Verbund-Chef: "Kärnten wird Geld aufbringen müssen"

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Verbund-Chef Anzengruber will den maroden Kärntnern die Kelag abkaufen, auch in Tirol wäre er interessiert. Die Angst der Bürger vor der Digitalisierung hemme Europa.

Die Presse: Der Verfassungsgerichtshof hat in der Causa Hypo entschieden, dass Kärntens Haftungen unantastbar sind. Das Land braucht also Geld. Der Verbund könnte helfen, indem er die Kärntner Kelag kauft. Gibt es Gespräche darüber?

Wolfgang Anzengruber: Das ist ein latentes Thema, das für uns Charme hätte. Wir halten heute 35Prozent an der Kelag. Interessant wäre es, die Mehrheit zu bekommen. Aber wo kein Verkäufer ist, kann kein Käufer sein.

Kärntens Anteil am Energieversorger wird auf 300 bis 400 Millionen Euro geschätzt. Bisher schließt Klagenfurt einen Verkauf allerdings aus. Denken Sie, das wird sich ändern?

Kärnten wird Geld aufbringen müssen. Und die Kelag ist einer der Vermögenswerte, die es hat. Letztlich ist es aber die Entscheidung Kärntens. Wenn vom Finanzminister Druck kommt, wird es eher eine Diskussion, sonst nicht. Die wissen ja, dass wir kaufen wollen.

Würden Sie auch andere Landesversorger übernehmen?

Da gibt es schon interessante Landesversorger mit hohem Wasserkraftanteil, etwa in Tirol. Aber auch da liegt nichts auf dem Tisch. In der Erzeugung und bei Netzen hat Konsolidierung Sinn. Bei Endkunden ist es besser, wenn es Wettbewerb gibt und keinen neuen Monopolisten.

Könnte sich der Verbund das überhaupt leisten? Sie fahren gerade einen harten Sparkurs, die Aktie hat stark verloren...

Finanzieren ist kein Problem. Aber es stimmt, der Aktienkurs des Verbunds ist schlecht. Im Vergleich zu anderen Stromunternehmen liegen wir aber ganz gut. Solange der Strompreis niedrig ist, darf man sich nicht fragen, warum die Anleger nicht wie wild zukaufen.

Das erste Halbjahr lief für den Verbund deutlich besser. Sind die Hausaufgaben auf der Kostenseite erledigt?

Die großen Programme, die wir gemacht haben, laufen mit Ende des Jahres aus. Aber Sparen hat immer Konjunktur. Der Strompreis ist niedrig – und er wird es bleiben. Wir haben schon besser gelebt mit höheren Preisen. Aber wir haben uns auf die neuen Preise eingestellt – und nie Verluste geschrieben.

Zusätzliche Belastungen aus der Steuerreform sind Ihnen erspart geblieben. Viele hatten erwartet, dass Energiesteuern zur Gegenfinanzierung der Lohnsteuersenkung erhöht werden. Sind Sie erleichtert?

Das kommt darauf an, ob es eine reine Energiesteuer gewesen wäre oder eine echte ökologische Steuerreform, die an den CO2-Ausstoß gekoppelt ist. Letzteres wäre für uns als Wasserkraftunternehmen sogar gut gewesen. Reine Energiesteuern sind uns hingegen egal. Das geben alle Energieversorger an die Kunden weiter. Wir sind hier nur die Registrierkasse des Bundes.

Ist es wirklich egal? Senken höhere Steuern nicht den Umsatz, weil die Menschen weniger Energie verbrauchen?

Der Steuer- und Abgabenanteil am elektrischen Strom hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Das hat den Verbrauch nicht wirklich eingedämmt.

Die EU-Kommission will die Energiepreise für Endkunden senken. Ein Ansatz ist, eine Art Obergrenze für Energiesteuern festzulegen. Wäre so ein Deckel sinnvoll?

Der EU geht es darum, einen gemeinsamen Strommarkt zu realisieren. Erst wenn Energie national einheitlich besteuert ist, hat ein gemeinsamer Markt eine Chance.

Wie eng hängen Preis und Effizienz zusammen? Der Verbrauch sollte ja sinken, wenn der Preis steigt. Sichtbar ist das nicht. Ist es gleichgültig, wie viel Strom kostet?

Egal ist es nicht. Bei Privaten gibt es aber starke Gewöhnungseffekte. Benzin kostet heute 1,15 Euro und wir fahren nicht weniger Auto.

Dort ist es also egal.

Nur, wenn die Erhöhung schrittweise geht. Plötzliche Preiserhöhungen sind auch für Private ein Problem. Heikel sind steigende Preise für Unternehmen. Sie verbrauchen schon weniger. Natürlich auch wegen der Krise und der Effizienzsteigerungen. Hier haben die heimischen Unternehmen schon viel getan.

Wenn schon so viel passiert ist, brauchen wir überhaupt ein Energieeffizienzgesetz?

Das ist eine Suggestivfrage. Es ist immer sinnvoll zu versuchen, die Ausbeute aus der Energie zu steigern. Aber ohne die Verbraucher in die Pflicht zu nehmen, wird das schwierig. In Österreich sind die Energieversorger in der Pflicht. Ich kommentiere das nicht mehr.


Dass die Branche nicht glücklich ist, ist bekannt. Das Gesetz gilt seit Jahresbeginn, und immer noch weiß niemand, was er tun muss, um es zu erfüllen.

Das ist natürlich nicht ganz sauber. Wir rechnen damit, dass wir im Herbst Klarheit haben. Wenn alles so kommt wie erwartet, werden wir den Großteil unserer Verpflichtung ohne Strafzahlung über die Bühne bringen.

Firmen klagen, dass Versorger ihnen einen Effizienzaufschlag in Höhe der maximalen Strafzahlung verrechnen. Ist das fair?

Hier gibt es kein einheitliches Vorgehen der Energiewirtschaft. Wir machen es etwa nur da, wo es eine vertragliche Grundlage gibt. Ich sehe das nicht so drastisch. Hier herrscht ohnehin Wettbewerb. Bei Haushalten heben wir keinen Zuschlag ein. Aber am Ende bezahlt jede Belastung der Kunde. Wer soll sonst zahlen?

Die Regierung will die Bürger auch mittels kleiner Stupser (Nudging) zum Energiesparen bringen. Haben kleine Smileys auf der Rechnung für „brave“ Kunden Sinn?

Das kommt darauf an, wie man es macht. Natürlich kann ich einmal im Jahr sagen: Ja, Sie waren brav. Aber darauf können Sie nicht reagieren. Hier hilft die Digitalisierung. Da kann ich jederzeit vergleichen und melden: „Ihr Nachbar verbraucht gerade viel weniger Energie. Was tun Sie?“ Das ist gutes Nudging.

Oder Big Brother.

Die Digitalisierung ist ein Faktum. Die Wertschöpfung aus den Daten ziehen im Moment allein US-Firmen. Wir müssen natürlich ernst nehmen, dass die Bürger Angst haben und auf hohe Sicherheit achten. Aber es kann nicht unser Modell sein, dass Europa nur die Regeln macht und die Amerikaner das Geld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2015)

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