So nah – und doch so fern: Das unerreichbare Seeufer

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THEMENBILD: WETTER / HITZE IN KAeRNTEN: WOeRTHERSEE-STRANDBADAPA/GERT EGGENBERGER
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Österreichische Seen sieht der Durchschnittstourist oft auf weite Strecken nur durch Zaunmaschen. Der Wörthersee ist ein exemplarisches Beispiel dafür.

Voriges Jahr gab es in Kärnten eine umfangreiche Gästebefragung (Tourismus Monitoring Austria) – und sie brachte ein für das Land, das seine überragenden Naturschönheiten offenbar nicht besonders gut vermarktet und deshalb zu den wenigen stagnierenden Tourismusregionen gehört, ernüchterndes Ergebnis: Seen, hieß es, hätten als Entscheidungsgrundlage für einen Urlaub an Bedeutung verloren. Einer der am häufigsten genannten Gründe dafür: Die Seen seien zwar wunderschön, aber man komme zu wenig ans Wasser. Der Zugang sei zu stark eingeschränkt.

Ist das so? Machen wir einen Lokalaugenschein am Südufer des Wörthersees, der touristischen Kernregion des Landes. Wir starten in Velden. Schon auf dem ersten Kilometer erleben wir die Bedeutung des Wortes „So nah – und doch so fern“: Wir bewegen uns fünf bis zehn Meter vom Wasser entfernt – und es ist doch unerreichbar. Denn vom See trennt uns ein Zaun, meist begleitet von blickdichten Hecken und Sichtschutzmatten, die eine ganze Reihe von kleinen Hotelstränden und handtuchgroßen Privatgrundstücken gegen die Uferpromenade absichern. Nach vier Kilometern haben wir die erste Chance, ins Wasser zu hüpfen. Allerdings gegen Entgelt, im Strandbad der Gemeinde Schiefling.

Dann verlieren wir wieder den Blickkontakt mit dem See, denn jetzt beginnt die Milliardärsmeile des Schieflinger Ortsteils Auen, an der man unter anderem die Anwesen von Ingrid Flick, Johann Graf (Novomatic) und der deutschen Hoteliersfamilie Lindner passiert. Danach: wandern am Zaun, ein paar Meter dahinter unerreichbar der See. Nach rund zehn Kilometern der erste wirklich freie Zugang in der Teixlbucht bei Maria Wörth. Bis ins noch einmal zwölf Kilometer entfernte Klagenfurt wird man noch ein, zwei solchen Gelegenheiten begegnen. Beim Rückweg am Nordufer sieht es nicht anderes aus.

Fazit: Hopfen und Malz verloren. Wer als Tourist baden will, bucht entweder ein Hotel mit eigenem Strand oder drängelt sich in den wenigen überfüllten öffentlichen Bädern. Der große Rest des Sees ist abgeschirmt. Kein Wunder, dass das auf der Touristenliste der nervigsten Dinge ganz oben steht.

Vor vierzig, fünfzig Jahren hätte sich das noch ändern lassen. Da hätte man mit vernünftiger Gesetzgebung und ein bisschen öffentlicher Investition die Promi-Badewanne an den Karawanken halbwegs zugänglich halten können. In der Zwischenzeit wäre das nur noch durch massive Enteignungen möglich – also gar nicht. Denn Seegrundstücke, und seien sie noch so klein, sind eine Topinvestition. Und ziehen deshalb großes und auch weniger großes Geld an: Am Südufer hat sich etwa die Flick-Stiftung mit umfangreichen Aufkäufen breitgemacht. Am Nordufer haben Glock & Co. zugeschlagen. Was übrig bleibt, wird klammen Gemeinden von Immobilienentwicklern aus der Hand gerissen.

Speziell am Südufer passiert nämlich gerade ein unglaublicher Ferienwohnungsboom: Baustelle reiht sich an Baustelle. Schlecht für die Touristiker, denen der Hotel-Appartement-Mix verloren geht. Aber offenbar gut für die Bürgermeister, die zwar regelmäßig über die Vielzahl der die meiste Zeit des Jahres unbewohnten Geisterhäuser jammern, aber Baugenehmigung um Baugenehmigung ausstellen. Immerhin bringt so eine Ferienwohnung ja mindestens sieben bis achthundert Euro im Jahr an Zweitwohnsitzabgabe und pauschalierten Kur- und Nächtigungstaxen in die Kasse.

Was das mit dem Seezugang zu tun hat? Ferienwohnungen in der zweiten Reihe lassen sich um drei- bis viertausend Euro pro Quadratmeter verkaufen. Ist allerdings ein kleines Fleckchen Wiese direkt am Wasser dabei, dann fängt der Spaß bei 6000 Euro an. Kein Wunder, dass sich Immo-Investoren um noch so kleine Wiesenfleckchen am Wasser reißen – und diese umgehend einzäunen.

Das Ganze ist natürlich kein Kärntner Phänomen, es ist am Wörthersee nur ganz besonders ausgeprägt. Probleme mit der tourismusfeindlichen Einzäunung der Gewässer gibt es überall. In Oberösterreich haben eben erst die Grünen verlangt, die verbliebenen Zugänge zu den Salzkammergut-Seen per Landesverfassung frei zu halten.

Viel gibt es da aber nicht mehr zu bewahren. Interessant ist, dass in Privatbesitz stehende Seen wie der Mondsee oder der Neusiedler See besser zugänglich sind als die in öffentlichen Besitz stehenden, deren Wasserflächen von den Bundesforsten verwaltet werden. Die Vorarlberger sind den Restösterreichern im Punkt Seezugang übrigens entscheidend voraus: Am österreichischen Bodenseeufer gilt ein zehn Meter breiter Uferstreifen als allgemein zugänglich. Unterbrochen nur von wenigen Ausnahmen.

Regelungen wie beispielsweise in Bayern, wo sich die öffentliche Hand per Gesetz ein Vorkaufsrecht für Seegrundstücke gesichert hat, sind hierzulande undenkbar. Die Bayern haben sogar das Recht, Privatgrundstücke direkt am Wasser (auch gegen den Willen der Eigentümer) zum Baden zu nutzen. Allerdings nur theoretisch, denn sie müssen erst einmal hinkommen: Zäune sind nämlich zu beachten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2015)

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