Künstliche Grenzen des Wachstums

(c) SES Spar European Shopping Cente (SES Spar European Shopping Center
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Mit einer höchst umstrittenen Entscheidung hat das Land Salzburg dem Ausbau von Shoppingcentern, darunter Europark in Salzburg, verboten. Zum Schutz des Handels in den Ortskernen. Aber bringen solche Reglementierungen etwas?

Vor knapp zwei Wochen ging ein Raunen durch die sonst recht beschauliche Welt des österreichischen Handels. Die Salzburger Landesregierung hatte der zum Spar-Imperium gehörenden SES-Gruppe den Ausbau eines Einkaufszentrums verboten: Der in einem Außenbezirk der Stadt Salzburg angesiedelte Europark wollte seine bestehende Verkaufsfläche von 35.000 m um weitere 11.000 erweitern. Siegesgewiss hatte Spar den Ausbau bereits breitflächig beworben und auf der Europark-Homepage angekündigt. Die Genehmigung hielt man für eine Formalität.

Fünf weitere Neu- und Ausbauprojekte erhielten von der schwarz-grün-gelben Landesregierung eine Abfuhr, darunter das McArthurGlen Designer Outletcenter in der Nähe des Salzburger Flughafens, das eine Erweiterung um 14.000 m vornehmen wollte. Auch Neubauten wurden verhindert, darunter die Filiale einer Möbelkette mit 13.000 m und ein neues Fachmarktzentrum in Oberalm (Hallein).

Der Grund für diese Aktion: „Die Ortskerne wurden mit zu vielen Projekten auf der grünen Wiese förmlich ausgehöhlt“, sagt die Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreterin, Astrid Rössler (Grüne), zur „Presse am Sonntag“. Im Land Salzburg sei die Dichte der Verkaufsflächen mit zwei Quadratmetern pro Einwohner besonders hoch. Deshalb sei es nun höchste Zeit, diesem Wildwuchs Einhalt zu gebieten. Nachdem die Entscheidung publik wurde, hagelte es Proteste. Es bildeten sich ungewöhnliche Allianzen. So bliesen etwa die Shoppingcenterbetreiber ins gleiche Horn wie die Salzburger Arbeiterkammer, die über den „grünen Raumordnungswahn“ wetterte, und die Gewerkschaft, die von einem „schwarzen Tag für Arbeitslose und den Wirtschaftsstandort Salzburg“ und einem „Armutszeugnis für die Landesregierung“ sprach. Spar hatte angekündigt, mit dem Ausbau des Europarks 1100 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Diese würden aber auf Kosten der immer mehr verödenden Ortskerne geschaffen, konterte die Landesregierung. Und je mehr bestehende Center aufgeblasen würden, desto stärker ihre Sogwirkung, desto weniger könne der Rest der Händler mithalten.


Widersprüchliche Gutachten. Marcus Wild, Chef der SES-Gruppe, sieht den Europark als Bauernopfer der Salzburger Landespolitik, die unter den gestoppten Projekten ein paar klingende Namen gebraucht habe. „Alle von der Landesregierung zum Europark in Auftrag gegebenen Gutachten haben diesen als unbedenklich eingestuft, und zwar sowohl, was die Auswirkung auf den Handel im gesamten Bundesland, als auch, was Lärm-, Umwelt- und Verkehrsbelastung betrifft“, sagt Wild.

Die von der Landesregierung letztlich ins Treffen geführte Einkaufscenter-Studie von Cima sei vermutlich nicht stichhaltig, genau könne man das nicht sagen, da die gesamte Studie bisher nicht veröffentlicht wurde. Cima selbst räumte ein, dass die Europark-Erweiterung gar kein Gegenstand der Studie gewesen sei und es sich dabei um die Überarbeitung einer zehn Jahre alten Erhebung gehandelt habe. Diese belege aber den Kaufkraftabfluss von den Ortskernen in die Peripherie.

Wild betont die ökologischen Aspekte des Europarks. Dieser sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln so gut erreichbar wie kaum ein anderes Einkaufszentrum. Außerdem erfülle es für die am Stadtrand gelegenen Salzburger Bezirke Taxham und Liefering eine wichtige Nahversorgerfunktion.

Nahversorger ist das Stichwort. Denn Einkaufs- und Fachmarktzentren decken immer mehr auch diesen Bedarf ab. Ein Blick auf die Shopstruktur im Europark zeigt: Da finden sich, zwischen den typischen Modeketten-Flagschiffen auch eine Trafik, ein Postamt, eine Apotheke, eine Bank und mit einem großen Interspar auch ein Supermarkt inklusive Bäcker – alles klassische Nahversorger. Mit dem Oval hat das Einkaufszentrum sogar ein eigenes Kunst- und Kulturzentrum mit Platz für 230 Personen, in dem Theater-, Kabarettproduktionen und Filme gezeigt werden.

Damit konkurriert der Europark weniger mit der Salzburger Innenstadt (Salzburgs roter Bürgermeister, Heinz Schaden, kritisierte die Entscheidung des Landes entsprechend heftig), sondern macht – so argumentiert das Land– vor allem den Umlandgemeinden ihre letzten Handelsbastionen streitig. „Ich brauche in den Ortskernen eine Mindestfrequenz von Menschen, damit sie für den Handel attraktiv sind. Ich brauche Amtswege. Gibt es ein Ärztezentrum, dann zahlt sich auch eine Apotheke aus. Dann hat auch ein Bäcker Sinn und ein Blumengeschäft“, sagt Rössler. „Wenn ich aber immer mehr Teile aus dem Ort auslagere, bleibt zum Schluss nichts mehr übrig“.


