Analyse: Nebelwerfer in Aktion

(c) AP (Darryl Dyck)
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In Sachen Osteuropa-Krise wird hierzulande ziemlich seltsam argumentiert. In jüngster Zeit wird auch hartnäckig behauptet, Österreich sei in der Region mit „nur“ 200 Mrd. Euro engagiert.

wien.Osteuropa und die Wirtschaftskrise – das ist in letzter Zeit eine Garantie für hypernervöse Wortmeldungen. Zuletzt zur Wortspende des amerikanischen Nobelpreisträgers Paul Krugman, der ein wenig überspitzt vor den Auswirkungen des großen österreichischen Bankenengagements in der Region gewarnt hatte.

Und dem unter anderem damit gekontert wurde, den österreichischen Banken könne im Osten gar nichts passieren, weil ihr gewaltiges Kreditvolumen zu 85 Prozent durch lokale Einlagen „gedeckt“ sei. Das müsse man dem zweifellos großen Kreditengagement „gegenrechnen“.

Wie darf man sich das vorstellen? Sagt der Bankberater der ukrainischen Raiffeisen-Tochter dann dem Herrn Janukowitsch, man könne sein Sparguthaben leider nicht auszahlen, weil man das einem geplatzten Kredit der Firma XY „gegengerechnet“ habe?

Natürlich nicht. Derartige Aussagen sind ökonomisch gesehen also haarsträubender Unsinn – und gefährlich, weil sie die ohnehin schon lädierte Glaubwürdigkeit von Stellungnahmen zur Lage in Osteuropa weiter untergraben.

Die Ausleihungen österreichischer Banken (bzw. deren Osttöchter) in Osteuropa haben mit 300 Mrd. Euro (das entspricht annähernd der gesamten Wirtschaftsleistung Österreichs in einem Jahr) ein gewaltiges Volumen erreicht. Diesen Krediten stehen in diesen Ländern tatsächlich lokale Einlagen in Höhe von 85 Prozent der ausstehenden Summe gegenüber. Das ist gut für die Banken, denn Einlagen sind nun einmal die beste (und derzeit wohl auch billigste) Form der Refinanzierung.

Aber gegenzurechnen gibt es da gar nichts: Einlagen sind nämlich Verbindlichkeiten, also Schulden der Banken gegenüber ihren Kunden. Geht es der Bank schlecht, dann greift nicht sie auf diese Einlagen zurück – sondern die Kunden. Das nennt man dann „Bank-Run“ und das bringt jedes Geldinstitut um. Übrigens: Die österreichische Bank mit der besten Einlagenstruktur war lange Zeit die Bawag. Das hat sie nach den schiefgegangenen Flöttl/Elsner-Spekulationsgeschäften freilich nicht vor der Beinahepleite gerettet. So viel zum „Gegenrechnen“.

Die Vernebelungstechnik beschränkt sich aber nicht nur aufs „Gegenrechnen“. In jüngster Zeit wird auch hartnäckig behauptet, Österreich sei in der Region mit „nur“ 200 Mrd. Euro engagiert, weil Bank Austria, Hypo Alpe Adria und Bawag als „ausländische“ Banken nicht mitgezählt werden dürfen. Das ist eine etwas eigenartige Sichtweise: Alle drei „Auslandsbanken“ werden mit hohen Beträgen aus österreichischen Steuermitteln rekapitalisiert. Und allen dreien wird im (derzeit nicht wahrscheinlichen) Ernstfall einer wirtschaftlichen Implosion der Reformstaaten selbstverständlich der österreichische Steuerzahler zur Seite springen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2009)

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