Androsch gegen „Bespitzelungsstaat“

 Ex-Finanzminister Androsch
Ex-Finanzminister Androsch (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ex-Finanzminister Androsch (SPÖ) ist gegen das Ende des Bankgeheimnisses. Das Finanzressort zieht bei der Abnahme von Fingerabdrücken zurück.

Wien. Der frühere Finanzminister Hannes Androsch kritisiert die geplante Aufweichung des Bankgeheimnisses in Österreich scharf: „So landen wir in einem Überwachungs-, Bespitzelungs- und Vernaderungsstaat“, sagte der frühere SPÖ-Spitzenpolitiker und Industrielle im Klub der Wirtschaftspublizisten am Donnerstag.

Auch aus der Sicht des ehemaligen Finanzministers, der sich durch den leichteren Zugriff auf den Kontostand der Österreicher Vorteile im Kampf gegen den Steuerbetrug erwarten könnte, sei das Vorgehen der Regierung für ihn „unverständlich“.

In seiner Zeit als Finanzminister (1970 bis 1981) hätte er sich „sicher nicht“ über diese Form der Kontenöffnung gefreut. „Das ist kontraproduktiv“, erklärte Androsch. „Ich kann nicht hinter jedem Staatsbürger einen Steuerbetrüger vermuten.“ Wer den Wind des Misstrauens sähe, werde den Sturm des Vertrauensverlustes ernten.

Den Plan der Regierung, durch die stärkere Bekämpfung des Steuerbetrugs 1,9 Milliarden Euro einzunehmen, hält er für illusorisch.

Cernko will Time-out

Willibald Cernko, Chef der Bank Austria und Präsident des Bankenverbandes, plädiert im Gespräch mit der „Presse“ für eine Versachlichung der aktuellen Debatte. Er appelliert an die Politik, ein Time-out auszurufen und „sich 14 Tage lang Zeit zu geben, um diese Idee in Ruhe zu diskutieren“. Er, Cernko, wisse, dass dies in Zeiten, in denen Wahlen geschlagen werden, schwer sei. Doch gefährde man ein berechtigtes Anliegen durch unsachlich und populistisch zugespitzte Kommunikation. Seiner Ansicht nach sei es gut, das Thema Bankgeheimnis neu zu definieren. Zwei wesentliche Punkte sollten dabei jedoch beachtet werden: „Wer darf unter welchen Voraussetzungen Einschau halten?“, so Cernko. Und zweitens: „Gibt es einen Prozess, der den Bürger in die Lage versetzt, dagegen Rechtsmittel zu ergreifen, um sich zu wehren?“

Klarstellung bei Fingerabdruck

Über Zugriffe auf das Konto sollten Bürger nicht erst im Nachhinein informiert werden. Dafür müsse es eine Instanz geben, die dies final entscheidet. „In einem Rechtsstaat ist das noch immer das Gericht“, so Cernko. Er spreche sich zwar für Transparenz aus, „aber unter Wahrung der Bürgerrechte“.

Die Menschen hätten ein Bedürfnis nach Privatsphäre. Das grenzenlose Big-Data-Thema mache Angst. Die Vorstellung, dass überall Einblick genommen werden könne und sämtliche Bargeldgeschäfte über das Konto abgewickelt werden sollen – „wer will denn das?“, fragt Cernko. Big brother ist watching you, sei da ein Abklatsch dagegen.

Bei einem zweiten, heiklen Thema – der Abnahme von Fingerabdrücken durch Finanzbeamte für die Aufklärung von „bedeutenderen Finanzvergehen“ – zieht Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) jetzt zurück. Obwohl, wie berichtet, die geplante Novelle Finanzbeamten das Recht gibt, bei jeglichen Finanzdelikten ab einer Hinterziehung von 33.000 Euro Fingerabdrücke zu nehmen, soll die Bestimmung ausschließlich bei Zollverfahren gelten. Hier liegt die Grenze für die Abnahme bei einer Hinterziehung von 15.000 Euro.

Die Grünen hatten zuvor kritisiert, die Regierung versuche „Überwachungsinstrumente auszubauen“. Datenschutzsprecher Albert Steinhauser attestiert angesichts dieser Pläne dem Finanzminister, es mangle ihm „an der nötigen Grundrechtssensibilität“. Die Ansinnen der Finanz stießen „in der Fachwelt auf völliges Unverständnis“, das Ministerium „schießt hier übers Ziel“. Das Team Stronach meinte, die Wünsche des Finanzministeriums seien „erschreckend und bedenklich für unseren liberalen Staat“. (auer/nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2015)

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