Eine Studie für die Regierung

Wie viel bleibt tatsächlich übrig?
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Analyse: Das Institut für Höhere Studien (IHS) veröffentlichte eine freundliche Studie zur Steuerreform. SPÖ und ÖVP bedankten sich umgehend dafür. Über Wirtschaftsforschung in Österreich.

Unter dem Titel „Steuerreform erhöht Arbeitsanreize durch Entlastung des Faktors Arbeit“ veröffentliche die Austria Presse Agentur am Sonntag eine IHS-Studie, die ausschließlich die positiven Effekte der Steuerreform beinhaltet. Dass mit der Senkung der Lohnsteuer eine „deutliche Anhebung der durchschnittlich verfügbaren Einkommen“ einhergeht, ist unbestritten. Auch wenn das Wort „deutlich“ in der Studie deutlich übertrieben sein mag.

Laut IHS erhöht sich das durchschnittliche Haushaltseinkommen um 3,2 Prozent. Das seien 1304 Euro im Jahr. Besserverdiener profitieren mehr, die „effektive Abgabenquote“ verringere sich. Die Entlastung des Faktors Arbeit schaffe „spürbar höhere“ Arbeitsanreize, heißt es in der IHS-Studie.

Gegenfinanzierung kein Thema

Keinen Eingang in die Studie fanden hingegen das – einst vom IHS selbst erörterte – Problem der kalten Progression sowie die strittigen Fragen zur Gegenfinanzierung der Steuerreform. Dass ausgerechnet das „bürgerliche“ IHS die Belastung des Mittelstands, die höhere Staatsverschuldung, die Anhebung des Spitzensteuersatzes, die nicht angegangenen Reformen in Verwaltung und Pensionssystem nicht einmal am Rande streift, sorgte am Sonntag bei Ökonomen und politischen Beobachtern für Kopfschütteln.

Aber auch für Schulterklopfen. Denn die Meldung war kaum draußen, da jubelte schon SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. „IHS-Studie ist Bestätigung für Beharrlichkeit der SPÖ“ lautete die Headline seiner Aussendung. Und kurze Zeit später legte ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel eine Presseaussendung drauf. Titel: „IHS-Studie untermauert richtigen Weg der ÖVP.“

Wenn diese IHS-Studie etwas untermauert hat, dann das Dilemma der österreichischen Wirtschaftsforschung.

Seit vielen Jahren zählen die halbjährlichen Konjunkturprognosen der beiden großen Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS zu den Ritualen der Wirtschaftspolitik. Im Frühjahr und im Herbst wagen sie einen ökonomischen Blick in die Zukunft.

Und es ist kein Zufall, dass es immer diese zwei Institute sind. Sie repräsentieren die beiden großen politischen Lager. Das Wifo gilt gemeinhin als SPÖ-nahe, hat und hatte Wissenschaftler in seinen Reihen, die sich klar politisch zuordnen lassen. Markus Marterbauer, Chefideologe der Wiener Arbeiterkammer, war im Wifo einst Konjunkturreferent. Stephan Schulmeister, der Verfechter umfassender Vermögenssteuern, war lange Jahre Aushängeschild des Wifo. Jetzt ist Margit Schratzenstaller für Budget- und Steuerpolitik zuständig. Sie sprach sich im Zuge der Steuerreform wiederholt für die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer aus.

IHS: Blütezeit in Schwarz-Blau

Das IHS wurde hingegen immer als Institut des bürgerlichen Lagers angesehen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass es 20 Jahre lang vom wirtschaftsliberalen Ökonomen Bernhard Felderer geleitet wurde. Felderer beriet zwar seinerzeit auch die Sozialdemokraten Helmut Schmidt und Franz Vranitzky, die Blütezeit erlebte das Institut allerdings in der Zeit der schwarz-blauen Regierung.

Fazit: Allen war klar, wofür die Wirtschaftsforschungsinstitute stehen. Und zwecks gegenseitiger Objektivierung sind die beiden Häuser gemeinsam für die Konjunkturprognose zuständig.

Diese Einschätzung galt zumindest bis vor wenigen Monaten. Ende des vergangenen Jahres trat Christian Keuschnigg als IHS-Chef zurück. Das Institut kämpfte mit finanziellen Problemen. Und so renommiert Keuschnigg als Wissenschaftler ist, so unglücklich agierte er als Leiter des IHS. Seit 1. Jänner steht Sigurd Höllinger dem IHS vor. Der 75-Jährige war einst Sektionschef im Unterrichtsministerium und gilt als SPÖ-nahe. Seither wird natürlich darüber spekuliert, ob sich die SPÖ nach der volkswirtschaftlichen Abteilung der Notenbank und dem Wifo nun auch das IHS ideologisch zu eigen macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2015)

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