Telekom-Kapitalerhöhung: Sprengstoff für die Koalition

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Österreich kostet der Erhalt der Rechte gut eine halbe Milliarde Euro. Zieht der Staat nicht mit, verliert er seine Mitsprache.

Wien. Wenn Alejandro Plater am Freitag vom Aufsichtsrat der Telekom Austria zum neuen Konzernchef gekürt wird, kann er die bei Politikern und Managern übliche 100-Tage-Schonfrist gleich einmal vergessen. Dem Konzern steht ein heißer Sommer bevor. Es geht um die Kapitalerhöhung, die der Telekom-Mehrheitsaktionär América Móvil plant. Die Höhe – die Rede ist von bis zu 2,5 Mrd. Euro – ist zwar nicht unwesentlich, aber zweitrangig. Knackpunkt ist vielmehr, was Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), der über die ÖBIB (einst ÖIAG) die österreichischen Interessen an der Telekom vertritt, tut. Seine Entscheidung, bei der Kapitalaufstockung mitzuziehen oder nicht, könnte der Prüfstein der Koalition werden.

Schelling ist in einer Zwickmühle: Schon bei der ersten Kapitalerhöhung im Vorjahr wollte er die leeren Staatskassen schonen. Er griff dann doch in die Tasche und legte 280 Mio. Euro auf den Tisch, um den Staatsanteil von 28,4 Prozent zu erhalten. Jetzt steht Schelling vor demselben Problem – mit dem Unterschied, dass es um viel mehr Geld geht, nämlich weit über eine halbe Mrd. Euro. Schelling will aber auch die Casinos Austria zur Gänze übernehmen, was zumindest 350 Mio. Euro kostet.

Alleingang in Osteuropa

Theoretisch kann Schelling eine Kapitalerhöhung ablehnen: Der Syndikatsvertrag zwischen der ÖBIB und América Móvil räumt der Staatsholding ein Vetorecht ein. Das große Aber: Das Telekomgeschäft in Österreich und in den CEE-Ländern, wo die Telekom bereits tätig ist, sowie in zusätzlichen Märkten wie Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Rumänien, Albanien und Ukraine wird exklusiv nur so lange von der Telekom strategisch gemanagt, solange es kein Veto bei Kapitalerhöhungen gibt. Sagt Schelling Nein, würden die Mexikaner die Telekom nicht mehr als Expansionsplattform nützen, sondern Akquisitionen allein durchziehen. Was die Position der Telekom enorm schmälerte.

Dieses Szenario ist keineswegs unrealistisch: Bis morgen, Donnerstag, erwartet die serbische Regierung Absichtserklärungen für den Kauf der Telekom Srbija. Belgrad will den staatlichen Telekomkonzern privatisieren. Die Telekom wird, wie „Die Presse“ erfuhr, einen solchen Letter of Intent abgeben. „Wir kommentieren Zukäufe prinzipiell nicht“, sagt Telekom-Sprecher Peter Schiefer. Man prüfe aber immer Expansionsmöglichkeiten.

Für die Telekom, die 2011 den Einstieg versucht hat, mit einem Offert über 1,1 Mrd. Euro aber abgeblitzt ist, wäre der Zukauf eine Riesensache: Serbien strebt 2020 den EU-Beitritt an und unternimmt große Anstrengungen, die Krise hinter sich zu lassen. Die Telekom Srbija passt mit Festnetz, Mobilfunk, Internet und TV perfekt in die Konvergenz-Strategie der Telekom, die im Gegenzug ihren eigenen Mobilfunker VIP veräußern würde. Da die Telekom Srbija inzwischen auf gut 2,2 Mrd. Euro geschätzt wird, müsste die Telekom weit tiefer in die Tasche greifen als beim ersten Versuch.

„Kalte Übernahme“

Zurück zur Kapitalerhöhung, von der ein Teil in den Serbien-Deal fließen würde. Ein weiterer Brocken würde für den Plan gebraucht, eine neue Marke für alle Länder zu schaffen. Dazu müssten die bestehenden Marken (A1, Vip, Velcom, Mobiltel, Simobil) abgeschrieben werden.

Sagt Schelling Ja zur Kapitalerhöhung, aber ohne Geld der ÖBIB, reduziert sich ihr Telekom-Anteil je nach Ausmaß der Geldspritze. Diese Verwässerung bedeutet eine massive Schmälerung der Rechte, wie aus dem Syndikatsvertrag hervorgeht. Sinkt der Anteil auf bis zu 15 Prozent, verliert die ÖBIB das Recht, bei weiteren Kapitalerhöhungen mitzureden. Damit könnten die Mexikaner die Telekom „kalt übernehmen“, so ein Insider.

Haben die Österreicher nur zehn Prozent, verlieren sie auch jene Rechte, die ihnen bei einer Sperrminorität (25 Prozent plus eine Aktie) zustünden. Dazu gehört das Veto gegen „Kleinigkeiten“ wie die Auflösung bzw. Fusion der Gesellschaft. Bei unter zehn Prozent ist der Syndikatsvertrag obsolet.

Das alles bedeutet politischen Sprengstoff par excellence. Die SPÖ, seit jeher ein Feind von Privatisierungen, war schon beim Einstieg der Mexikaner nicht gerade erfreut. Im Fall einer kompletten Übernahme würde allerdings nicht nur die rote Reichshälfte auf die Barrikaden steigen. Auf die Frage, ob der Staat an wichtiger Infrastruktur Anteile halten solle, antworten auch ÖVP-Politiker mit Ja.

Auf einen Blick

Die Kapitalerhöhung bei der Telekom Austria birgt politischen Sprengstoff: Zieht der Staat nicht mit, um das Budget zu schonen, droht der Anteil Österreichs drastisch zu sinken. Laut Syndikatsvertrag verlöre Österreich damit viele Rechte, und América Móvil hätte die uneingeschränkte Macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2015)

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