Hypo: Ein spektakuläres Eigentor mit Anlauf

(c) GEPA pictures/Franz Pammer
  • Drucken

Analyse. Der Pfusch beim Hypo-Sanierungsgesetz wird für die Steuerzahler besonders teuer. Eine Alternative in Form einer Heta-Insolvenz verbaut sich die Regierung durch Untätigkeit selbst.

Dass die Regierung dem Parlament verfassungswidrige Gesetzesentwürfe vorlegt und dieses die dann auch noch beschließt, hat in Österreich eine lange Tradition. Diesmal, beim gestern vom Verfassungsgericht vollständig gekippten Hypo-Sanierungsgesetz, wird diese Husch-Pfusch-Praxis aber besonders teuer. Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk (siehe Bericht) sprach aus, was allen Insidern schon lange klar ist: Der Hypo-/Heta-Karren rollt unaufhaltsam in Richtung Totalschaden für die Steuerzahler.

Den verbliebenen Haltern von Hypo-Anleihen wird jetzt jedenfalls wesentlich schwerer zu verklickern sein, wieso sie den von Finanzministerium und FMA angepeilten Haircut von voraussichtlich 50 Prozent akzeptieren sollten, wenn doch das Land Kärnten dafür voll haftet. Und den Kärntnern wird der angelaufene Versuch, den Hypo-Gläubigern die Landeshaftungen mit einem Teilbetrag (die Rede war von rund zehn Prozent der aushaftenden Summe) „abzulösen“, jetzt erheblich schwerer fallen.

Dass die Lage so eskalieren konnte, liegt an der Entscheidungsunwilligkeit der Finanzminister Josef Pröll und Maria Fekter, die die heiße Kartoffel einfach weitergeschoben haben. Und am „patscherten“ Agieren von Kurzzeit-Finanzminister Michael Spindelegger, der der Republik mit dem jetzt gekippten Hypo-Sanierungsgesetz ein veritables Eigentor geschossen hat.

Und zwar mit Anlauf: Experten hatten von Anfang an die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bezweifelt. In einer „Presse“-Analyse war damals unter dem Titel „Wie man mit einem Sondergesetz einen Finanzplatz beschädigt“ zu lesen gewesen, Spindelegger habe mit der Aufhebung der Landeshaftung per Gesetz einen „unnötigen Tabubruch mit bösen Folgen“ begangen. Das kann man so wohl sagen: Der Finanzplatz ist nämlich ziemlich sinnlos beschädigt worden, wenn wir jetzt fast exakt wieder dort stehen, wo wir schon vor dem Sanierungsgesetz waren.

Es zeigt sich, dass die von der „Presse“ schon vor mehr als zwei Jahren ins Spiel gebrachte Variante, nämlich mit den Anleihegläubigern unter Androhung der sonstigen Hypo-Insolvenz über einen freiwilligen Schuldenverzicht zu verhandeln, wohl die beste gewesen wäre. Das Problem damals: Das Schlagendwerden der Landeshaftungen hätte die Zahlungsunfähigkeit des Landes Kärnten ausgelöst – und das wäre mangels Insolvenzordnung für Gebietskörperschaften mit schlecht kalkulierbaren Risken verbunden gewesen.

Dort, wo es vernünftige Regeln gibt, sind ja Gebietskörperschaftsinsolvenzen nichts Besonderes: In den USA beispielsweise sind schon mehr als 500 Gemeinden, „Counties“ und Bundesstaaten von Detroit bis Kalifornien pleitegegangen, ohne dass dadurch das Image des Finanzplatzes gelitten hätte. Und die Schweiz hat mit der Insolvenz der Gemeinde Leukerbad vorgeführt, wie man eine Gebietskörperschaftspleite abwickelt, ohne die Steuerzahler zur Kasse zu bitten. In Österreich war das freilich nie eine Option, weil es mit dem hiesigen Verständnis der Machtverteilung zwischen Bund und Ländern offenbar nicht zusammengeht, eine Gemeinde (wie etwa in der Schweiz praktiziert) oder gar ein ganzes Bundesland vorübergehend unter Zwangsverwaltung zu stellen.

Eine Insolvenz (diesfalls der Heta) wäre nach dem Ende des Heta-Moratoriums im kommenden Jahr noch immer eine Option (und wegen der in den vergangenen Jahren geschrumpften Landeshaftungen sogar leichter zu bewerkstelligen), aber die wichtigste Voraussetzung dafür, nämlich ein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften, das eine geordnete Abwicklung garantiert, gibt es noch immer nicht.

Die Linie, durch Regierungsuntätigkeit den Hypo-Schaden für die Steuerzahler zu maximieren, setzt sich also fort. Hans Jörg Schelling ist zwar der erste Finanzminister seit der Hypo-Verstaatlichung, der mit dem Banken-Abwicklungsgesetz, dem Heta-Moratorium und dem Hypo-Vergleich mit Bayern substanziell etwas weitergebracht hat. Gegen die Länderphalanx kommt er (wie sich ja auch bei den immer noch offenen Punkten Rechnungslegung und Transparenzdatenbank zeigt) aber auch nicht voran.

Hier ist von der Regierung, deren Chef den teuersten Finanzskandal der Zweiten Republik überhaupt zu ignorieren scheint, auch nichts mehr zu erwarten: Justizminister Wolfgang Brandstetter hat erst kürzlich auf eine einschlägige parlamentarische Neos-Anfrage geantwortet, ein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften sei nicht geplant. Und zwar mit der etwas seltsamen Begründung, dass man sich damit in einen „Grenzbereich zwischen Länderautonomie und Verfassungsrecht“ begeben würde. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass es „keinen Bedarf danach gibt“, sagte der Minister.

Die Gläubiger der Heta sind damit in einer komfortablen Verhandlungsposition. Man wird sehen, wie weit sie unter diesen Umständen bereit sein werden, sich Landesgarantien ablösen zu lassen.

Dem Schelling‘schen Bankenabwicklungsgesetz werden damit auch ein paar Zähne gezogen. Und das ist schade. Es hätte nämlich zum ersten Mal seit vielen Jahren die Möglichkeit geboten, dem in Europa eingerissenen Banken-Sozialismus, der Verluste von Bank-Investoren grundsätzlich sozialisiert und den Steuerzahlern umhängt, eine marktwirtschaftliche Lösung entgegenzusetzen. Und die kann ja wohl nur darin bestehen, dass Investoren für ihre Investments selbst verantwortlich sind und haften. Und die Landesgarantien? Jede Garantie ist exakt so viel wert wie ihr Garantiegeber. Und dass Garantien, die mehr als das Zehnfache der Jahreseinnahmen des Garantiegebers ausmachen, nicht viel wert sein können – das hätte einem professionellen Investor wohl auffallen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.