Die Zahl der arbeitslosen Ausländer steigt überdurchschnittlich stark an. Die FPÖ fordert radikale Lösungen. Regierung und Gewerkschaften reden das Problem dagegen klein.
Wien. Auf dem österreichischen Arbeitsmarkt wird die Situation immer schlimmer. Wie am gestrigen Montag bekannt wurde, stieg die Zahl der arbeitslosen Personen und der Schulungsteilnehmer im Mai erneut sprunghaft an. In Summe hatten 395.518 Personen keinen Job. Das ist im Vergleich zum Mai des Vorjahres ein Plus von 6,9 Prozent.
Stark erhöht hat sich die Zahl der arbeitslosen Ausländer. Diese kletterte um 15,2 Prozent auf 109.141 Personen. Vergleichsweise niedrig war das Plus bei den arbeitslosen Inländern. Hier gab es einen Anstieg von vier Prozent auf 286.377 Personen.
AMS-Vorstand Johannes Kopf schilderte jüngst im „Presse“-Interview ein typisches Beispiel: „Da gibt es einen Mann aus Ex-Jugoslawien. Er arbeitet seit neun Jahren bei der gleichen Baufirma und war im Winter immer arbeitslos. Doch im heurigen Frühjahr wurde er nicht mehr genommen. Er kann kein Deutsch. Die Baufirma nimmt jetzt einen Ungarn, der jünger ist, Deutsch kann und eine Berufsausbildung hat.“
Mangelnde Deutschkenntnisse
Tatsächlich zeigen sich beim Arbeitsmarktservice immer mehr die Integrationsversäumnisse der vergangenen Jahre. Denn viele Ausländer sind für das AMS schwer vermittelbar, weil sie nicht ausreichend Deutsch sprechen. Hinzu kommt die mangelnde berufliche Qualifikation. Laut der Wiener AMS-Chefin, Petra Draxl, kann man derzeit Menschen, die keinen höheren Bildungsabschluss als jenen der Pflichtschule haben, kaum noch einen Job vermitteln.
Davon sind Ausländer überdurchschnittlich stark betroffen. 70 Prozent der Ausländer haben nur eine Pflichtschulausbildung. Wesentlich besser sieht die Situation bei den arbeitslosen Inländern aus. Hier liegt der Anteil jener, die nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen, bei 40 Prozent.
Das Thema „arbeitslose Ausländer“ ist in Österreich für die Regierungsspitze ein Tabu. Am Montag gab es zahlreiche Aussendungen von Vertretern der Regierungsparteien und den Sozialpartnern zum Arbeitsmarkt. Sie gingen aber nicht oder nur am Rand auf die Integrationsproblematik ein.
SPÖ und ÖVP überlassen diesen Bereich lieber der Freiheitlichen Partei (FPÖ), die sich für radikale Lösungen ausspricht. FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl verlangte am Montag „eine sektorale Schließung des österreichischen Arbeitsmarktes für Nicht-EU-Bürger und EU-Bürger“. Dazu könne man sich auch dem EU-Recht widersetzen, meint Kickl. Die FPÖ behauptet, dass die Österreicher doppelt „draufzahlen: Sie werden vom heimischen Arbeitsmarkt verdrängt und müssen auch noch die AMS- und Sozialleistungen für Ausländer querfinanzieren.“
Streit statt Lösungen
Anstatt eine Strategie für den österreichischen Arbeitsmarkt zu entwickeln, streiten SPÖ und ÖVP, wie man das Problem lösen kann. SPÖ-Funktionäre und Arbeiterkammer fordern zunächst mehr Geld. Damit mehr Arbeitslose einen Job finden, soll in den Wohnbau und in die Infrastruktur investiert werden. Doch damit steigen die Staatsschulden.
Zudem verlangen die Gewerkschaften die Einführung eines Bonus-Malus-Systems. Das bedeutet, dass Unternehmen, die eine bestimmte Quote an älteren Personen beschäftigen, belohnt werden. Alle Firmen, die keine oder zu wenige Ältere im Betrieb haben, sollen zur Kasse gebeten werden. Doch hier legen sich die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer quer.
Besonders dramatisch ist die Arbeitslosigkeit in Wien. Ohne Schulungsteilnehmer stieg in Wien die Zahl der Arbeitslosen um 23,9 Prozent. Auf Platz zwei im Bundesländer-Ranking liegt Niederösterreich mit einem Plus von 13,9 Prozent. In Wien wollen die Oppositionsparteien die Arbeitslosigkeit zum Wahlkampfthema machen. Im Oktober 2015 wird in Wien gewählt.
„Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit muss endlich Thema Nummer eins in der Stadtpolitik werden. Rot-Grün ist gescheitert“, sagte am Montag der Wiener ÖVP-Chef, Manfred Juraczka. Die Wiener SPÖ weist jegliche Verantwortung von sich. Hauptgrund für die steigende Arbeitslosigkeit sei der „stotternde europäische Konjunkturmotor“, kontert die Wiener SPÖ.
Dabei geht es mit der Wirtschaft in vielen EU-Ländern schon längst aufwärts. Österreich gehört jedoch wegen der mangelnden Reformen zu den Schlusslichtern.
Auf einen Blick
Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist auch im Mai wieder gestiegen: Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren um 6,9 Prozent mehr Menschen ohne Job. Damit belief sich die Zahl der Arbeitslosen inklusive Schulungsteilnehmern auf 395.518 Personen, teilte das Arbeitsmarktservice am Montag mit. Die nationale Arbeitslosenquote kletterte um
0,9 Punkte auf 8,6 Prozent.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2015)