U-Ausschuss: Blick ins Kärntner Marionettentheater

HYPO-U-AUSSCHUSS: SITZUNGSSAAL
HYPO-U-AUSSCHUSS: SITZUNGSSAALAPA/GEORG HOCHMUTH
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Der parlamentarische Hypo-Untersuchungsausschuss hat bisher gezeigt, wie wenig Expertenwidersprüche im System mit Landeshauptmann Jörg Haider als Strippenzieher erwünscht waren.

Sie hat bisher alle 23 Sitzungen und mehr als 190 Stunden des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Kärntner Hypo Alpe Adria mitgemacht. Unmittelbar nach der jetzigen sommerlichen Pause nach der Befragung von 43 Zeugen wird es im Ausschuss, in dem seit dem Frühjahr insgesamt rund 1800 Kapseln Kaffee, 15.000 Mininaschereien und 1500 Stück Obst zur Stärkung konsumiert wurden, ein ganz anderes Bild geben: Doris Bures (SPÖ), die aufgrund der neuen Spielregeln für derartige U-Ausschüsse als Nationalratspräsidentin den Vorsitz innehat, wird am 2.September noch bei einer Auslandsreise in New York sein und sich erstmals vom Zweiten Präsidenten, Karlheinz Kopf (ÖVP), im Ausschuss vertreten lassen.

Am 3. September wird sie dann wieder selbst den Vorsitzsessel im U-Ausschuss im Budgetsaal des Hohen Hauses einnehmen. Premieren hat es bei diesem Hypo-Ausschuss im Parlament seit dem heurigen Frühjahr schon einige gegeben. Denn es ist die erste Untersuchung, die nach den 2014 beschlossenen neuen Verfahrensregeln abläuft. Allein die Dimension der Causa– es wurden schon mehr als eine Million Seiten zum Aufstieg und Niedergang der Kärntner Bank aufbereitet– bringt die Mitarbeiter und die Fraktionen im Hohen Haus an den Rand der Belastungsgrenze.

Lohnt sich dieser enorme Aufwand? Schließlich haben schon Justiz, Rechnungshof und die eigens eingesetzte Kommission unter der früheren Höchstgerichtspräsidentin Irmgard Griss untersucht, wie es zu dem für die Steuerzahler teuren Desaster einer früheren Regionalbank kommen konnte.


Sittenbild. Mit dem Auftritt des früheren Kärntner Hypo-Chefs Wolfgang Kulterer am vergangenen Donnerstag wurde das Scheinwerferlicht bei der parlamentarischen Untersuchung noch einmal ganz auf die Vorgänge in Klagenfurt gerichtet. Seit der Befragung der ersten Zeugin am 8. April stand vorerst im Zentrum, wie es in der Bank und in der Landespolitik binnen weniger Jahre ab 2003 zum Hinaufschnellen der Haftungen von 8,4 auf gut 24Milliarden Euro und zu dem Finanzdebakel kommen konnte. Das Gesamtbild in dem Drama um Macht und Milliarden, das Prüfer, Finanzaufsicht und Landesholding zeichnen, die die Vorgänge um die Hypo Alpe Adria hautnah mitverfolgen konnten, fällt schockierend-desaströs aus. Dazu gehörten unverblümte Zurechtweisungen von Landesseite bis hin zum damals amtierenden im Oktober 2008 verunglückten blauen und dann ab 2005 orangen Landeshauptmann Jörg Haider. So schilderte der ehemalige Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA), Heinrich Traumüller, er habe sich stark unter Druck gesetzt gefühlt. Nach Interventionen Haiders und der Bank habe Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser ein Absetzungsverfahren gegen FMA-Vorstände eingeleitet.

Die langen Sitzungsstunden im Ausschuss förderten auch zutage beziehungsweise bestätigten den Eindruck, dass kritische Blicke oder gar Warnungen wegen der Geschäfte und Vorgänge bei der Hypo Alpe Adria offenkundig gar nicht gern gesehen waren. Widerspruch gegen Haider sei wie Majestätsbeleidigung gewesen, erinnerte sich Reinhard Zechner, Exvorstand der Landesholding.

