Technologie: Kapsch muss sich neu erfinden

Georg Kapsch
Georg Kapsch(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Firma Kapsch Traffic Com verpasst sich bis 2020 eine neue Strategie. Geleitet wird das Unternehmen von Georg Kapsch – Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung.

Wien. Die Firma Kapsch ist aus der österreichischen Wirtschafts- und Industriegeschichte nicht wegzudenken. Gegründet wurde das Unternehmen 1892. Damals stellte es Morse- und Telegrafenapparate her. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig ist so starken Veränderungen unterworfen wie die Telekombranche. Um angesichts der technischen Revolutionen bestehen zu können, musste sich Kapsch in der Firmengeschichte immer wieder komplett neu orientieren.

Zunächst wurden Radio- und Fernsehapparate produziert. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Kapsch mit der österreichischen Post maßgeblich am Wiederaufbau des Telefonnetzes beteiligt. 1955 brachte die Firma das erste Schwarz-Weiß-Fernsehgerät in Österreich auf den Markt. Alle zehn bis fünfzehn Jahre müsse sich ein Unternehmen wie Kapsch neu erfinden, sagte Firmenchef Georg Kapsch – er ist auch Präsident der Industriellenvereinigung– am Dienstag vor Journalisten. Nun ist es wieder so weit.

Wohin die Reise für die an der Wiener Börse notierte Kapsch Traffic Com gehen wird, hat Georg Kapsch am Dienstag gezeigt, als er die „Strategie 2020“ präsentiert hat.

Derzeit ist das Unternehmen mit 3500 Mitarbeitern in 33 Ländern vertreten. Im Geschäftsjahr 2014/15 ging der Umsatz um sechs Prozent auf 456,4 Millionen Euro zurück. Der Jahresüberschuss kletterte von 2,9 Millionen Euro auf 11,4 Millionen Euro. Die Aktionäre können sich über eine Dividende von 50 Cent pro Aktie freuen.

Von Autobahnen in die Städte

Gegenwärtig ist die Firma vorwiegend auf Mautsysteme spezialisiert. Doch das internationale Mautgeschäft blieb zuletzt hinter den Erwartungen. Georg Kapsch vermutet, dass die Politiker in vielen Ländern zu feige seien, auf ein nutzerfinanziertes System umzustellen. Es sei einfacher, eine Maut-Vignette einzuführen – und alle zahlen den gleichen Betrag, egal wie oft sie die Autobahn benutzen.

Eine kilometerabhängige Maut wäre dagegen laut Kapsch viel gerechter. Auch eine Verrechnung über die Mineralölsteuer erreiche nicht jene Fahrer, die nur durch Österreich fahren, ohne hier zu tanken. Nun ist Kapsch wie schon oft in der Firmengeschichte dabei, das Geschäftsmodell an die neuen Gegebenheiten anzupassen und Neues zu entwickeln. „Wir sehen ein Zusammenwachsen von Maut und Mobilitätslösungen und von Autobahnen und Städten“, so Georg Kapsch. Neben dem Mautgeschäft soll ein neuer Geschäftsbereich namens Intelligent Mobility Solutions (IMS) aufgebaut werden. Darunter versteht man Mobilitätssysteme für Städte. Derzeit ersticken viele Innenstädte im Verkehr. Trotzdem drehen die Autofahrer endlose Runden, um einen Parkplatz zu finden.

Auch in Wien entfallen 40 Prozent des innerstädtischen Verkehrs auf die Parkplatzsuche, sagt Kapsch. Doch nur Verkehrsbeschränkungen mit 30-km/h-Zonen und Fahrradwege zu errichten seien kein Verkehrskonzept.

Kapsch will den Städten künftig intelligente Mobilitätssysteme anbieten. Dort fließen alle Informationen über das Verkehrsgeschehen in Echtzeit zusammen. Wenn jemand beispielsweise auf der Autobahn nach Wien fährt, soll er künftig mittels Smartphone-App erfahren, wie er auf dem kürzesten Weg zum gewünschten Zielort gelangt. Das System kann empfehlen, das Auto in einem bestimmten Bezirk zu parken und mit der U-Bahn ins Zentrum zu fahren. Kapsc Traffic Com hat in den USA das Start-up Streetline gekauft. Dieses bietet in Boston, Los Angeles und Indianapolis Smart-Parking-Lösungen an.

Dazu werden in den Bodenmarkierungen von Parkplätzen Sensoren eingebracht. Über Smartphone-Apps erfahren Autofahrer, wo gerade ein Parkplatz frei ist. Über das System können für die Kommunen auch die Parkgebühren eingehoben werden.

Kapsch ist davon überzeugt, dass die Zukunft in intelligenten Mobilitätssystemen für Städten liegt. Denn derzeit leben schon 50Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Vor allem große Metropolen in Südostasien ersticken im Verkehr. Kapsch hofft, dass bis zum Jahr 2020 rund 40 Prozent des Umsatzes auf den neuen Geschäftszweig entfallen. Gehen die Pläne auf, soll der Umsatz bis dahin auf 800 Millionen Euro oder 900 Millionen Euro steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2015)

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