Die Katholische Kirche produziert nicht nur Seelenheil

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Wien, Stephansdom,(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
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Sitzen Österreichs Stifte auf riesigen Pfründen? Die Kirche geht in die Offensive − und präsentiert sich als wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Wien. Geld und Glaube: Wenn sich diese Sphären kreuzen, wird es seit jeher heikel. Gebotene Armut und realer Reichtum der Kirche scheinen oft nicht zusammenzupassen. Der Klerus lässt sich in wirtschaftlichen Fragen nicht in die Karten blicken – sei es, weil er nicht will, sei es, weil er über seinen ökonomischen Status selbst wenig weiß. Die Intransparenz lässt profane Bürger murren und munkeln. Sitzen Österreichs Stifte auf riesigen Pfründen? Sind ihre Vermögen schlecht genutzt? Oder werfen sie im Gegenteil unchristlich viel Gewinn ab? Und zahlen die Hirten dafür womöglich kaum Steuern?

Die katholische Kirche in Österreich geht nun in die Offensive. Sie hat bei IHS und Joanneum Research eine große Studie über die ökonomischen Effekte ihrer monetär bewertbaren Leistungen in Auftrag gegeben, an der ein Team von sechs Autoren zwei Jahre lang gearbeitet hat. Kein leichtes Unterfangen. Denn die Kirche ist ja kein Konzern mit konsolidierter Bilanz, sondern ein verwirrendes Konglomerat aus Pfarren, Diözesen, Stiften und Vereinen wie der Caritas. Aber erstmals standen nun alle Bücher offen, und damit hat die Arbeit Pioniercharakter. Die Aussage: Auch wenn das Seelenheil der Schäfchen ihre eigentliche Aufgabe ist, erfüllt die Kirche daneben handfeste volkswirtschaftliche Funktionen – und erfolgreich genug, dass sie ihre Zahlen nicht verstecken muss.

Wer sich aber von dem 200-Seiten-Werk „Wirtschaftsfaktor Kirche“ Einblicke ins Vermögen erhofft, wird enttäuscht. Vermögen sei für den Ökonomen auch wenig relevant, erklärt Koautor Alexander Schnabl vom IHS. Entscheidend sei, wie es im Wirtschaftsprozess eingesetzt wird. Eine griffige Entwarnung liefert die Studie für den Steuerzahler: Die öffentliche Hand kauft bei der Kirche Leistungen – indem sie Lehrer an katholischen Schulen, die Caritas oder Hospize finanziert. Dazu kommen Zuschüsse, etwa zur Denkmalpflege, und Steuerbegünstigungen, etwa beim Kirchenbeitrag (übrigens: Die oft monierten Befreiungen bei der Grundsteuer umfassen nur Gotteshäuser und Pfarrhöfe).

In Summe steckt der Staat 3,48 Mrd. Euro in den Sektor – und bekommt fast gleich viel, nämlich 3,35 Mrd. Euro, wieder zurück, durch Steuern und Sozialabgaben, die mit kirchlichen Aktivitäten in Zusammenhang stehen. Der Nettozuschuss von 130Mio. Euro sei ein kleiner Obolus angesichts von zehntausenden Kindern, Schülern, Kranken und Pflegefällen, um die sich die Kirche kümmert. Dieses Fazit geht freilich implizit davon aus, dass die Kirche diese Tätigkeiten zumindest gleich gut erfüllt wie Private oder der Staat. Vielfach ist das plausibel: Die Ausbildung in katholischen Privatschulen gilt als besonders gut. Das explizite Motiv der Nächstenliebe verspricht besondere Empathie bei der Betreuung von Kranken und Pflegefällen. Auf der Gegenseite stehen etwa häufigere Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen. Die Forscher verschweigen diesen Aspekt nicht, lassen sich aber auf eine „im Prinzip mögliche“ monetäre Bewertung nicht ein. Denn diese wäre wegen der hohen Dunkelziffer zu ungenau und drohte, die Leiderfahrung, die sie in Behandlungskosten und Verdienstentgang ummünzt, zu „banalisieren“.

Vom Firmanzug bis zum Stiftskeller

Schwieriger fällt die volkswirtschaftliche Antwort: Wie viel gesellschaftlichen „Gewinn“ wirft die Tätigkeit der Kirche ab? Als Bruttowertschöpfung errechnen die Forscher 6,7 Mrd. Euro, hinter denen 123.000 Arbeitsplätze in Vollzeitäquivalenten stehen. Dabei vergessen sie auch kleine, implizite Konjunkturschübe nicht: das Geschenk bei der Firmung, das Kleid für die Erstkommunion, das Gelage im Gasthaus nach der Taufe (nicht eingerechnet sind aber Hochzeiten, Weihnachten und Ostern – diese Feste würden wohl auch ohne Kirche gefeiert). Für Klöster zahlen Touristen Eintritt, und danach stärken sie sich im Stiftskeller. Vor allem aber denkt der „doppelte Laie“ an Erträge aus kirchlichem Kapital: Forste, Felder, Weinberge, Brauereien und Fabriken. Aber gerade in diesem Bereich fällt die Wertschöpfung mit 214Mio. Euro überraschend gering aus. Über drei Viertel kommen aus den Sektoren Gesundheit, Soziales und Bildung. Also typischerweise Nonprofitbereiche, in denen die Wertschöpfung im Wesentlichen aus den Gehältern besteht. Dennoch ergibt sich, wenn man Kosten und Nutzen aller kirchlichen Tätigkeiten für die Gesellschaft gegenüberstellt, ein klarer „Gewinn“ von 2,6 Mrd. Euro. Woher aber kommt er?

0,6 Mrd. Euro stammen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit, die hier erstmals (über Onlinebefragungen in den Pfarren) erfasst wurde. Sie hat einen Nutzen, ohne zu kosten. Ein kleinerer Teil sind die Erträge der gewinnorientierten Wirtschaftsbetriebe. Der größte Teil aber, klärt Schnabl im Gespräch mit der „Presse“ auf, sind die Multiplikatoreffekte: Was ein Lehrer an der katholischen Schule oder eine Krankenschwester im katholischen Spital verdient, fließt großteils in den Konsum und steigert so die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Offen bleibt die Frage, ob andere diese Leistungen womöglich sparsamer oder ertragreicher erstellen könnten. Oft hört man, die Kirche verstehe sich besonders gut auf das Bewahren und Vermehren von Geld. Aber am Ende steht auch hier nicht Wissen, sondern Glaube.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2015)

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