Arbeitslosigkeit: Österreich stürzt von EU-Spitze auf Rang fünf ab

Die Presse (Clemens Fabry)
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EU-Frühjahrsprognose: Nicht nur Deutschland, auch Großbritannien und Tschechien laufen Österreich heuer den Rang ab. Bei Wirtschaftsminister Mitterlehner läuten die Alarmglocken.

Noch vor einem Jahr war Österreich an der Spitze der EU-Arbeitslosenstatistik. Zahlreiche europäische Staaten blickten mit Neid auf das Rekordtief und nahmen sich bei ihren Arbeitsmarktformen ein Beispiel an Österreich. Damit dürfte jetzt wohl erst einmal Schluss sein: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) will angesichts der steigenden Zahlen stattdessen selbst Experten aus anderen Ländern zu einem Arbeitsmarktgipfel laden. Denn seit Monaten verharrt Österreichs Arbeitslosigkeit auf einem Rekordhoch, während sie anderswo in Europa sinkt: Zuerst kam Deutschland (aktuell 4,6 Prozent) und verdrängte Österreich auf Platz zwei. Aber auch diese Position konnte die Alpenrepublik nicht lange halten. Laut der EU-Frühjahrsprognose steigt Österreichs Arbeitslosenrate heuer noch auf 5,8 Prozent (EU-Berechnung). Im Winter wurden 5,2 Prozent erwartet.

Die Zahlen sind zwar immer noch weit besser als etwa in Griechenland, wo jeder vierte auf Jobsuche ist. Aber damit ist es um Österreichs Arbeitsmarkt auch schlechter bestellt als in Großbritannien (5,4 Prozent), Tschechien (5,6 Prozent) oder Luxemburg (5,7 Prozent). >>> siehe Karte

Zweiter bei Inflation, sechstschlechtester bei Wachstum

Bei der Inflation verteidigt Österreich dagegen den Platz unter den Top drei: Mit 0,8 Prozent weist es laut EU-Prognose gemeinsam mit Luxemburg die zweithöchste Teuerungsrate auf. Lediglich Malta mit 1,3 Prozent liegt höher. In sechs EU-Staaten, darunter Griechenland (-1,5 Prozent) wird eine negative Inflation erwartet. Dennoch erklärte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, es gebe kein Risiko der Deflation mehr.

Die österreichische Wirtschaft wird 2015 um 0,8 Prozent wachsen. Diese Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist unverändert gegenüber der EU-Winterprognose vom Februar des Jahres. Damit liegt Österreich weit hinter dem Durchschnitt: Für ganz Europa wird 1,8 Prozent, für die Eurozone 1,5 Prozent erwartet. Für Österreich ist es der sechstschlechteste Platz hinter Griechenland, Finnland, Kroatien, Italien und Zypern.

Mitterlehner: "Müssen diesen Trend stoppen"

Wirtschaftsminister Mitterlehner verwies am Dienstag darauf, dass im April die Zahl der Arbeitslosen um Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 14,5 Prozent angestiegen sind. "Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Wir müssen diesen Trend stoppen", sagte er.  Unter anderem soll laut Mitterlehner die "beschäftigungsnahe Vermittlung" forciert werden. Das bedeutet, dass Schulungen von Arbeitslosen nicht mehr nur in Kursen, sondern praxisorientiert direkt in Betrieben durchgeführt werden - finanziert durch das AMS. Die Reform des Schulungssystem ist derzeit in vollem Gange.

Außerdem plädierte Mitterlehner für eine konsequente Umsetzung einer sogenannten "Early Intervention Strategie", wie dies etwa in Deutschland bereits der Fall sei. Dort müsse man sich innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsmarktservice melden, nachdem man einen Kündigung in Händen hält. Mit einer rascheren Ergreifung von Maßnahmen durch das AMS seien die Chancen auf Vermittlung in den Arbeitsmarkt größer, sagte der Minister. "Bei uns ist die Vermittlungsquote schlechter geworden", so der Vizekanzler, die durchschnittliche Dauer liege bei 116 Tagen - acht Tage länger als im Vorjahr. Angesetzt werden müsse daher auch bei der überregionalen Vermittlung.

APA

(APA/sk)

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