„Die Versicherungen werden zu Tode reguliert“

(c) Stanislav Jenis
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Der Versicherungswirtschaft machen nicht nur niedrige Zinsen, sondern auch überzogene Regulierungen schwer zu schaffen, meinen die beiden VAV-Vorstände Norbert Griesmayr und Sven Rabe.

Die Presse: Die niedrigen Zinsen machen nicht nur Privatanlegern das Leben schwer. Wie reagiert denn die Versicherungswirtschaft auf die neuen Rahmenbedingungen?

Norbert Griesmayr: Für uns ist das eine echte Herausforderung, weil sich die Rahmenbedingungen so gravierend und beschleunigend verändert haben. Es gibt zwei Eckpunkte: die Niedrigzinsphase, die an den Veranlagungserträgen knabbert, und die enorme Regulierung. Das erfordert einen enormen Reportingaufwand. Bei uns ist jede Führungskraft zu 20 bis 30Prozent mit Reporting beschäftigt.

Damit werden Sie aber wohl längere Zeit leben müssen, oder?

Griesmayr: Ja, sowohl die Regulierung als auch die Niedrigzinsen sind politisch gewollt. Diese Entwicklung hat sich seit 2008 deutlich beschleunigt. Im Endeffekt führt das zu steigenden Kosten für die Endverbraucher. Das Motiv dahinter ist zweifellos, dass die Zinsen als Vehikel zur Entschuldung von Staaten und für die Vermeidung von Reformen verwendet werden. Österreich und Deutschland können sich jetzt praktisch zu Nullzinsen weiterverschulden. Das ist für die Politik viel leichter, als bei Reformen einzusparen.

Sven Rabe: Die Branche wird gedrängt, in niedrig verzinste Bereiche zu gehen, weil Staatsanleihen offiziell kein Risiko sind. Wir werden so zur Staatsfinanzierung gezwungen.

Griesmayr: Gezwungen ist vielleicht zu hart formuliert, aber wir werden dadurch, dass Staatsanleihen nicht unterlegt werden müssen, in diese Richtung gedrängt.

Wie groß ist denn der Anteil an Staatsanleihen in Ihrem Portfolio?

Rabe: Wir haben zehn bis 15Prozent Kerneuropa-Staatsanleihen. Der Aktienanteil ist bei uns auf Branchenniveau, also deutlich unter fünf Prozent.

Wenn die Inflation niedrig ist, lassen sich niedrige Zinsen in der Veranlagung ja wieder einigermaßen ausgleichen, nicht?

Rabe: Das stimmt nicht ganz, weil die Schadensinflation größer ist als die Verbraucherpreissteigerung. Das können wir nicht mehr finanzieren, ohne in mehr Risiko zu gehen oder die Prämien zu erhöhen.

Da kann man dann aber wenig gegen strenge Regularien sagen, die ein zu großes Risiko verhindern.

Griesmayr: Grundsätzlich sind Regularien nichts Schlechtes, aber wir haben hier eindeutig einen Overkill. Versicherungen hatten ja während der ganzen Krise, speziell in Österreich, nie Schieflagen.

Rabe: Der Aktionismus geht sogar so weit, dass man keinen Unterschied zwischen Banken und Versicherungen macht. Da hat man nach 2008 gefragt, wer hat etwas mit Finanzen zu tun – und dann alle über einen Kamm geschoren. Dabei gibt es einen enormen Unterschied zwischen Banken und Versicherungen: Wir haben keine Fristentransformation. Und wir haben unsere Risikogrenzen nie ausgeschöpft.

Die von Ihnen beklagten Regularien treffen aber die gesamte Branche, von einer Wettbewerbsverzerrung kann also keine Rede sein, oder?

Griesmayr: Regularien an sich sind nicht das Problem, die hat es immer gegeben. Aber wenn sie so intensiv werden, dann benachteiligen sie kleine Volkswirtschaften. Wir haben hier in Österreich keine großen Versicherungskonzerne, müssen aber die gleichen Anforderungen erfüllen wie Unternehmen, die zwanzigmal größer sind. Wenn österreichische Unternehmen dadurch tendenziell niedrigere Margen haben, dann werden sie schnell zu Übernahmeopfern. So harmlos ist das also nicht.

Wie wirkt sich denn das auf die Prämien aus?

Griesmayr: Ich würde sagen, in den Prämien sind schon zwei bis drei Prozent an Kosten für die Regularien enthalten. Der Aufwand dafür hat sich in den letzten Jahren verdreifacht.

Rabe: Durch die überzogenen Regularien entstehen auch Fehlallokationen in der Veranlagung.

Wie preissensibel sind denn die Konsumenten bei den Prämien? Die Unterschiede sind da ja teilweise sehr groß.

Griesmayr: Das hängt von der Art der Kundenbetreuung ab. Onlineportale machen die Leute natürlich sehr viel sensibler. Bei der Autoversicherung gibt es einen sehr harten Preiskampf über die Prämien. Bei komplexeren Produkten, bei denen die Vergleichbarkeit nicht so gegeben ist, weniger.

ZUR PERSON

Norbert Griesmayr (58) ist Vorstandschef der VAV-Versicherung. Griesmayr führt die VAV Versicherung seit mehr als 15 Jahren, seit 2005 ist er auch Mitglied des Executive Committees der VHV Gruppe in Hannover.

Sven Rabe (43) ist im Vorstand der VAV Versicherung und dort unter anderem für den Bereich Finanzen zuständig. Die VAV Versicherung ist eine Tochter der deutschen VHV-Versicherung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2015)

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