Lohnrunden: „Kein Grund für Zurückhaltung“

Karl Proyer
Karl Proyer(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Für die Gewerkschaft ist klar, dass die Entlastungen durch die Steuerreform kein Grund für eine niedrige Lohnrunde sind. Mit seinen Andeutungen in diese Richtung sorgt AK-Chef Muhm allerdings für Lob von der Wirtschaft.

Wien. Offen will niemand den mächtigen Arbeiterkammer-Direktor kritisieren. Gilt Werner Muhm doch als das „sozialistische Gewissen“ und als einer der einflussreichsten Einflüsterer von Bundeskanzler Werner Faymann. Hinter vorgehaltener Hand aber und ohne namentliche Nennung meint ein hochrangiges SPÖ-Mitglied: „Ganz bei sich war er da nicht. Hilfreich war das nicht.“

Mit „das“ ist ein Interview in der „Presse“ (Freitagausgabe) gemeint, in dem Muhm die Steuerreform mit den bevorstehenden Lohnverhandlungen verknüpft und auf die hohe Inflationsrate in Österreich im Vergleich zu Europa verweist. Ob er damit für Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen plädiere? Muhm: „Nein, die Arbeitnehmer haben natürlich einen Anspruch auf steigende Realeinkommen. Aber wir haben diesmal auch eine Lohnsteuersenkung, die de facto wie zwei Lohnrunden wirkt.“

„Die Steuerreform hat genau gar nichts mit den Kollektivvertragsverhandlungen zu tun“, meint dazu Karl Proyer, stellvertretender Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und Chefverhandler der Arbeitnehmervertreter, im Gespräch mit der „Presse“. Und stellt gleich auch klar: „Es gibt im Herbst (wenn die Lohnverhandlungen beginnen, Anm.) überhaupt keinen Grund für Zurückhaltung.“

„Keine Zurückhaltung bei Boni“

Wegen Entlastungen durch eine Steuerreform müsse man sich nicht mit einer kleiner ausfallenden Lohnrunde zufriedengeben. „Die letzte Lohnsteuerentlastung 2009 hatte auch keinen Einfluss auf den Abschluss, und damals war die wirtschaftliche Lage schwierig.“ Ob sie derzeit nicht schwierig sei? „Ich hätte nicht gesehen, dass die Unternehmen Zurückhaltung bei der Auszahlung von Boni gezeigt hätten“, so Proyer.

Bei den Verhandlungen zu den Kollektivverträgen (KV) gehe es neben der Inflation auch um die wirtschaftliche Situation der Unternehmen. Und gerade in der Metallindustrie, mit der die Lohnverhandlungen im Herbst traditionell beginnen, habe man sich Dividenden in Höhe von zwei Milliarden Euro auszahlen lassen. „Da soll es einen Anlass für Zurückhaltung seitens der Arbeitnehmer geben?“

Insgesamt verhandle man 175 Kollektivverträge und orientiere sich dafür an der Benya-Formel (die Höhe der Lohnerhöhung ergibt sich aus der Abgeltung der Inflation und dem halben Wert des Produktivitätszuwachses). „Eine Steuerreform kommt hier nirgends vor.“ Zu den Aussagen Muhms meint er, es gebe „vor den Lohnverhandlungen immer wieder Zwischenrufe von verschiedenen Seiten“. Zur Frage, ob dieser Zwischenruf von dieser Seite nicht verwunderlich sei, antwortete der GPA-Funktionär: „Das will ich nicht kommentieren.“ Und: „Sein Beitrag ist für uns ohne Bedeutung,“

Für die Wirtschaft dagegen ist er erfreulich: „Über solche Aussagen von Direktor Muhm freue ich mich“, meint Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung. Es sei generell positiv, dass Arbeitnehmervertreter wieder verstärkt die Industriepolitik im Auge hätten, weil sie wichtig für den Standort sei. Es sei aber fatal, jetzt eine Arbeitszeitverkürzung zu trommeln. „Es wäre schön, würde man auch hier Verantwortungsbewusstsein zeigen“, so Neumayer.

Die Arbeitskosten in Österreich seien seit 2008 um 21 Prozent gestiegen, das sei eine gefährliche Entwicklung. Er wünsche sich in den künftigen Lohnverhandlungen „mehr Sachpolitik und weniger Ideologie“. Er, Neumayer, würde sich „sehr freuen“, würde er ähnliche Aussagen wie von Muhm auch von den Lohnverhandlern hören.

Das dürfte nicht passieren. ÖGB-Vorstandsmitglied Bernhard Achitz meint über die Steuerreform und die KV-Verhandlungen: „Wir werden sicher nicht die Erfolge der Steuerreform, dass nämlich die Menschen mehr Geld für den Konsum haben und damit die Wirtschaft ankurbeln, durch niedrige Lohnrunden zunichtemachen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2015)

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