Sport und Wirtschaft: Österreichs "Goldene" beim Geld

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Neue Zahlen zeigen: In keinem EU-Land hat der Sport einen größeren Anteil am BIP als in Österreich. Ohne Wintertourismus lägen wir nur knapp über dem Schnitt.

Wien. Sport macht Freude und fördert die Gesundheit, loben viele. Sport schüre dumpfen Körperkult und Nationalismus, warnen manche. Was aber beim Thema Nummer eins für weite Teile der Bevölkerung bisher im Vagen geblieben ist, ist seine wirtschaftliche Bedeutung. Aus einem einfachen Grund: Die rohen Daten der nationalen Statistik sagen darüber wenig aus. Aber nun hat man sich auf europäischer Ebene darangemacht, die Effekte aus allen Ecken der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zusammenzutragen. Das Ergebnis zeigt: Sport ist als Wirtschaftsfaktor nicht nur unterbelichtet, sondern auch unterbewertet.

Jedenfalls in Österreich: 11,6 Mrd. Euro oder vier Prozent der Wertschöpfung verdanken sich direkt der Sportwirtschaft. In ihr agieren Liftbetreiber und Golflehrer, Hersteller von Wanderschuhen und Trainer im Fitnessstudio, Buchmacher bei Pferderennen und Moderatoren von Fußballspielen. In Summe tragen sie mehr zum BIP bei als etwa die Bauwirtschaft. Rechnet man segensreiche Wirkungen auf andere Sektoren – wie Beherbergung, Gastronomie oder Handel – hinzu, kommt man auf 17 Mrd. oder sechs Prozent des BIPs. „Das hat die Sportnation bisher stark unterschätzt“, sagt Christian Helmenstein. Der Chef des Instituts Sports-Econ-Austria (SpEA) präsentierte die Fakten am Dienstag mit Sportminister Gerald Klug.

Im Europa-Wettbewerb gewinnt Österreich damit die Goldmedaille: In keinem anderen EU-Land hat Sport eine so große wirtschaftliche Bedeutung. Die vier Prozent Anteil liegen weit über dem EU-Schnitt von 1,8 Prozent; auch „sportliche“ Volkswirtschaften wie Großbritannien und Deutschland lassen sich damit weit abhängen (siehe Grafik rechts). Das gesamte Ranking liegt der „Presse“ exklusiv vor.

Allerdings fallen die Österreicher unsanft vom Podest, wenn man ihnen rechnerisch den Wintersporttourismus wegnimmt: Ohne ihn, der die Hälfte der sportbezogenen Wertschöpfung ausmacht, lägen sie nur knapp über dem Durchschnitt. Der Segen kommt also stark von oben, in Form von Schnee. Noch stärker als der monetäre ist der Jobeffekt: 5,3 Prozent aller Beschäftigten sind in der Sportwirtschaft tätig. Das bedeutet: Der Sektor ist relativ beschäftigungsintensiv.

Großevents als Grauzone

Die Daten reichen bis vor die große Krise zurück. Es zeigt sich: Der Bereich ist vergleichsweise resistent gegen Rezessionen, er wirkt also stabilisierend. Auch für die Zukunft ist Helmenstein nicht bange: Dem Ökonomen gilt Sport als „superiores Gut“: Wenn künftig die Einkommen steigen, geht ein überproportional großer Teil des zusätzlichen Konsums in diesen Bereich.

Möglich wurde die europaweite Erhebung durch die Einrichtung eines Satellitenkontos. Es umfasst alle Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die das Thema Sport umkreisen. Solche gesonderten Rechnungen gibt es bereits für andere Querschnittsmaterien wie Tourismus, Kultur und Sicherheit; für Forschung und Entwicklung ist sie im Aufbau.

Bei Sport und Kultur gibt es noch eine Grauzone: die Großveranstaltungen, für die eine einheitliche Abgrenzung fehlt. Das werde künftig „ein ganz großes Thema“, prophezeit Helmenstein. Denn neben den Kosten will der Steuerzahler auch den erhofften und tatsächlichen Ertrag von Events kennen.

Aktuelles Beispiel: der Songcontest, der völlig unerwartet viele Hotelbetten in Wien leer stehen ließ. Der Ökonom wundert sich darüber nicht: „Ein klassisches Beispiel von Crowding-out“ – was heißt: Die Schlagerfreunde belegten nicht nur weniger Zimmer als erhofft, sie verdrängten auch andere Gäste, wie Kultur- oder Konferenztouristen, die Wien mieden. Eine saubere Planung hätte diesen Effekt wohl berücksichtigt und für eine bessere Auslastung gesorgt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2015)

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