Arbeit nach der Arbeit: Gründen im Nebenjob

Peter Kröpfl
Peter KröpflDie Presse
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Ein Start-up zu führen ist anstrengend. Nicht selten schrammen Unternehmer an der Grenze des Burn-outs vorbei. Wird das eigene Start-up noch dazu nebenberuflich betrieben, birgt das allerhand Herausforderungen.

Am Abend, in der Nacht, in meiner Freizeit. Da passiert mein zweiter Job“, sagt Peter Kröpfl. Seit 2012 widmet sich der 33-Jährige in seinen freien Stunden Teamteam, einer Webapplikation zur Terminkoordination von Gruppen. Hauptberuflich arbeitet Kröpfl im Vertrieb eines österreichischen Softwareherstellers. Wie viel Zeit er im Endeffekt wöchentlich in sein Unternehmen investiert, will er nicht genau wissen. „Warum ich mir das antue? Es macht mir irrsinnig Spaß. Ich sehe mein Unternehmen als kleine Pflanze, die ich hege und pflege“, erklärt der Wirtschaftsinformatiker.

Dabei habe sich Teamteam nur allmählich von einem Hobby zu einem Zweitberuf entwickelt. Kröpfls Bruder war 2011 an ihn herangetreten: Er war auf der Suche nach einem praktikablen Programm für die Terminkoordination seines Volleyball-Vereins. Zur gleichen Zeit war Kröpfls damaliger Arbeitgeber in Schieflage geraten. Kröpfl hatte daher deutlich mehr Zeit zur Verfügung und beschloss, das Tool selbst zu entwickeln: „Irgendwie hat eines zum anderen geführt. Mit der Zeit wurde Teamteam immer professioneller und wuchs mir ans Herz.“ Nach einem Jahr machte sich Kröpfl selbstständig. Derzeit hat die Plattform mehrere tausend registrierte Nutzer. Den Zuspruch und das Feedback seiner Kunden sieht Kröpfl als Motivation, weiter an seinem Produkt zu feilen. Wie viel Umsatz er mit Teamteam letztlich mache, spiele für ihn nur eine untergeordnete Rolle – vorausgesetzt, die Bilanz sei positiv. „Natürlich ist ein finanzieller Mehrwert gegeben. Es ist ein nettes Zubrot. Der größte Mehrwert ist für mich aber die inhaltliche Komponente: mein Unternehmen zu formen und ihm beim Wachsen zuzusehen“, sagt Kröpfl.

Ähnlich sieht das Walter Gries von 4myhealth, das eine Kommunikations- und Verwaltungssoftware für Arztpraxen entwickelt hat. Den Gewinn des Unternehmens messe er derzeit nicht auf finanzieller Ebene, erklärt der 46-Jährige: „Es ist definitiv noch nicht so weit, um davon zu leben. Das, was wir hier investieren, machen wir, weil wir mit Herzblut dabei sind und an die Sache glauben.“ Denn ebenso wie seine Mitgründer, Helmut Ritter und Walter Hoffmann, beide selbstständig, geht Gries einem anderen Brotberuf nach.

Seit 16 Jahren arbeitet er im Vertrieb eines internationalen Unternehmens. 4myhealth widme sich das Team „in jeder freien Minute“. Dabei bringe jeder spezielle Kenntnisse aus seinem Hauptberuf ein. Gries etwa regelt Verkauf und Marketing des Jungunternehmens. Zweimal pro Woche gebe es zudem fixe Meetings, einmal monatlich einen Innovationsaustausch mit einem Mitarbeiter.

Aus der Nebentätigkeit ergibt sich für Gries jedoch ein klarer Vorteil: 4myhealth werde durch die drei Haupteinkommen der Gründer finanziert. Daher sei es derzeit ausgeschlossen, das Unternehmen hauptberuflich zu betreiben. Das Ziel sei es aber definitiv, einmal hundertprozentig für 4myhealth zu arbeiten, sagt Gries.


Der Chef als Kunde. Einen völlig anderen Weg schlug Blossom ein, erzählt Geschäftsführer Thomas Schranz. Das Start-up bietet Projektmanagementtools für Softwarentwickler an. Gemeinsam mit zwei Bekannten arbeitete er als Entwickler in einer Marketingagentur. Da den drei Kollegen das hauseigene Projektmanagementtool nicht gefiel, begannen sie in ihrer Freizeit, ein eigenes System zu entwickeln. Die Agentur sei daher zugleich auch ihr erster Kunde gewesen, sagt Schranz. Dadurch hätten sie das Produkt zunächst in kleinem Rahmen testen können: „Wir mussten Blossom nicht gleich von Anfang an Vollzeit betreiben und hoffen, dass es jemanden interessiert. Dadurch haben wir ein wenig Risiko reduzieren können.“

