VfGH besiegelt Kärntens Schicksal

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Der Verfassungsgerichtshof hob das Hypo-Gesetz von 2014 auf. Er stellte dabei eindeutig fest, dass Landeshaftungen gesetzlich nahezu unantastbar sind. Kärnten hat somit ein Zehn-Milliarden-Euro-Problem.

Wien. „Auch wenn manche das anders sehen werden: Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist von ganz grundsätzlicher Bedeutung.“ Verfassungsgerichtshofpräsident Gerhart Holzinger schien schon bei der Präsentation der Entscheidung der obersten juristischen Instanz Österreichs am Dienstagvormittag zu wissen, dass deren Bedeutung in der Politik heruntergespielt werden würde. Und wirklich: Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP reagierten auf das Erkenntnis des VfGH, das Hypo-Sondergesetz aus dem Jahr 2014 vollständig und ohne Reparationsfrist aufzuheben, in der Folge auch nur mit einem knappen „Zur Kenntnisnahme“ und einem Verweis auf das weiterhin gültige Bankenabwicklungsgesetz.

Zwar war diese Aufhebung weitgehend erwartet worden, und das Bankenabwicklungsgesetz, nach dem die Hypo-Bad-Bank Heta zur Zeit abgewickelt wird, ist von dem VfGH-Entscheid auch wirklich nicht betroffen. Dennoch beinhaltet der Spruch einen harten Schlag für die Bemühungen Österreichs, günstiger aus dem Hypo-Schlamassel herauszukommen: Denn der VfGH stellte eindeutig fest, dass die Kärntner Landeshaftungen gesetzlich nahezu unantastbar sind.

Was bedeutet das nun für die Heta, Kärnten und die Republik? „Die Presse“ hat die Antworten:

1 Was ist der genaue Inhalt des aktuellen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes?

Der VfGH entschied über die Verfassungsmäßigkeit des Hypo-Sondergesetzes aus dem Jahr 2014, laut dem 890 Millionen Euro an landesgarantierten nachrangigen Anleihen und eine 800-Millionen-Euro-Forderung der BayernLB für ungültig erklärt wurden. Aus zwei maßgeblichen Gründen wurde das Gesetz laut Holzinger vollständig aufgehoben. Erstens wurden zwischen den Gläubigern gleichheitswidrige Unterschiede gemacht – ein Stichtag entschied, ob eine Forderung gültig blieb oder nicht. Zweitens sei die Außerkraftsetzung einer Landeshaftung per Gesetz grundsätzlich ein Problem. „Gesetzliche Haftungserklärungen dürfen nicht als isolierte Maßnahme durch eine gesetzliche Anordnung völlig entwertet werden“, so der VfGH-Spruch. Eine Haftung könne nur dann eingeschränkt werden, wenn dieser Schnitt gleichermaßen alle betrifft, „die gegen das Land Forderungen haben“, sagt Holzinger.

2 Was bedeutet der Entscheid für die Republik und das Bundesland Kärnten?

Vor allem für Kärnten hat der Entscheid drastische Auswirkungen. Nicht nur, dass die Summe der Haftungen wieder um jene 890 Millionen Euro an Nachranganleihen ansteigt, die vom Hypo-Sondergesetz für ungültig erklärt worden waren. Darüber hinaus ist nun auch eindeutig festgestellt, dass das Bundesland für die eingegangenen Haftungen von derzeit noch rund zehn Milliarden Euro einstehen muss. Der einzige Ausweg wäre eine Insolvenz Kärntens, was die Politik aber um jeden Preis verhindern will. Da Kärnten aber nicht genügend Geld hat, um die Haftungen zu begleichen, kommt auch der Bund in die Ziehung. Er wird nicht umhinkommen, Kärnten zumindest mit niedrig verzinsten langfristigen Krediten unter die Arme zu greifen.

3 Welche konkreten Auswirkungen ergeben sich für die Hypo-Bad-Bank Heta?

Die Heta muss in ihrer Halbjahresbilanz die bereits ausgebuchten Forderungen wieder einberechnen. Für einen Teil davon wurden bilanzielle Vorsorgen getroffen – unter dem Strich wird aber ein Minus von 800 Millionen Euro bleiben, teilte das Institut mit. Diese Zahl hat aber so gut wie keine Bedeutung, da ohnehin klar ist, dass die Heta die an sie gestellten Gläubigerforderungen nicht zur Gänze bedienen kann. Es wird nun also der Anteil am Kuchen für alle anderen Heta-Gläubiger entsprechend etwas kleiner. Allerdings verfügen diese meist noch über Haftungen des Landes Kärnten, an dem sie sich für die Differenz schadlos halten können. Nicht betroffen ist der Generalvergleich zwischen Österreich und Bayern. Die bayrischen Forderungen in Höhe von 2,75 Milliarden Euro sind Teil der Gesamtforderungen gegen die Heta. Die Republik garantiert eine Zahlung von zumindest 1,23 Milliarden.

4 Inwiefern werden das Schuldenmoratorium und der geplante Schuldenschnitt betroffen?

Auch das per Anfang März verhängte Schuldenmoratorium bleibt bestehen. Und die FMA arbeitet weiterhin an einem Bescheid zum Schuldenschnitt, der spätestens im Mai 2016 erfolgen soll. Holzinger rechnet jedoch damit, dass auch das dem Moratorium zugrunde liegende Bankenabwicklungsgesetz noch ein Fall für den VfGH werden wird. Mehrere Klagen wurden bei den Erstgerichten bereits eingebracht.

5 Welche Möglichkeiten gibt es für Österreich noch, das Hypo-Debakel zu verringern?

Finanzminister Hans Jörg Schelling erklärte Anfang Juli, dass es sein Ziel ist, mit den Gläubigern ähnlich wie mit den Bayern Vergleiche zu schließen. Diese sollen auf einen Teil ihrer Forderungen und den Haftungsanspruch verzichten und dafür ohne langjährige Rechtsstreitigkeiten Geld erhalten. Die Frage ist jedoch, ob und wie viele Gläubiger auf so ein Angebot eingehen wollen, nachdem der VfGH ihnen nun beschieden hat, dass die Haftungen jedenfalls Bestand haben. Kärnten will wiederum den Gläubigern die Haftung um zehn Prozent ihrer Forderung abkaufen (die Forderung gegenüber der Heta bliebe dabei intakt). Das würde das Land eine Milliarde Euro kosten. Mehr sei schlicht nicht zu holen, heißt es in Klagenfurt.

AUF EINEN BLICK

Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass das Hypo-Sondergesetz aus dem Jahr 2014 verfassungswidrig ist. Dadurch werden nicht nur für ungültig erklärte Forderungen der BayernLB und nachrangige Anleihen wieder gültig. Der VfGH hat darüber hinaus auch klar festgelegt, dass Landeshaftungen nicht einfach per Gesetz ausgehebelt werden können. Das ist vor allem für Kärnten ein harter Schlag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2015)

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