Arbeitsmarkt: Österreichisches Hartz IV hätte kaum Effekte

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Nehmen Menschen Jobs an, wenn sie als Arbeitslose weniger Geld bekommen? Ja, meinte der Finanzminister. Nicht wirklich, meint der Berliner Wirtschaftsprofessor Steiner, der Hartz IV auf Österreich umgelegt hat.

Wien. Hans Jörg Schelling hat mit einem Nebensatz in einem Interview im „Standard“ eine heftige Diskussion ausgelöst, bevor er in einem ausführlichen Interview in der „ZiB 2“ alles wieder relativierte. Der Nebensatz bezog sich auf das arbeitslose Einkommen (Mindestsicherung, Notstandshilfe, Arbeitslosengeld), das in Österreich zu hoch sei und deswegen kaum Anreize biete, Jobs anzunehmen. Als mögliche Lösung nannte der Minister die Arbeitslosenregeln in Deutschland (Hartz IV).

Nach Schellings Abschwächungen im ORF-Interview blieb eigentlich nur noch die Idee, die Zumutbarkeitsbestimmungen zu verschärfen. Trotzdem hat der Berliner Wirtschaftsprofessor Viktor Steiner (Freie Universität Berlin) ausgerechnet, welche Effekte für den Arbeitsmarkt eine Umlegung von Hartz IV auf Österreich hätte. Die Antwort: keine gravierenden. Es würde zusätzlich nur 12.166 Beschäftigte geben (genauer: Vollzeitäquivalent-Jobs). Steiner im Gespräch mit der „Presse“: „Ich habe mir mehr erwartet, die Modelle kommen aber nur auf diese Zahl.“

Wie berechnet man nun die Motivation, einen Job anzunehmen? Dafür gibt es erprobte Simulationsmodelle (die auch in Österreich angewendet werden), in denen die Anreize, mehr Geld zu verdienen und sich somit mehr leisten zu können, mit den Nachteilen (weniger Freizeit) gegengerechnet werden. Beispiel: Für 100 Euro mehr im Monat nimmt kaum jemand einen Job an.

Steiners Modell für ein Arbeitslosengeld II legt die Notstandshilfe und die Mindestsicherung in Österreich zusammen. Das Problem bisher: Wer zusätzlich Geld verdient, bekommt um diesen Betrag weniger Beihilfe. In Deutschland kann man 20 Prozent vom zusätzlichen Einkommen behalten, der Wirtschaftsprofessor hat für Österreich sogar 30 Prozent angenommen. Dazu käme im neuen Modell, dass jemand, der keine Erwerbsarbeit annehmen will, 15 Prozent seiner Beihilfe verliert.

Nachteile für Geringverdiener

Das Ergebnis ist ernüchternd: „Durch diese Reformen, ein Arbeitslosengeld II nach deutschem Vorbild, verbessert sich sich die Zahl der Beschäftigen nicht sonderlich.“ Der Effekt von 12.166 Arbeitsplätzen bezieht sich auf vollzeitäquivalente Beschäftigte, wobei eine reguläre Arbeitszeit von 40 Wochenstunden angenommen wurde. Ein guter Teil davon kommt also daher, dass bestehende Beschäftigte mehr arbeiten. Knapp die Hälfte des geschätzten Beschäftigungsanstiegs entfällt auf in Paarhaushalten lebende Frauen.

Ein Problem, das sich nach dem österreichischen Hartz IV ergibt: Derzeit kann laut Steiner ein geringfügig Beschäftigter oder Notstandshilfebezieher in Österreich zusätzlich 450 Euro verdienen, ohne dafür Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen. „Dieser Vorteil fiele im neuen Modell weg, für diese Personengruppe würde es zu einer Benachteiligung kommen.“ Und damit zu weniger Anreizen, mehr zu arbeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2015)

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