Die Zeugenaussagen lieferten einen ernüchternden Einblick in die politisch-wirtschaftliche Welt am Wörthersee. Manche Aussagen über Vorgänge in Klagenfurt lassen Zuhörer und Steuerzahler verärgert und fassungslos zurück. So waren etwa laut Ex-Landesholdingchef Hans-Jörg Megymorez im Aufsichtsrat der Landesholding als Eigentümervertreter die horrenden Haftungssummen des Landes überhaupt nie Thema gewesen.


Schwarzer Peter. Die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP auf Bundesebene waren und sind bemüht, der FPÖ und Haider die Verantwortung dafür zuzuweisen, dass ganz Österreich mit Milliarden für das Abenteuer Hypo geradestehen muss. Der eine oder andere Zeuge versuchte, dieses Bild zu übermalen und den verantwortlichen Kärntner blauen und orangen Landespolitikern nicht allein den Schwarzen Peter zuzuschieben. Dazu zählte der einstige Haider-Intimus Stefan Petzner, der bei seiner Befragung sagte: „Die Verantwortung Kärntens und Jörg Haiders steht außer Zweifel, eine Rehabilitierung ist nicht möglich. Es ist aber keine Alleinverantwortung.“ Freilich ging es bisher um die Zeit bis zur Notverstaatlichung im Dezember 2009, um die Entwicklungen auf Bundesebene geht es nach der Sommerpause.

Noch bevor am 8. April eine frühere Hypo-Staatskommissärin als erste Zeugin befragt wurde, wurde die Öffentlichkeit allerdings beim Hypo-Untersuchungsausschuss mit langwierigen Auseinandersetzungen um die Spielregeln auf die Folter gespannt. Für an Aufklärung Interessierte waren Konflikte um geschwärzte Akten und die enden wollende Bereitschaft mancher (öffentlicher) Stellen, Unterlagen herauszurücken, nervig. Im Juni sprach dann der Verfassungsgerichtshof das Urteil, Akten seien ungeschwärzt vorzulegen.

Das war dem Umstand geschuldet, dass der Hypo-Ausschuss eine Premiere darstellt. Um zu verhindern, dass Auskunftspersonen nicht wie Täter im Ausschuss behandelt werden, hat es 2014 die Einigung über die Vorsitzführung durch die Nationalratspräsidentin gegeben. Ihr wurden ein Verfahrensanwalt (Bruno Binder) und ein Verfahrensrichter (Walter Pilgermaier) zur Seite gestellt.

Pilgermair war als Ex-Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck mehr an Sachlichkeit in Prozessen orientiert. Insofern waren die Scharmützel zwischen den Fraktionen und die teilweise aggressive Befragung von Zeugen („Stehe ich hier am Pranger?“, Kärntens Ex-ÖVP-Chef Josef Martinz) für ihn ein Zeichen, dass es im U-Ausschuss um eine „politische Kampfsetzung“ gehe. Dennoch bescheinigt er den Teilnehmern, sie würden nicht auf ein Verzetteln hinarbeiten. Ja, mitunter sei auch ihm „das G'impfte“ aufgegangen, wenn jemand offensichtlich schönfärbte. Der ständige Vorsitz von Bures habe dem Ausschuss gutgetan, weil so Kontinuität gesichert war.

Seit April wurde ein Sittenbild der Kärntner Politik nachgezeichnet. Ein endgültiges Urteil will sich der Verfahrensrichter, der den Entwurf für den Abschlussbericht erstellt, vorerst nicht bilden. Dazu stehen ab September noch Aussagen vieler prominenter Zeugen an. 29 Auskunftspersonen werden nun geladen, darunter Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser für den 30. September und Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel für Anfang Oktober.

Erste BILANZ

43 Auskunftspersonen wurden seit dem Start am 8. April dieses Jahres in 23 Sitzungen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Hypo Group Alpe Adria bis zum vergangenen Donnerstag befragt.

Rund 190 Stunden dauerten die bisherigen Zeugenbefragungen im U-Ausschuss.

Am 2. September2015 werden die Befragungen nach der jetzigen Sommerpause fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2015)

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