Das Konzept ist aufgegangen: Heute bedient Blossom 450 Unternehmen, darunter auch namhafte Firmen wie Facebook, Twitter oder Apple. Die Hälfte der Kunden stammt aus San Francisco und dem Silicon Valley in Kalifornien. Selbstverständlich ist der Erfolg für Schranz jedoch nicht. Denn es sei keinesfalls einfach, ein Start-up nebenbei zu gründen. Irgendwann müsse man sich entscheiden, mehr Zeit aufzuwenden und ein gewisses Risiko einzugehen, meint der 29-Jährige. „Es ist schwierig, diesen nächsten Schritt zu gehen, wenn es keinen Anstoß gibt, der dich aus dem System, in dem du dich gerade befindest, herauszieht“, erklärt er. „Zusätzlich bekommt man von seinem Arbeitgeber Geld. Daher hat er praktisch immer Vorrang.“

Entscheidung abgenommen. Blossom selbst wurde die Entscheidung zur Unternehmensgründung mehr oder weniger abgenommen. Bevor die drei jungen Männer eine Vereinbarung mit ihrem Vorgesetzten treffen konnten, kündigte er an, ihre Stunden reduzieren zu müssen. Innerhalb weniger Wochen entschied sich das Team, Blossom zu gründen – und sich dem Start-up komplett zu verschreiben. „Das Timing war ein toller Zufall. Wenn das nicht passierte wäre, hätten wir keine Firma. Das darf man nicht unterschätzen“, erinnert sich Schranz.

Peter Kröpfl hingegen ist zwar überzeugt, dass Teamteam als Vollzeitunternehmen schneller wachsen könnte, seinen Hauptberuf will er aber nicht aufgeben – besonders, da er vor kurzem Vater geworden ist. Daher schenke er Teamteam derzeit auch weniger Aufmerksamkeit als noch vor einem halben Jahr. „Natürlich spiele ich mit dem Gedanken, Teamteam hauptberuflich zu betreiben. Es hat nur für mich momentan keinerlei Priorität. Es ist noch nicht groß genug, um für mich in einem Vollzeitbetrieb einen Mehrwert zu ergeben“, sagt er.

Dafür nimmt Kröpfl auch alle Probleme in Kauf, die eine nebenberufliche Selbstständigkeit mit sich bringt: „Für mich ist es schwierig, eine Balance zu finden; die Selbstdisziplin aufzubringen, auch einmal abzuschalten und mich anderen Dingen zu widmen.“ Denn einerseits mache ihm die Arbeit für Teamteam Spaß, andererseits wolle er seinen Brotberuf nicht beeinträchtigen – schon aus Fairness gegenüber seinem Arbeitgeber. Um all die familiären und beruflichen Verpflichtungen zu vereinbaren, erzählt Kröpfl, habe er daher begonnen, härter zu priorisieren. Öfter als früher überlege er, ob gewisse Schritte für die Entwicklung von Teamteam wirklich notwendig seien. Zusätzlich habe er im Lauf der Zeit gelernt, sich und seine freien Mitarbeiter effizient zu organisieren. „Die Frage ist, wie ich diese Leute koordiniere, ohne den ganzen Tag in Meetings verbringen zu müssen“, sagt Kröpfl. Er erledigt alles am Abend in ein paar Stunden.

Letztlich sieht er die Vereinbarkeit seiner Berufe sehr gelassen: „Ich denke, man findet seinen eigenen Ausgleich. Wenn es mir zu viel wird, kann ich auch einfach weniger machen. Wirklich eingreifen muss ich nur im Notfall.“ Denn der Vorteil an Internetfirmen wie Teamteam sei, dass sie zeitweise auch allein funktionieren würden. Hätte er ein Kaffeehaus betreiben wollen, sagt Kröpfl, wären damit mehr Schwierigkeiten verbunden gewesen.

Eine Frage der Organisation. Zeitmanagement spielt auch für Walter Gries eine Rolle – 60 bis 70 Stunden pro Woche arbeite er im Schnitt. „Eine große Herausforderung ist es, Zeit freizuschaufeln, die nicht nach 18 Uhr, an einem Wochenende oder einem Feiertag passiert. Deswegen versuchen wir uns so zu koordinieren, dass jeder seinen Hauptaufgabenbereich hat und wir nicht aufeinander angewiesen sind“, erklärt er.

Schwierig sei auch, die eigene Aufmerksamkeit binnen kurzer Zeit von einem Beruf auf den anderen zu fokussieren. Denn dass sich seine Tätigkeit bei 4mhealth negativ auf seinen Hauptberuf auswirke, wolle er nicht. Daher habe er seinen Vorgesetzten auch gleich über sein Projekt informiert. Trotz aller Herausforderungen – den Antrieb verliere er nie. „Das positive Feedback unserer Kunden und unsere Motivation, etwas zu bewegen, bauen uns immer wieder auf. Wenn es einmal zu viel wird, motivieren wir uns als Team gegenseitig.“

Nebenbei

Teamteam ist eine App, mit der Vereine besser verwaltet werden können. www.teamteam.at

Blossom: Das Projektmanagement-Tool für Softwareentwickler ist international erfolgreich und hat Kunden wie Facebook, Apple und Twitter. www.blossom.at

4myhealth ist eine Kommunikations- und Verwaltungssoftware für Arztpraxen. www.4myhealth.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2015)

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