Als einzige Wachstumsbereiche macht der Industrielle Arbeitslosigkeit, Staatsschulden, Arbeitskosten und Bürokratie aus.
Hannes Androsch, Ex-SPÖ-Vizekanzler und -Finanzminister, teilt kräftig aus. Erneut nutzte er am Donnerstag im Klub der Wirtschaftsjournalisten die öffentliche Bühne im Rahmen einer Promotiontour, um dem Land bzw. der Regierung ein schlechtes Zeugnis auszustellen, und ihr vorzuwerfen, dass sie seit Jahren alles schönrede und gesundbete.
"Wir befinden uns im achten Jahr der Krise", erinnerte Androsch im Klub der Wirtschaftspublizisten. Bald habe man eine "lost decade" ohne Wachstum und Veränderung hinter sich. Die einzigen Wachstumsbereiche, die er ausmache, seien eine Zunahme der Arbeitslosigkeit, Staatsschulden, Arbeitskosten und Vorschriften sowie der bürokratischen Hindernisse. Investitionen stockten und der Export schwächle. Bei der Bildung drohe ein Waterloo, wenn eine Verländerung der Schulverwaltung komme. Zuletzt kam von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) diesbezüglich kein deutliches Nein mehr.
Androsch fordert Gesamtpaket
Obwohl die Zinsen gleich null sind, vergeben die Banken kaum Kredite. Androsch, der an zahlreichen Firmen (u. a. AT&S, Salinen, bwin.party) beteiligt ist, sprach heute von einer Kreditklemme. Es sei leichter gewesen, die millionenschwere Finanzierung für den chinesischen AT&S-Standort Chongqing aufzustellen als 30 Mio. Euro für seine Gesundheitshotels in Österreich. AT&S will die Gesamtinvestitionen in Chongqing bis 2017 auf etwa 480 Mio. Euro erhöhen. Ein ihm bekannter Naschmarkt-Standler habe einen Kredit über 400.000 Euro nicht bekommen, erzählte Androsch. "Wenn das keine Kreditklemme ist, dann halt eine Kreditverweigerung."
Eine "kurzfristige Wunderwaffe", um aus all dem herauszukommen, hatte Androsch nicht parat. Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung seien längerfristige Dinge. Es brauche ein "Gesamtpaket", über das auch das Volk befragt werden sollte, schlug der Ex-Finanzminister vor. Denn man müsse die Patienten, die das alles treffe, schließlich auch befragen. Das jetzige Ergebnis sei jedenfalls nicht budgetkonsolidierend.
Aufsichtsbehörde nicht mit Ruhm bekleckert
Wenngleich Androsch mit der geplanten Steuerreform nicht zufrieden ist, streute er Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) Rosen. Dieser sei eine "Hoffnung", der etwas von seinem Handwerk verstehe, aber vor einer "Herkulesaufgabe" stehe und ringsum "Fallensteller" habe. Klare Worte fand Androsch für die Aufweichung des Bankgeheimnisses: "Wer den Wind des Misstrauens sät, wird den Sturm des Vertrauensverlustes ernten." Er sei dagegen, hinter jedem einen Verbrecher und Steuerhinterzieher zu vermuten. Androsch wurde nach seiner Zeit in der Regierung wegen Steuerhinterziehung verurteilt.
Zur Rolle der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) bei der Kärntner Hypo meinte Androsch: "Die Aufsichtsbehörde hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Unterm Koren (Notenbank-Chef der 70er, Anm.) wär das nicht passiert." Androsch, der auch Aufsichtsratschef der staatlichen Bankenbeteiligungsgesellschaft Fimbag ist, hat die Kosten der Kärntner Hypo schon vor Jahren auf sieben Mrd. Euro geschätzt. Inzwischen werden sie fast doppelt so hoch angesetzt.
Auch zum österreichisch-britischen Glücksspielkonzern bwin.party, an dem er etwa 4 Prozent hält, meldete sich Androsch zu Wort. Er "nicht so scharf darauf", dass die Firma von anderen Investoren übernommen wird. Das börsennotierte Unternehmen gilt im Moment als heißer Übernahmekandidat. "Ich bin dafür, das wir alleine weitertun", sagte Androsc.
(APA)