hat als solcher nicht nur die genau damals platzende Weltfinanzkrise, sondern auch fünf schwarze Finanzminister überlebt. Die gemeinsamen Washingtoner Presseauftritte bei den Tagungen von Internationalem Währungsfonds und Weltbank könnte Nowotny somit wohl im Schlaf absolvieren.

Es beginnt mit einem kleinen Grundsatzreferat über die Lage der Weltwirtschaft, setzt sich mit der bedauernden Rekapitulation der ungelöst schwelenden Malaise der Währungsunion fort und schließt mit beruhigenden Worte darüber, dass Österreichs Banken in Mittel- und Osteuropa trotz aller politischen Verwerfungen keine unliebsamen Überraschungen drohen. Österreich, auch in finanzieller und fiskalischer Hinsicht, eine Insel seliger Windstille.

So war es auch am Freitag. Den beiden einstigen globalen Wachstumslokomotiven Brasilien und Russland drohten heuer Rezessionen, referierte Nowotny den aktuellen Weltwirtschaftsausblick des IWF. China lege eine geplante Wachstumsverlangsamung hin. Die Liquiditätshilfen an Griechenlands Banken von der Europäischen Zentralbank, deren Rat Nowotny angehört, seien kein Ersatz für ein politisches Programm zur Stabilisierung des Staatshaushaltes.

Heta unterhalb des Radarschirms. Österreich hingegen befinde sich in ruhigeren Gewässern. Der Umstand, dass der bankaufsichtsrechtliche Totalschaden Hypo Alpe Adria im Rahmen der Bad Bank Heta nun endlich zur Abwicklung komme, werde vom IWF „im Rahmen der Finanzstabilität positiv gesehen“, sagt Nowotny. Die Hypo-Tragödie an sich sei im Zusammenhang mit dem internationalen Investorenverhalten kein Thema. Das sei unterhalb des Radarschirms. Sehr wohl werde er bei seinen Gesprächen in Washington auf die starke Ausgesetztheit der österreichischen Banken in Mittel- und Osteuropa angesprochen. Für diesen Fall jedoch hat der Gouverneur eine beruhigende Statistik zur Hand, die ihn auch gegen journalistische Fragen wappnet: Österreichs Banken seien in erster Linie in Tschechien, Rumänien und der Slowakei investiert. Das seien (mit Ausnahme Rumäniens) grundsolide Volkswirtschaften.

Auf diese Ausführungen folgt das Referat des Finanzministers, und das war, seit Nowotny der OeNB vorsteht, zumeist eine ernüchternde Angelegenheit. Josef Pröll ließ sich zumeist durch seine Staatssekretäre vertreten. Maria Fekter wirkte fachlich nicht immer so sattelfest, wie man sich das erwarten würde. Wilhelm Molterer war keine zwei Jahre im Amt und hatte da vor allem mit seinem Koalitionsgegner von der SPÖ zu ringen. Michael Spindelegger war schon nach neun Monaten als Finanzminister Geschichte.

Das Zusammenspiel aus kurzen Amtszeiten, mangelnder Erfahrung im Auftreten auf dem Parkett der internationalen Hochfinanz und der Ablenkung durch koalitionspolitische Nebengeräusche hatte negative Auswirkungen auf die österreichische Standortpolitik. Der Währungsfonds ist zwar im Lauf der Jahre für seine in manchen Fällen kontraproduktiven politischen Reformvorschreibungen kritisiert worden. Auch im Umgang mit der griechischen Haushaltskrise haben sich die Vertreter des Fonds nicht mit Ruhm bekleckert; das hat der Fonds im Mai 2013 selbst zugegeben.

Aber nüchtern betrachtet sind die Diagnosen, welche der IWF jährlich im Rahmen sogenannter Artikel-IV-Konsultationen bezüglich Österreich erstellt, punktgenau: zu hohe öffentliche Lasten auf Arbeit, zu niedriges Pensionsantrittsalter, schwindende Arbeitsproduktivität. Diese Berichte könnte eine reformwillige Bundesregierung als Argumentationshilfe einsetzen, wenn sie ihren Lippenbekenntnissen von der Wohlstandssicherung die dafür erforderlichen Änderungen folgen lassen wollte. Das geschah jedoch nie, die IWF-Berichte wurden schubladisiert.

Nun sitzt in Washington allerdings schon zum zweiten Mal Hans Jörg Schelling als Finanzminister an der Seite Nowotnys. Ihm merkt man nicht nur an, dass er als ehemaliger Unternehmer keine Scheu vor Bankbilanzen hat. Ihm ist auch die Ungeduld angesichts des Reformstaus anzusehen. Die Empfehlungen des Währungsfonds an Österreich würden nun von einer Arbeitsgruppe aufgegriffen, sagte er am Freitag. „Wie geht es weiter mit den Reformen? Hier ist es sicher überfällig, dass wir das machen.“ Schelling war zugleich erfreut darüber, dass die Steuerreform vom Fonds „besonders positiv aufgenommen“ worden sei, vor allem die Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 auf 25 Prozent.

Attacke auf Varoufakis. Wenig Geduld hat Schelling auch mit seinem griechischen Amtskollegen, Yanis Varoufakis. Dieser erklärte am Donnerstag bei einer Diskussionsveranstaltung der Denkfabrik Brookings, dass Griechenland zuerst enorme Schulden auf dem Wege einer Art von Pyramidenspiel aufgenommen habe und nun mit Sparvorgaben gequält werde, die gleichfalls so ein „Ponzi scheme“ seien.

Ist so ein Mann in der Euro-Gruppe noch paktfähig? Schelling musste vor seiner Antwort kurz durchatmen. „Meine subjektive Beobachtung ist: Fast alles, was in der Euro-Gruppe vereinbart wurde, ist nicht mit Varoufakis vereinbart worden.“ Er habe offenkundig kein politisches Pouvoir, um in Brüssel für die Athener Regierung Verpflichtungen einzugehen. „Und dann tritt um fünf vor zwölf der Ministerpräsident selbst in die Pedale. Ganz ehrlich: Ich möchte als Finanzminister so nicht arbeiten müssen.“

Das in wachsenden Teilen der Öffentlichkeit sich verfestigende Bild von Varoufakis als intellektuellem Finanzhaudegen, der der engstirnigen Euro-Gruppe die wahren Zusammenhänge der Geldwirtschaft erklärt, bekommt auch anhand einer zweiten Beobachtung Schellings Risse. „Das hat es in der Euro-Gruppe noch nie gegeben, dass es keine schriftlichen Unterlagen gibt. Wenn man dann um die Papiere bittet, kommt nichts.“ Varoufakis bestreitet das freilich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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