Gewerkschaft will 1700 Euro Mindestlohn

Gewerkschaft will 1700 Euro Mindestlohn
Gewerkschaft will 1700 Euro Mindestlohn(c) Presse / Michaela Bruckberger
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„Presse“-Gespräch. Vor der Herbstlohnrunde eröffnet SPÖ-Gewerkschaftschef Katzian eine neue Runde im Kampf um Mindestgehälter. Für ihn ist das die Antwort auf Schellings Plan, Sozialleistungen zu kürzen.

Wien. Vor der Nationalratswahl 2013 ließ die gemeinsame Forderung von SPÖ und Gewerkschaft nach einem Mindestlohn von 1500 Euro brutto im Monat noch die Gemüter hochgehen. Inzwischen sind 1500 Euro brutto Mindestlohn durch Kollektivvertragsabschlüsse in vielen Branchen Realität. Dazu zählt als großer Sektor auch der Handel, wo seit Beginn des heurigen Jahres für rund 500.000 Beschäftigte diese Marke gilt.

Der für den Handel zuständige Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten und Drucker (GPA-DJP), Wolfgang Katzian, ist es, der jetzt mit der Forderung nach einer weiteren Anhebung des Mindestlohns vorprescht. Im Gespräch mit der „Presse“ nennt Katzian, der auch Chef der SPÖ-Gewerkschaftsfraktion ist, erstmals öffentlich das neue Ziel, das möglichst rasch erreicht werden soll: Es müsse nun „in Richtung“ 1700 Euro Mindestlohn im Monat gehen.

Einführung per Kollektivvertrag

Die Marke soll in den Kollektivverträgen als Untergrenze verankert werden, nicht wie in anderen EU-Ländern in Form eines gesetzlichen Mindestlohns. Für rund 80 Prozent gelte inzwischen die Grenze von 1500 Euro.

Mit seiner Forderung sorgt der SPÖ-Spitzengewerkschafter für zusätzlichen Zündstoff für die traditionell mit den Metallern im September beginnende Herbstlohnrunde. Intern hat der Chef der mit knapp 278.000 Mitgliedern größten Teilgewerkschaft im Gewerkschaftsbund (ÖGB) die neue Richtmarke schon kommuniziert. 1700 Euro Mindestlohn werden ein zentraler Punkt beim bevorstehenden Bundesforum der Privatangestelltengewerkschaft heuer im November sein, bei dem sich Katzian der Wiederwahl stellt.

„Muss mit Sozialpartnern möglich sein“

Für den GPA-Chef ist das eine logische Antwort auf die zunehmende Kritik aus den Reihen der ÖVP, wonach der Unterschied zwischen der Höhe der Mindestsicherung mit 828 Euro netto für Alleinstehende und niedrigen Aktiveinkommen nicht ausreichend sei. „Wenn es welche gibt, die meinen, diese Differenz ist zu gering, muss man schauen, dass wir den Mindestlohn erhöhen“, betont Katzian im Gespräch mit der „Presse“, der ein Senken von Sozialleistungen strikt ablehnt. Zuletzt hatte vor allem Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) beklagt, dass der Anreiz, Arbeit anzunehmen, stärker werden müsse und deswegen die Zumutbarkeitsbestimmungen diskutiert werden sollten.

Zu erwartende Einwände der Wirtschaft gegen einen höheren Mindestlohn sieht Katzian angesichts der Entwicklung in der Vergangenheit gelassen: „Das war auch bei 1000 Euro und 1300 Euro Mindestlohn so.“ Er ist zuversichtlich, dass die Anhebung auf 1700 Euro „bei einer intakten Sozialpartnerschaft auch in Zukunft möglich sein wird.“ Die Grenze von 1000 Euro Mindestlohn wurde in Österreich 2008 zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern vereinbart und im Laufe des Jahres 2009 weitgehend umgesetzt. Es folgte die Forderung nach 1300 Euro Mindestlohn, die im Handel 2010 umgesetzt wurde. Ab 2012 wurden 1500 Euro gefordert.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) drängt auf die vollständige Umsetzung von 1500 Euro Mindestlohn, weil davon speziell Frauen profitieren. Nach GPA-Angaben liegen unter anderem folgende Berufsgruppen darunter: Angestellte bei Rechtsanwälten, bei Ärzten, in der Textilindustrie, im Gewerbe, in Reisebüros, im Hotel- und Gastgewerbe, Friseure sowie Beschäftigte in der Reinigung. Die Statistik Austria hat die Zahl im März mit 163.000 beziffert.

ZUR PERSON

Wolfgang Katzian (58) ist seit 2005 als Nachfolger von Hans Sallmutter Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-DJP). Der gebürtige Stockerauer war früher bereits Zentralsekretär dieser größten ÖGB-Teilorganisation. Seit 2009 steht er außerdem an der Spitze der SPÖ-Gewerkschaftsfraktion, 2006 zog er für die SPÖ erstmals in den Nationalrat ein. Katzian ist auch Präsident des Fußballklubs Austria Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2015)

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