Henkel-Chef: „Es fehlt eine Strategie für Österreich“

Georg Kapsch
Georg Kapsch(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Beim Wiener Strategieforum an der WU werden erneut mahnende Stimmen laut: Der Standort habe an Vertrauenswürdigkeit eingebüßt, der Politik fehlten die Konzepte.

Wien. Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), warnt vor einem weiteren Vertrauensverlust in den Standort. „Es entwickelt sich zweierlei zum schlechteren“, so Kapsch am Dienstag beim Wiener Strategieforum, einer eintägigen Veranstaltung zu Management- und Standortthemen an der Wiener Wirtschaftsuni. „Die Presse“ ist ein Kooperationspartner des Strategieforums.

„Es gibt schon jetzt kaum noch Vertrauen in die Stabilität der Politik. Und die Sicherheit für Investitionen in Österreich ist eine Katastrophe.“ Es werde in einem Moment A beschlossen – und dann sofort B gesagt, so Kapsch. In der Politik fehle auch jede Einsicht in diesem für die Wirtschaft sensiblen Bereich.

Kapsch teilte sich beim Strategieforum ein Podium mit Günter Thumser, Präsident für Zentral- und Osteuropa beim Konsumgüterhersteller Henkel. Die Moderation übernahm Franz Schellhorn, Direktor der Denkfabrik Agenda Austria. Der Henkel-Chef, dessen Konzern in Wien einen traditionsreichen Produktionsstandort unterhält, will sich von Österreich aber nicht verabschieden. Noch nicht.

Teure EU-Bürokratie

„Wir von Henkel vertrauen dem Standort im Moment noch sehr“, so Thumser: „Wir sind in Österreich lange gewachsen in einer Zeit, in der Österreich in Europa noch führend war – als Tor in den Osten.“ Dieser Vorsprung sei inzwischen aber verschwunden. Auch fehle jede greifbare Strategie seitens der Politik, welche Rolle der Wirtschaftsstandort Österreich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten spielen könne.

„Deswegen muss man für die Zukunft schon überlegen, wo man genau investiert.“ Hohe Lohnsteuer und Sozialabgaben würden Österreich im Vergleich zu seinen östlichen Nachbarn inzwischen unattraktiv erscheinen lassen. „Es fehlt eine Strategie für Österreich.“ Dazu komme die Bürokratie. Die sei allerdings kein rein österreichisches Problem, sondern eine europäische Krankheit. „Die Bürokratie in der EU kostet die Unternehmen jährlich 130 Mrd. Euro“, so Kapsch.

Dazu kommen die generellen Herausforderungen. Einer Studie zufolge, die WU-Professor Werner H. Hoffmann gemeinsam mit Contrast-Partner Martin Unger vorstellte, sehen fast 80 Prozent der Unternehmen in der Digitalisierung eine große Herausforderung. „Das wird ganze Branchen sprengen – oder hat es schon“, so Hoffmann. Rund 70 Prozent beobachten den demografischen Wandel der Gesellschaft. Dazu kommt die globale Ebene. Fast die Hälfte der Unternehmen hat bereits den Trend der „sich verlagernden Machtzentren“ in der Welt identifiziert. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2015)

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