Herr Schelling und das Gesetz der Schwerkraft

Griechenland kostet die Steuerzahler wenig – und die Erde ist eine Scheibe!

Griechenland steht vor der Staatspleite, aber die österreichischen Steuerzahler können das ganz easy sehen: Sie zahlen „keinen Cent“, wie der selbst ernannte Tsipras-Berater, Theodoros Paraskevopoulos, neulich in einer TV-Diskussion meinte, beziehungsweise nicht allzu viel, wie der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling vorgestern zu Protokoll gab.

Der Großteil der knapp neun Mrd. Euro, die Österreich dort im Feuer hat, bestehe ja nicht aus Krediten, sondern aus Haftungen für Rettungskredite. Und um solche braucht man sich, wie man am Beispiel Hypo/Heta so schön sehen kann, nicht sonderlich zu scheren. Die sind ja bekanntlich nur so dahingesagt und mit keinerlei Verpflichtungen verbunden.

Danke für die aufmunternden Worte, meine Herren, aber pflanzen können wir uns selbst. Dazu brauchen wir keine Politiker und Ökonomen. Fakt ist, dass für Österreich im Fall eines griechischen Staatsbankrotts bis zu neun Mrd. Euro auf dem Spiel stehen, davon 1,6 Mrd. Euro direkt. Darin ist der Österreich-Anteil an den rund 90 Mrd. Euro ELA-Notkrediten, mit denen die EZB in den vergangenen Monaten die Kapitalflucht der Griechen finanziert hat (sonst wären die griechischen Banken nämlich schon vor Wochen zusammengebrochen) noch gar nicht voll enthalten.

Dieses Geld ist bereits verbraten, also weg. Im Fall einer (bei einem Grexit wohl unausweichlichen) Staatspleite wäre die Frage nicht mehr, ob wir das bezahlen, sondern wie man das verbucht (besser gesagt: versteckt). Natürlich kann man dann so tun, als wären Kredite, die 2020 oder zu St. Nimmerlein fällig werden, weiter werthaltig. Wir werden das aber so oder so begleichen, auch wenn man das in den Budgets dank kreativer Buchhaltung nicht so offenkundig sehen wird.

Dass es keinen Free Lunch gibt, sondern am Ende der Feier irgendjemand die Rechnung präsentiert bekommt, ist unterdessen wirklich eine Art ökonomisches Naturgesetz. Man kann versuchen, Naturgesetze, etwa die Schwerkraft, per Dekret außer Kraft zu setzen. Aber man sollte sich nicht wundern, wenn man beim Ausprobieren der Wirkung furchtbar auf die Nase fällt.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2015)

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