Der Kampf um die Klicks: Wem gehört der Urlaub?

Tourist Industry Remains Main Source Of Earnings For Greece
Tourist Industry Remains Main Source Of Earnings For Greece(c) Bloomberg
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Onlineportale wie Checkfelix oder Booking.com machen den etablierten Reisebüros und Veranstaltern das Geschäft streitig. Sie schneiden am Umsatz mit und setzen die Anbieter mit Vertragsklauseln wie der Bestpreisklausel unter Druck.

Wenn es den großen Haupturlaub nicht gäbe, könnte der Großteil der Reisebüros zusperren. Und auch die Reiseveranstalter hätten es schwer. Denn wer bucht heutzutage noch einen Flug oder auch einen Kurztrip nach Paris oder Berlin im Reisebüro? „Je standardisierter das Produkt ist, desto mehr wird online gebucht“, sagt Tourismusberater Arnold Oberacher. Heißt: Ins Reisebüro gehen die Leute nur noch, wenn sie komplexe Wünsche haben, die nicht in Online-Suchmasken passen. Zum Beispiel einen Tauchurlaub mit Kinderbetreuung in einem Appartement mit separatem Eingang für die (Schwieger-)mutter.

Laut einer Erhebung von Gfk wird bei 42 Prozent der Reisen, die in Deutschland gebucht werden (die Datenlage in Österreich ist eher dürftig), zumindest eine Leistung (Flug, Hotel, Mietauto) im Internet gebucht. Der Anteil der Onlinebuchungen ist seit 2012 um 13 Prozent gewachsen. Nur noch ein knappes Viertel (23 Prozent) der Reisen wird im Reisebüro gebucht. In Österreich buchen laut einer Umfrage von Mindtake 46 Prozent ihre Reisen zumindest teilweise im Internet. Der Trend zu immer mehr, dafür kürzeren Urlauben spielt den Online-Portalen dabei in die Hand. Denn je kürzer der Urlaub, desto eher wird online gebucht.

Bei einem Drittel der Urlaube buchen die Deutschen das Transportmittel (vor allem Flüge) online, fast ebenso hoch ist der Anteil der Reisen, bei denen Transport und Hotel selbst getrennt online gebucht werden. Im Paket werden diese Leistungen mit einem knappen Drittel noch relativ selten gebucht – aber auch hier gibt es starkes Wachstum. Derweil spielt sich das Paket-Geschäft vor allem auf den Lastminute-Plattformen ab, die Pauschalreisen verkaufen. Aber auch die anderen Anbieter ziehen nach. „Paketbuchungen sind das nächste große Ding im Online-Reisegeschäft“, sagt etwa John Lee Saez. Chef der Metasuchmaschine Checkfelix.

Online knabbert am Umsatzkuchen

Metasuchmaschine? Kaum ein Kunde, der über Checkfelix einen Flug oder über Trivago ein Hotel sucht, ist sich dessen bewusst, dass er eine Metasuchmaschine verwendet. Oder dass es sich bei Booking.com um eine OTA (Online Travel Agency) handelt. Für den Kunden ist das auch kaum relevant, Hauptsache, er kommt schnell und billig ans Ziel.

Anders sehen das die anderen Marktteilnehmer. Denn oben genannte Unternehmen haben die Reisebranche in den letzten Jahren ziemlich aufgemischt und werden von der weniger online-affinen Konkurrenz mit großem Argwohn betrachtet – von den klassischen Reiseveranstaltern wie TUI oder Neckermann etwa, deren Online-Anteil sich laut Branchenschätzungen nur zwischen fünf und zehn Prozent bewegt. Und von den Hoteliers. Tatsache ist: Die reinen Online-Player ersetzen entweder sukzessive die Geschäftsmodelle der Offline-Spezialisten (wie es beim klassischen Reisebüro der Fall ist), oder schalten sich als Vermittlungsplattformen zwischen Anbietern und Kunden ein – und schneiden so am Umsatz mit.

