Konjunktur: In den Unternehmen lebt nur noch die Hoffnung

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Industrie sendet eine laute Warnung an die Politik: Statt eine sechste Urlaubswoche zu diskutieren, müsse der Standort ernsthaft gestärkt werden – sonst drohten eine Abwärtsspirale.

Wien. „Es gibt einen breiten Vertrauensverlust in den Standort. (...) Die österreichische Wirtschaft bleibt in der Kriechspur. (...) Wir spüren vom Aufschwung nix. (...) Aus der Abwärtsspirale kommen wir nicht mehr raus, solange wir uns mit wirtschaftspolitischen Schnapsideen beschäftigen. (...) Ich darf darauf hinweisen, dass wir in Österreich derzeit Rekordarbeitslosigkeit haben. (...) Die Stimmung ist definitiv schlechter als in den letzten Jahren. (...) Auch für österreichische Verhältnisse ist es schon sehr spät. (...) Wir stehen knapp vor dem Point of no Return.“

Den Preis für den größten Optimisten des Landes wird Christoph Neumayer heuer nicht mehr holen. Aber das muss der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) wohl als Berufsrisiko verbuchen. Denn die von der IV bei den heimischen Unternehmen im ersten Quartal erhobenen Daten sind dramatisch – wieder einmal.

Der Unterschied zu vergangenem Jahr: Während sich die konjunkturelle Lage in Europa langsam erholt, fällt Österreich zurück. „Die konjunkturelle Aufhellung findet ohne Österreich statt“, so Neumayer. Weder der gesunkene Ölpreis noch der schwache Eurokurs konnten sich bisher positiv auf die Stimmung in heimischen Unternehmen auswirken. Für ihr Konjunkturbarometer befragt die IV 411 Unternehmen, die aktuell rund 244.000 Beschäftigte haben.

Nach einem Hoch im dritten Quartal 2011 befinden sich Geschäftslage, Auftragsbestand und Auslandsaufträge in einem Abwärtstrend. Optimisten können allerhöchstens von einer langfristigen Stagnation seit Mitte 2012 sprechen. Einzig die Hoffnung lebt noch in den österreichischen Unternehmen: Die Geschäftslage in sechs Monaten wird durchwegs positiv eingeschätzt. Warum, ist allerdings unklar.

„Bürokratischer Druck“

IV-Chefökonom Christian Helmenstein warnt inzwischen sogar vor einem „verlorenen Jahrzehnt“, denn die Investitionen sind seit 2006 nicht mehr gewachsen. Und dass sich dieser Trend bald ändern würde, sei zu bezweifeln.

Denn die IV ortet „eine Serie diskretionärer wirtschafts- und fiskalpolitischer Interventionen“ seitens der Regierung, die das Vertrauen in den Standort Österreich erheblich reduziert hätte. Dass nun – angestoßen durch die SPÖ – die Debatte zur sechsten Urlaubswoche wieder aufgewärmt wird, hält Neumayer „gelinde gesagt“ für kontraproduktiv. Mit 25 Urlaubstagen und 13 gesetzlichen Feiertagen liege die Alpenrepublik schon an der europäischen Spitze in Sachen Freizeit.

Die Unternehmen würden unter „massivem bürokratischem Druck“ stehen. Arbeits- und Lohnnebenkosten seien weiterhin sehr hoch. „Wie groß muss der Leidensdruck sein, damit man das Steuer herumreißt?“, fragt Neumayer und fügt – geradezu hoffnungsvoll – hinzu: „Es muss nicht alles so wie Kärnten enden.“ Es sei schon sehr spät, aber noch könne man in Österreich den „beginnenden Teufelskreis“ in Sachen Standortpolitik stoppen, so Neumayer. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2015)

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