Triumphfahrt der Start-ups und die Angst vor Schindluder

Pioneers Festival
Pioneers Festival Stanislav Jenis
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Die Business Angels Hansi Hansmann, Michael Altrichter und Werner Wutscher nutzen das Pioneers Festival vor allem, um internationale Investoren zu treffen. Den grassierenden Start-up-Hype sehen sie problematisch.

Es ist eine Kombination aus Begeisterung und Skepsis, mit der heimische Business Angels auf das Pioneers Festival blicken. Da mischt sich Freude über die derzeit grassierende Start-up-Euphorie mit einem warnenden Unterton.

„Nach vier Jahren Durststrecke springen jetzt alle auf das Thema auf, auch diejenigen, die vom Tuten und Blasen keine Ahnung haben“, sagt einer der heimischen Business Angels der ersten Stunde, Hansi Hansmann. „Bei so einer Triumphfahrt muss man aufpassen, dass kein Schindluder getrieben wird, indem Bewertungen in gigantische Höhen gepusht werden.“ Die Gefahr einer Blase sieht er in der jetzigen Situation durchaus. „Da ist es wichtig, dass die jungen Gründer nicht die Bodenhaftung verlieren und nicht in erster Linie das Geld vor Augen haben. Erst einmal muss gehackelt werden.“

Das Pioneers-Team hat großen Anteil daran, dass sich sowohl Politiker als auch prominente Wirtschaftstreibende derzeit in der Gunst der Start-ups sonnen. Das Festival hat dafür gesorgt, dass der Start-up-Standort Wien auch weit über die Landesgrenzen hinaus wahrgenommen wird.

Ein wesentliches Element des Festivals ist das Netzwerken zwischen Start-ups und Investoren. Heimische Business Angels nützen das Gipfeltreffen aber eher dazu, sich mit Ihresgleichen zu treffen. „Mich interessiert vor allem die Vernetzung mit internationalen Venture Capital Fonds“, sagt Business Angel Michael Altrichter. „Start-ups kontaktieren mich ohnehin zu viele.“ Ähnlich sieht das Hansmann: „Ich suche Anschlussfinanzierungen für Start-ups, bei denen ich bereits investiert bin. Deshalb mache ich keine Termine mit Start-ups, sondern mit Großsponsoren wie Konica Minolta.“

Manchmal investieren die Überrannten aber trotzdem noch: Obwohl Hansmann mit seinen 32 Start-up-Beteiligungen an sich genug zu tun hat, hat er vergangene Woche in das österreichische Med-Tech-Start-up Kiweno investiert, das sich auf Nahrungsmittelunverträglichkeitstests und deren diagnostische Aufbereitung spezialisiert hat.

Die internationale Strahlkraft des Pioneers-Festivals hat sich auch der frühere Rewe-Vorstand, jetzt Business Angel und Gründer von New Venture Scouting, Werner Wutscher, zunutze gemacht. Er hat in Kooperation mit den Pioneers mit den Young Global Leaders (YGL) eine hochkarätige Nebenveranstaltung abgehalten.

Die YGL sind eine Initiative des World Economic Forum, das Topunternehmer unter 40 weltweit zusammenbringt. „Ohne Pioneers hätten wir es nicht geschafft, diese Leute nach Wien zu holen“, sagt Wutscher. Diskutiert wurde die Zuammenarbeit von Start-ups und großen Unternehmen – ein Thema, das auch auf dem Hauptfestival omnipräsent ist.

Etablierte suchen Frischblut.Wutscher, der mit New Venture Scouting die Schnittstelle zwischen jungen und etablierten Unternehmen abdecken will, sieht einen Großteil dieser Kooperationen kritisch: „Viele kommen über eine PR-Beziehung nicht hinaus. Wenn man den Unternehmen die Frage stellt, was sie eigentlich vom Start-up wollen, erntet man oft nur Schulterzucken.“ Dabei gebe es sehr unterschiedliche Formen der Kooperation. Erst einmal müsse das Unternehmen wissen, welche Zukunftsthemen es angehen wolle. „Dann ist die Frage, ob man nur interkulturell lernen will, ob man eine Produkt- oder Prozessinnovation anstrebt oder ein neues Geschäftsmodell entwickeln will.“ Kein einfacher Prozess: „Ich erlebe oft, dass die Corporates eine Riesenangst vor dieser unbekannten Welt, diesen jungen Typen haben. Da den Vermittler zu spielen ist extrem spannend.“

Die Start-up-Euphorie der Politik sieht Wutscher kritisch. Das erst kürzlich beschlossene Crowdfundinggesetz (Erleichterung für Schwarmfinanzierungen) sei gut, greife aber zu kurz. „Diese Maßnahme hilft nur einem Teil des Start-up-Spektrums. Wenn ein Start-up eine hochkomplexe Nanotechnologie vertreibt, wird es mit Crowdfunding kaum erfolgreich sein.“ Dass Crowdfunding nun als Allheilmittel für die fehlenden Finanzierungen herhalten müsse, sei „vollkommener Unsinn“. Um die vorhandene Kreditklemme abzuwenden, brauche es einen Mentalitätswandel bei den Unternehmern in Sachen Eigenkapital: „Viele gehen lieber mit ihrer Bank unter, als sich Investoren ins Haus zu holen, wenn sie wachsen oder forschen wollen.“ Das sei zwar ein Problem der klein- und mittelständischen Unternehmen und nicht der Start-ups, bringe Beteiligungen aber generell in Verruf. Was dazu beitrage, dass sich in Österreich viele Start-ups um wenige Investoren raufen.

Angels

Michael Altrichter:aktuell zum Beispiel in Rublys, eine Rubbellos-App für Smartphones, und die Trading-Plattform Wikifolio investiert.

Hansi Hansmann: ist an Runtastic, Watchado, Shpock, Mysugr u.v.m. beteiligt.

Werner Wutscherberät mit New Venture Scouting Unternehmen, die sich mit Start-ups Innovationen ins Haus holen wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2015)

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