Mehr Fläche wegen Onlinehandel. Warum aber braucht ein gut gehendes Shoppingcenter wie der Europark, der laut SES nach Umsatz pro Quadratmeter das erfolgreichste Shoppingcenter Österreichs ist, eigentlich unbedingt noch mehr Fläche?

„Das hat einen einfachen Grund“, sagt Wild. „Der Onlinehandel zwingt die Filialisten, ihre Geschäfte zu vergrößern. Wenn ein Kunde ins Geschäft kommt und nach einem bestimmten Produkt fragt, dann kann der Händler nicht mehr antworten: ,Das haben wir im Lager, wir besorgen es Ihnen in zwei Stunden.‘ Das muss im Geschäft sofort verfügbar sein. Deshalb wollten wir 7700 m bestehende Lagerflächen in Geschäftsflächen umwandeln, damit kommen wir den Wünschen unserer Pächter nach.“ Dazu wäre dann ein Zubau über einer Parkgarage gekommen, der die eigentliche Ausweitung der Mall-Fläche darstelle.


Feindbild Fachmarktzentrum. Den wahren Feind des Handels in den Ortskernen sieht Wild natürlich nicht in den Shoppingcentern. Sondern bei deren nahen Verwandten. Die Wurzel des Übels liege beim unreglementierten Wildwuchs von Fachmarktzentren am Rand von Gemeinden.

Der wesentliche Unterschied des Fachmarktzentrums zum Einkaufszentrum ist, dass sich die verschiedenen Geschäfte nicht unter einem Dach befinden, sondern in unterschiedlichen Gebäuden. In beiden Fällen gibt es aber ein zentrales Management. Die Mieten sind in Fachmarktzentren für die Händler meist etwas günstiger als in Shoppingcentern, weshalb sich dort öfter Diskonter und Händler ansiedeln, die den täglichen und wöchentlichen Bedarf abdecken. Diese brauchen das Ambiente eines Shoppingcenters weniger als namhafte Modeketten. Dieser Entwicklung habe das Land, so Wild, jahrzehntelang zugeschaut. „In den Salzburger Umlandgemeinden hat eine enorme Flächenexpansion stattgefunden, über 170.000 m sind vom Land umgewidmet worden“, meint Wild. Tatsache ist: Die Zahl und Fläche sowohl der Einkaufs- als auch der Fachmarktzentren wächst weiter, obwohl Österreich zu den Ländern mit der höchsten Einzelhandelsdichte Europas gehört. Laut Beratungsunternehmen Standort+ Markt werden 2015 142.000m neue Verkaufsflächen entstehen.

Die Frage ist: Hilft eine politische Regulierung den Ortskernen wirklich? „Die Maßnahmen in Salzburg werden nichts bringen“, ist Marktforscher Andreas Kreutzer von Kreutzer, Fischer & Partner überzeugt. Das Problem der Innenstädte sei, dass sie den Filialisten keine so attraktiven Rahmenbedingungen bieten könnten wie die großen Centerbetreiber.

Das fange bei der Bauordnung an, gehe über fehlende Parkplatzmöglichkeiten bis zum Problem, dass jedes Haus einen anderen Eigentümer habe. „Es brauchte ein einheitliches Management in den Ortskernen, um das Angebot für den Handel zu professionalisieren. Das hieße aber, dass die Immobilienbesitzer die Verwaltungsrechte für ihre Ladenflächen an eine gemeinsame Gesellschaft abtreten müssten, die auch die Vermarktung übernimmt. Darauf können sie sich aber nicht einigen“, sagt Kreutzer.

Probleme hätten vor allem jene Bezirksstädte, in denen es keine öffentlichen Einrichtungen mehr im Ortskern gebe. „Wenn zum Beispiel die Schule an den Ortsrand abwandert, wenn es keine Gerichte mehr gibt und auch keinen Tourismus, dann hat der Handel ein Problem.“


Maßnahmen gegen Leerstände. Dass es in den Orten selbst Maßnahmen braucht, um den Handel neu zu beleben, sieht auch Rössler so. So soll es in Salzburg Erleichterungen für Erweiterung und Adaptierung von Verkaufsflächen in Ortskernen geben. Auch eine Wirtschaftsförderung für Betriebsneugründungen sei angedacht, um Leerstände zu bekämpfen. „Nur müssen wir – bevor wir den Ortskernen sagen: ,Entwickelt euch!‘ – die weitere Expansion im Umland stoppen“, sagt Rössler.

Dass die Aktion in Salzburg politische Nachahmer finden wird, glaubt Marktforscher Kreutzer nicht. „Gegen die meisten Ausbauten kann man nichts machen, weil die Flächen schon entsprechend gewidmet sind.“ Der Stopp könne höchstens neue Flächenwidmungen betreffen. „Und das wird niemandem großartig wehtun.“ Denn für 2016 prognostizieren Marktforscher nun endgültig ein Abflauen der Neu- und Ausbauwut. Wieder einmal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2015)

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