Oh, du verkammertes Österreich

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Beispiel für das schwerfällige Kammersystem ist die Apothekerkammer. Diese lehnt mehr Wettbewerb ab. Daher sind rezeptfreie Medikamente besonders teuer.

Das österreichische Kammersystem ist besonders träge. Die Pflichtmitgliedschaft sichert den Kammern jährlich Einnahmen von einer Milliarde Euro. Trotzdem machen die gesetzlichen Interessenvertretungen ihren Mitgliedern oft das Leben schwer. Ein Beispiel dafür ist die Apothekerkammer, die von mehr Wettbewerb wenig hält. Doch zum Glück gibt es die Europäische Union. Auf Anordnung der EU muss auch Österreich den Online-Versand von rezeptfreien Medikamenten erlauben. Der Startschuss soll am 25.Juni erfolgen. Mehr Wettbewerb soll zu niedrigeren Preisen führen.

Umfragen zufolge wollten ursprünglich 65 österreichische Apotheken von den neuen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen. Doch nun ist Ernüchterung eingetreten.

Denn die Apothekerkammer tut alles, um den Internetverkauf so schwer wie möglich zu machen. Nach Beratungen mit der Kammer hat das Gesundheitsministerium besonders strenge Auflagen für den Arzneimittel-Versandhandel erteilt. Das führt dazu, dass am 25. Juni nicht sehr viele Apotheken dabei sein werden.

Derzeit läuft auch eine große Aufklärungskampagne. Dabei warnen Behörden und Apothekerkammer vor gefälschten Medikamenten aus dem Internet. Doch diese Kampagne ist einseitig. Richtig ist, dass sich im Internet viele unseriöse Medikamentenverkäufer– vor allem aus China, Indien und der Karibik– tummeln. Doch es gibt auch behördlich zugelassene Internetapotheken in Deutschland, den Niederlanden und Tschechien, die ihre Waren nach Österreich liefern. Mit diesen gibt es keine Probleme, denn für sie gelten die strengen EU-Standards.

Die österreichische Drogeriekette DM arbeitet beispielsweise mit der deutschen Versandapotheke Zur Rose zusammen. Bipa kooperiert mit der deutschen Versandapotheke mycare. Dort sind die Waren um bis zu 40 Prozent günstiger als in Österreich. Für Kunden, die sich beraten lassen wollen, gibt es eine kostenlose telefonische Hotline.


Viele Hürden. Das Vorgehen der Apothekerkammer sorgt für Kopfschütteln– auch Pia Baurek-Karlic übt Kritik. Sie ist für das Internetgeschäft der Wiener Urania-Apotheke, die ihrem Vater gehört, zuständig. Die Urania-Apotheke gehört zu den wenigen, die am 25. Juni mit dem Onlineverkauf von nicht rezeptpflichtigen Medikamenten beginnen werden. „Doch uns werden viele Steine in den Weg gelegt“, sagt Baurek-Karlic der „Presse am Sonntag“. Es sei ohnehin nicht einfach, sich gegen die billigeren Apotheken aus Tschechien und der Slowakei zu behaupten. Diese profitieren vom unternehmerfreundlicheren Klima – wie den billigeren Lohnnebenkosten und den niedrigeren Gebühren. Sie können daher Medikamente zu wesentlichen günstigeren Preisen nach Österreich liefern.

„Anstatt die österreichischen Apotheken beim Aufbau eines Versandhandels zu unterstützen, haben die Kammer und das Gesundheitsministerium viele Hürden aufgebaut“, klagt die Geschäftsführerin Baurek-Karlic. So müssen sich die Apotheken, die auch Produkte im Internet verkaufen wollen, beim Bundesamt für die Sicherheit im Gesundheitswesen registrieren. „Allein für die Registrierung fallen unverhältnismäßig hohe Kosten an, gefolgt von jährlichen Beiträgen“, kritisiert die Geschäftsführerin.

„Dann gibt es noch strenge Kontrollen mit teilweise nicht nachvollziehbaren Vorschriften.“ Im Gegensatz zu den ausländischen Konkurrenten dürfen die österreichischen Onlineapotheken keine Werbung machen. Um bei Internet-Suchmaschinen wie Google auf der ersten Seite zu erscheinen, müssen Onlineshops ihre Produkte in einer klaren und einfachen Sprache beschreiben. „Doch das geht bei den österreichischen Regeln schwer. Und wer bei Google nicht auf der ersten Seite erscheint, hat meist schon verloren“, sagt Baurek-Karlic.

„Die Kammer versucht alles Erdenkliche, um diesen neuen Geschäftszweig innerhalb Österreichs zu verhindern, und vergisst, dass schon jetzt ein erheblicher Teil des Umsatzes ins Ausland fließt.“ In Deutschland seien nach der Liberalisierung sowohl der Versandhandel als auch der stationäre Medikamentenverkauf gestiegen. „Die österreichische Apothekerkammer gibt derzeit Unsummen für Werbung gegen den Versandhandel aus und setzt sich intensiv für noch strengere Richtlinien ein“, ärgert sich die Geschäftsführerin. Hochrangige Kammervertreter hätten bei einer Konferenz sogar erklärt, der Versand von Medikamenten sollte generell in allen Sparten verboten werden. „Diese Ansicht ist von vorgestern“, so Baurek-Karlic.


Substanzielle Preissenkungen.Dabei gibt es seit Jahren Kritik, dass in Österreich nicht rezeptpflichtige Medikamente zu teuer sind. In einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) heißt es: „Eine Deregulierung der Spannen und ein weitgehender Wegfall der Apothekenpflicht für nicht rezeptpflichtige Medikamente könnten den Preiswettbewerb deutlich beleben.“ Bei einer Änderung seien „substanzielle Preissenkungen“ ohne Qualitätsverlust zu erwarten. Auch Seniorenvertreter fordern, dass in Österreich rezeptfreie Medikamente in geprüften Drogerien verkauft werden dürfen. In anderen europäischen Ländern ist das längst der Fall. Die Drogeriekette DM bietet in ihren ungarischen und kroatischen Filialen auch Medikamente an. „Wir möchten das auch in Österreich tun“, sagt ein DM-Sprecher. Weil das nicht möglich sei, weichen österreichische DM-Kunden auf eine deutsche Online-Apotheke aus.

Der Präsident der Apothekerkammer, Max Wellan, meint zur Diskussion: „Im Internet ist das größte Problem die hohe Rate der Arzneimittelfälschungen. Um den Fernabsatz von rezeptfreien Medikamenten im Internet sicher gestalten zu können, braucht auch der Onlineversand klare Regelungen. Diese dienen dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2015)

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