Konjunktur: „Das Vertrauen ist am Tiefpunkt angelangt“

PRAeSENTATION 'WIRTSCHAFTSBERICHT OeSTERREICH 2015': SCHELLING
PRAeSENTATION 'WIRTSCHAFTSBERICHT OeSTERREICH 2015': SCHELLING(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Der „Wirtschaftsbericht Österreich 2015“ fällt zaghaft optimistisch aus. Größte Wachstumsbremse ist das fehlende Vertrauen.

Wien. Er zählt schon zur politischen Folklore. Jedes Jahr zu Sommerbeginn präsentiert die Regierung den „Wirtschaftsbericht Österreich“. Dass er heuer terminlich mit den Turbulenzen in Griechenland zusammenfällt, tut der guten Stimmung, die dabei verbreitet werden soll, keinen Abbruch.

Im Gegenteil. Da bekommen Sätze, wie jener von Bundeskanzler Werner Faymann, plötzlich einen ganz anderen Klang. „Wir sind ein Land mit hoher Lebensqualität“, sagt er. Und das sei keine „Selbstverständlichkeit“. Aber die sozialen Gräben und Probleme gibt es auch in Österreich. Faymann spricht etwa die PISA-Tests in den Schulen an. Dabei habe sich gezeigt, dass Bildung vor allem vom sozialen Background abhängig ist. Und diese sozialen Unterschiede gibt es „unabhängig vom Migrationhintergrund“. Die Antwort darauf ist für den SPÖ-Chef ein „flächendeckendes ganztägiges Bildungssystem“. Damit nicht nur jene weiterkommen, deren Eltern sich einen Nachhilfelehrer leisten können.

Nachhilfe könnte die Regierung benötigen, wenn es darum geht, die Steuerreform besser zu vermarkten, meint Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Man müsse sich „selbst an der Nase nehmen“. Die Entlastung der Lohneinkommen in Höhe von fünf Milliarden Euro sei in der öffentlichen Diskussion fast untergegangen. Für die Zukunft dieses Landes seien nämlich nicht „Detailfragen“ wie etwa die Registrierkassen entscheidend, sondern dass die Menschen mehr Geld auf dem Konto haben.

(c) Die Presse

„Ich bin der Investor der Bundesregierung“, sagte Infrastrukturminister Alois Stöger (SPÖ) Er erziele die „höchste Rendite“. Keine Kapitalrendite, sondern eine „gesellschaftliche Rendite“. Etwa wenn pro Jahr vier Milliarden Euro in Schiene, Straße, Breitband und Technologie investiert werden. „Der Staat ist ein strategischer Investor“, meint er und erinnert an die Wiener Hochquellwasserleitung, die nie gebaut worden wäre, wenn es nur um kurzfristige Gewinne gegangen wäre. Er lasse sich den Staat „nicht schlechtreden“.

Das tut auch Wirtschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nicht. Österreich habe die Forschungsprämie von zehn auf zwölf Prozent erhöht, betont er. Allerdings will Mitterlehner „den Staat zurückführen auf das Notwendigste“. Die Staatsquote in Österreich liege bei 52 Prozent, in Deutschland sind es 44, in der Schweiz gar nur 34 Prozent.

Dass das Wachstum in Österreich jenem in anderen Volkswirtschaften hinterherhinkt, sei auf eine Vertrauenskrise zurückzuführen, meint Mitterlehner. „Das Vertrauen ist am Tiefpunkt angelangt.“ Als Ursachen nennt er den Hypo-Skandal, die Schuldendebatte, aber auch die Flüchtlingsproblematik. Es herrsche „eher eine depressive Stimmung in Österreich, selbst bei den Sommerfesten“.

Österreich müsse wieder eine Gründermentalität entwickeln. Dazu gehöre auch mehr Mut zum Risiko und weniger „tatenlos jammern“. (gh)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2015)

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