Metasuchmaschinen wie Checkfelix bündeln das von den anderen Anbietern bereits online vorsortierte Angebot (agieren also noch eine Ebene darüber). Wenn sich ein Kunde für ein Angebot entschieden hat, wird er auf die Homepage des jeweiligen Anbieters weitergeleitet. Und bucht dort.

Dafür kassiert die Metasuchmaschine Provision vom Anbieter – für Klicks und erfolgte Buchungen. Auch Trivago und Tripadvisor sind solche Metasuchmaschinen (für Hotels), auch wenn Letztere sich im Gewand einer Bewertungsplattform präsentiert. Für den Kunden ist das toll. Die Plattformen schaffen Vergleichbarkeit und Transparenz. Man wähnt sich sicher, dort das beste Angebot auf dem unüberschaubaren Onlinemarkt zu finden. Die Anbieter sehen das anders. Sie fühlen sich unfair behandelt.

(c) Die Presse

Kampf um die Bestpreisklausel

Genau um das „beste Angebot“ tobt in der Branche ein heftiger Streit. Womit eine weitere Spezies der Online-Reisewelt ins Spiel kommt: die Online-Reiseagentur, kurz OTA.

Dazu gehören Booking.com, HRS oder Expedia. Diese Online-Buchungsplattformen haben mittlerweile eine so große Marktmacht, dass sie den Anbietern Konditionen diktieren können, die sich zu deren Nachteil auswirken. Vor allem für die Hotels. Aus deren Sicht wäre es das Beste, wenn die Kunden gleich auf ihrer eigenen Homepage buchen würden. Damit würden sie sich die Provision sparen, die die OTAs bei erfolgter Buchung kassieren. Das funktioniert nur in der Regel nicht, weil die Kunden nicht ohne den Umweg einer Onlineplattform zu ihnen finden. Das haben die Online-Reisevermittler bisher weidlich ausgenutzt. Booking.com hat etwa seinen Anbietern via Bestpreisklausel verboten, auf anderen Plattformen, inklusive deren eigener Homepage, einen besseren Preis anzubieten.

Unter dem Druck der Wettbewerbsbehörden diverser Länder (unter anderem Deutschland und Frankreich, das die Bestpreisklausel rechtlich verboten hat) hat Booking.com seine Geschäftsbedingungen seit 1. Juli 2015 angepasst. Jetzt dürfen die Anbieter zumindest auf anderen Plattformen bessere Konditionen anbieten, auf der eigenen Website dürfen sie Booking.com aber immer noch nicht unterbieten. Womit das Problem der Hoteliers eigentlich nicht gelöst ist.

Die Online-Plattformen sehen darin kein Problem. Schließlich kassieren auch klassische Reiseveranstalter und -büros Provision. „Es hält sich nur leider hartnäckig die Vorstellung, der Onlinevertrieb koste nichts“, sagt Michael Buller, Chef des Verbandes Internet Reisevertrieb (VIR) in Deutschland. Somit stehe diese Branche ständig im Verdacht des Schmarotzertums. „Dabei weiß jeder, der je versucht hat, Onlinemarketing zu betreiben, wie aufwendig das ist.“ Das zeige sich nicht zuletzt daran, dass alle Versuche der Hoteliers, eigene Online-Vetriebsplattformen aufzuziehen, gescheitert seien.

Der Kunde wolle letztendlich genau die Preistransparenz, die die Hoteliers mit dem Kampf gegen die Bestpreisklausel verhindern wollen. Diese würde schließlich garantieren, dass der Kunde für dasselbe Produkt auch überall denselben Preis zahlt. „Der Hotelvertrieb will keine Waffengleichheit“, sagt Buller. Dass dieser Kampf teils mit ungleichen Mitteln gefochten wird – siehe Booking.com – lässt er unkommentiert. Im Kampf um die Klicks haben die Onlineplattformen die Nase jedenfalls meilenweit vorn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

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