IHS: Arbeitslosigkeit im Alter hat nichts mit hohen Löhnen zu tun

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Das Senioritätsprinzip hat laut Wirtschaftsforschern des IHS keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung der Generation 50 plus. Das findet auch Anklang bei den Arbeitnehmervertretern.

Das Senioritätsprinzip ist umstritten und die Wogen gehen hoch: Der Think Tank "Agenda Austria" kritisierte vor Kurzem das in Österreich im EU-Vergleich besonders ausgeprägte Senioritätsprinzip, also eine bessere Bezahlung nach längerer Beschäftigung. Die "Agenda Austria" präsentierte einen Vorschlag, wie die Beschäftigungschancen Älterer erhöht werden könnte: indem man man das Senioritätsprinzip abschwächt und Ältere stattdessen nach ihrer Leistung bezahlt – sprich, ihre Löhne senkt. Derzeit könne das Gehalt von Älteren in Beschäftigung jedoch nur durch sogenannte "Änderungskündigungen" gesenkt werden, was die Situation wesentlich erschwert.

Die Kritik vom Gewerkschaftsbund ließ nicht lange auf sich warten: Der Think Tank fordere - wie die Industrie - Hartz-Reformen nach deutschem Vorbild, so Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB.

Perfekt ins Bild der Gewerkschaft passt jedenfalls eine Studie des neu aufgestellten Instituts für Höhere Studien (IHS), die Gegenteiliges aufzeigt. Nach der von SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer präsentierte Untersuchung habe die stark zunehmende Arbeitslosigkeit Älterer weniger mit dem Senioritätsprinzip zu tun habe, sondern mehr mit der Bevölkerungsentwicklung, da derzeit viele Beschäftigte über 50 Jahre alt seien.

"Meiste" Seniorität nur bei Angestellten

Die IHS-Experten haben die Senioritätsbestimmungen in Österreich im privaten Sektor untersucht und die 30 wichtigsten Kollektivverträge aus sieben Branchen analysiert. Demnach existieren erhebliche Unterschiede in der Ausprägung der Senioritätsregelungen nur bei Angestellten. Bei Arbeitern, die circa 70 Prozent aller älteren Arbeitslosen ausmachen, gibt es in den Kollektivverträgen nur sehr geringe Lohnsteigerungen. Deshalb könne laut Studienautoren die Arbeitslosigkeit also nicht an einer höheren Entlohnung Älterer liegen.

Im Branchenvergleich konnten die Wirtschaftsforscher jedenfalls keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Senioritätsindex und der Arbeitslosenquote Älterer feststellen. Eventuelle höhere Löhne für Ältere wirken sich demnach nicht beschäftigungsmindernd aus, schließen die IHS-Forscher. Hingegen sind Personen mit zuvor geringsten Einkommenssteigerungen am häufigsten von Arbeitslosigkeit betroffen. Im Umkehrschluss sinke nach IHS das Eintrittsrisiko Älterer in Arbeitslosigkeit mit der Höhe des Einkommens. Die Gutverdiener hätten also ein geringeres Risiko des Jobverlusts.

Schwieriger Wiedereinstieg für Ältere

Schwierig sei es hingegen für über 50-Jährige bei Jobverlust ohne finanzielle Abstriche eine neue Beschäftigung zu finden, stellen auch die IHS-Forscher fest. Bei 61 Prozent der Älteren liegt das neue Gehalt unter dem Niveau des Einkommens vor der Arbeitslosigkeit. Und die Wahrscheinlichkeit, aus der Arbeitslosigkeit heraus einen Arbeitsplatz zu finden, sinkt mit zunehmendem Alter deutlich und liegt bei männlichen Angestellten zwischen 55 und 59 Jahren nur mehr bei rund 30 Prozent.

"Das Alter selbst ist das größte Hemmnis für Wiederbeschäftigung", resümierte IHS-Experte Marcel Fink, einer der Autoren der Studie. Die Verengung der Debatte zu Arbeitsmarktproblemen Älterer auf höhere Löhne für ältere Beschäftigte sei daher nicht sinnvoll. Vielmehr spielten andere Faktoren eine Rolle, etwa die mangelnde Bereitschaft zu Weiterbildungsmaßnahmen auf Seite der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.

AK: "Ausrede der Arbeitgeber fürs Nichtstun"

Auch die Arbeiterkammer (AK) sieht durch die IHS-Studie die Ansicht, Ältere seien zu teuer und werden deshalb nicht beschäftigt, widerlegt. Nur ein geringer Teil der älteren Arbeitnehmer falle überhaupt unter ein Senioritätsprinzip. Gerade in jenen Sparten sei die Älterenarbeitslosigkeit besonders hoch, die gar kein Senioritätsprinzip kennen, etwa Gastgewerbe, Beherbergungswesen oder Baubereich. Die Kritik am Senioritätsprinzip sei nur eine "Ausrede der Arbeitgeber fürs Nichtstun", so die AK.

(APA/red.)

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