Österreichs strenge Visumregeln halten nicht nur Touristen, sondern auch ausländische Geschäftsleute fern. Daher sollen ab Juli die Vorschriften für einige Länder gelockert werden.
Wien. Hat Österreich zu strenge Visumregeln für Geschäftsleute? Laut Wirtschaftsvertretern schon. So sind der „Presse“ mehrere Fälle bekannt, wie Österreich ausländische Investoren mit überzogenen bürokratischen Regeln abschreckt. Etwa eine ausländische Firma, die diesen Mai zu einer Veranstaltung nach Wien eingeladen war und schon Flüge und Hotelzimmer für ihre Manager gebucht hatte. Auch die Visumanträge wurden rechtzeitig an das zuständige Konsulat geschickt. Doch das offizielle Österreich war damit überfordert. Das Konsulat sandte einen Termin, wann wegen des Visums vorzusprechen sei. Das Absurde: Der Termin war für die Zeit nach der Veranstaltung in Wien angesetzt.
Österreich sticht damit auch im Vergleich mit anderen EU-Ländern negativ heraus, heißt es. So würde es hierzulande bis zu drei Monate dauern, bis Geschäftsleute ein Visum erhielten. Für Frankreich reichten indes oft drei Tage.
Österreichische Konsulate versteigen sich dabei auch dazu, von den Unternehmern detaillierte Einblicke in die Vermögensverhältnisse zu verlangen. So wollte ein bekannter Investor, der über 100 Mio. Euro besitzt, nach Österreich fliegen. Doch das zuständige Konsulat glaubte ihm nicht und verlangte den Originalbeleg seines Kontoauszugs und die Unterschrift des Bankdirektors.
Bogen um Österreich
Das führt dazu, dass Geschäftsleute ihre Schengen-Visa immer öfter nicht mehr für Österreich beantragen, sondern für ein anderes EU-Land wie Deutschland und Italien, wo die Bestimmungen liberaler sind. Von diesen Ländern reisen sie dann nach Österreich. Die Folge: Geld bleibt in den Nachbarstaaten liegen, sofern Geschäftsleute nicht überhaupt einen Bogen um Österreich machen.
Nicht nur bei Arbeitsvisa, auch bei Touristenvisa erweisen sich unsere Konsulate als Flaschenhals der Wirtschaft. Die fehlenden Direktiven des Außenministeriums, wirtschaftsfreundlich zu agieren, seien das Grundproblem, so ein Handelsdelegierter, der lieber anonym bleiben möchte: Fatal sei es, wenn der Konsul vor Ort selbst zum Restriktiven neigt.
In Russland etwa hat das über Jahre dazu geführt, dass Reisewillige nach Möglichkeit bei Konsulaten anderer EU-Länder um ein Visum ansuchten. Spanien ist begehrt, weil es Visa – auch für mehrmalige Einreisen – schneller und auf längere Zeit vergibt. Frankreich ebenso. Zuletzt ist Italien nach vorn geprescht. „Wenn man sieht, wie in anderen EU-Staaten die Dinge laufen, fragt man sich schon, was Österreich da macht.“ Die Frage ist umso berechtigter, als die aufgrund der Rubel-Abwertung weniger werdenden russischen Touristen nun umso aggressiver umworben werden.
Zwar habe sich die Situation mittlerweile deutlich gebessert, wie der österreichische Handelsdelegierte in Moskau, Dietmar Fellner, im Gespräch erklärt. So ist etwa die Terminvereinbarung für eine Antragsstellung nun gratis, während man bis vor Kurzem sogar dafür zahlte. Das Image, pingelig zu sein, wirkt aber nach.
Leichter für Chinesen
Langsam beginnt der Unmut der Wirtschaft nun offenbar zu wirken. „Presse“-Informationen zufolge haben sich die Vertreter der Wirtschaftskammer und des Außenministeriums auf eine Reform geeinigt. In einem ersten Pilotprojekt werden ab Juli die Regeln für Geschäftsleute aus China, Indien und Indonesien gelockert.
Künftig soll es ausreichen, wenn in diesen drei Ländern die dortigen Außenwirtschaftscenter der WKO eine Erklärung über die Glaubwürdigkeit der ausländischen Firmen ausstellen. Zudem soll die Bearbeitungszeit für ein Visum auf nur noch wenige Tage verkürzt, die Gültigkeitsdauer dafür verlängert werden. Das Visum gilt dann nicht mehr für eine bestimmte Veranstaltung, sondern für sechs Monate. Verläuft das Pilotprojekt erfolgreich, sollen die vereinfachten Regeln ab 2015 auch auf andere Länder ausgedehnt werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2015)