McDonald: "Die Krankenkassen werden an die Grenzen herangeführt"

Peter McDonald vom Hauptverband steht vor harten Verhandlungen mit der Pharmaindustrie.
Peter McDonald vom Hauptverband steht vor harten Verhandlungen mit der Pharmaindustrie.Die Presse
  • Drucken

Österreichs Krankenkassen werden heuer ein Defizit verbuchen. Wegen der gestiegenen Preise für neue Medikamente schlägt Peter McDonald vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger eine Einkaufsgemeinschaft mit anderen EU-Ländern vor.

Erpressen Pharmafirmen die staatlichen Gesundheitssysteme, indem sie ihre Monopolsituation ausnutzen und willkürliche Preise festlegen?

Peter McDonald: Ich würde es so sagen: Die Krankenkassen und die staatlichen Solidarsysteme werden an ihre Grenzen herangeführt. Wir müssen auch darauf achten, dass der Monopolstatus der einen oder anderen Pharmafirma nicht ausgenutzt wird.

Was sagen Sie zur Diskussion über das neue Hepatitis-C-Medikament Sovaldi? Wie viel haben die österreichischen Krankenkassen für Sovaldi ausgegeben?

Aus datenschutzrechtlichen Gründen darf ich Ihnen keine Informationen geben, die Rückschlüsse auf den Umsatz einer bestimmten Pharmafirma zulassen. Ich kann Ihnen aber mitteilen, dass wir allein 2014 (für Dezember 2014 liegen noch keine endgültigen Zahlen vor) 63 Millionen Euro für alle neuwertigen Hepatitis-C-Medikamente ausgegeben haben. Mittlerweile entfällt rund ein Viertel der Heilmittelausgaben auf Medikamente, die mehr als 700 Euro pro Packung kosten.

Aber nur sehr wenige Kranke erhalten Sovaldi. Wenn man in Österreich alle Betroffenen damit heilt, würde das Milliarden kosten. Können wir uns das leisten?

Wir stehen hier vor einer neuen und schwierigen Situation. Unser Ziel ist es, unseren Versicherten und Patienten neue innovative Medikamente zur Verfügung zu stellen. Denn es gehört zum Verständnis einer solidarischen Versicherung wie der Sozialversicherung, dass jeder Österreicher unabhängig von seiner finanziellen Situation und den Ursachen der Krankheit medizinisch bestmöglich versorgt werden soll. Hier beginnt aber die Diskussion, wo der Wert eines einzelnen Medikaments liegt. Denn die Krankenkassen sind auf der anderen Seite auch verpflichtet, mit den Beiträgen unserer Versicherten sorgsam umzugehen.

Wie viel geben die Krankenkassen pro Jahr für Medikamente aus?

Medikamente sind unser dritter großer Kostenblock. Zum besseren Verständnis: Die österreichischen Krankenversicherungen verfügten 2014 über ein Budget von 16,3 Milliarden Euro. Rund 4,5 Milliarden Euro fließen in die Spitalserhaltung, vier Milliarden entfallen auf die Ärzte und andere Gesundheitsdienstleister. Und dann kommen schon die Ausgaben für Medikamente in der Höhe von rund 3,2 Milliarden Euro. Während die Kosten für Spitäler und Ärzte weitgehend stabil geblieben sind, gab es zuletzt bei Medikamenten einen signifikanten Anstieg.

Womit hängt dieser Anstieg bei den Medikamenten zusammen?

Es gibt neue Medikamente, mit denen auch bisher unheilbar geglaubte Krankheiten geheilt werden können. Diese sind aber entsprechend teuer.

Österreichs Krankenkassen erwarten nach mehreren Jahren mit positiven Zahlen für heuer ein Defizit von 129 Millionen Euro. Warum ist das so? Liegt es an den Ausgaben für neue Medikamente?

Wir haben in den vergangenen Jahren die Krankenkassen weitgehend entschuldet, wir haben eine stabile Finanzsituation hergestellt und großteils auch eine Leistungssicherungsreserve aufgebaut, die uns die nötige Sicherheit gibt, auch in Zukunft jene Leistungen erbringen zu können, die wir uns vorgenommen haben. Trotzdem kommen große Herausforderungen auf uns zu, insbesondere im Bereich der Medikamente, wo wir im ersten Quartal 2015 Kostensteigerungen von bis zu zehn Prozent haben. Gleichzeitig stagnieren unsere Einnahmen aus den Versicherungsbeiträgen. Wir sind, was die Beiträge betrifft, von der Situation auf dem Arbeitsmarkt abhängig.

Erwarten Sie auch für 2016 ein Defizit bei den Krankenkassen?

Das kann ich noch nicht sagen. Das hängt auch von den Verhandlungen mit der Pharmawirtschaft über Preisrabatte bei Heilmitteln ab. Angesichts der Kostensteigerungen von zuletzt acht bis zehn Prozent werden die Rabatte wohl noch höher ausfallen müssen. Ich erwarte, dass diese harten Verhandlungen in der zweiten Jahreshälfte Ergebnisse bringen.

Was machen Sie, wenn die Pharmabranche nicht einlenkt?

Das Sozialversicherungssystem darf durch einzelne Medikamente nicht überfordert werden. Wir werden mit der Pharmawirtschaft diskutieren müssen, wie wir in Zukunft sicherstellen können, dass in Österreich das Zusammenspiel zwischen Pharmawirtschaft und den Sozialversicherungen ein partnerschaftliches bleibt.

Ist Österreich für Verhandlungen mit internationalen Pharmariesen nicht zu klein?

Genau deshalb halte ich es für sinnvoll, wenn innerhalb der EU bei den Medikamenten die Einkaufsmacht gebündelt wird. Derzeit verhandelt jedes Land einzeln mit den Pharmafirmen. Daher sollten die Staaten kooperieren.

Zur Person

Peter McDonald, geboren 1973, ist seit Herbst 2014 gewählter Vorsitzender des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger. Er war zuvor geschäftsführender Obmann der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Auf einem Loeffel liegen Tabletten
Österreich

Erpressen Pharmakonzerne die Staaten?

Mit neuen Medikamenten können auch bislang unheilbare Krankheiten geheilt werden. Doch die Arzneimittel sind exorbitant teuer. Daher bekommen die staatlichen Gesundheitssysteme ein gravierendes Problem.
Themenbild
Österreich

Oh, du verkammertes Österreich

Ein Beispiel für das schwerfällige Kammersystem ist die Apothekerkammer. Diese lehnt mehr Wettbewerb ab. Daher sind rezeptfreie Medikamente besonders teuer.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.