Fernbusse: Kein freier Wettbewerb

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Deutschland hat den Markt für Fernbusse liberalisiert. Damit wurden tausende neue Jobs geschaffen. In Österreich kämpfen private Anbieter gegen Behörden und bürokratische Auflagen.

Wien. Auch in Österreich werden Fernbusreisen immer beliebter. „Wir verzeichnen bei den Passagieren jährliche Wachstumsraten von zehn bis zwölf Prozent“, heißt es bei Westbus. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen der privaten Westbahn und der Firma Blaguss Reisen. Zu den Eigentümern der Westbahn gehört unter anderem die Familienstiftung des Industriellen Hans Peter Haselsteiner.

Die Westbahn verkehrt zwischen Wien und Salzburg. Weitere Destinationen (wie Klagenfurt, Graz, Prag und Budapest) werden mit Westbus angefahren, wobei die Fahrpläne eng mit der Westbahn abgestimmt sind.

Am gestrigen Montag haben Westbahn und Westbus ein neues Kombiticket eingeführt. Außerdem werden ab Oktober zusätzliche Verbindungen zwischen Linz und Graz angeboten. Die Westbahn und Westbus sind ein wichtiger Konkurrent zu den staatlichen Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Doch von deutschen Verhältnissen ist man in Österreich noch weit entfernt.

Liberalisierung war ein Erfolg

In Deutschland wurde Anfang 2013 der Fernbusverkehr weitgehend freigegeben. Seitdem spielt sich im innerdeutschen Reiseverkehr eine Revolution ab. Zahlreiche neue Busgesellschaften wurden gegründet. Diese haben tausende Jobs geschaffen. Die Konkurrenz belebt das Geschäft.

Früher waren die Passagiere meist auf die Deutsche Bahn angewiesen. Nun gibt es beispielsweise auf der Strecke zwischen Berlin und Hamburg gleich mehrere Busanbieter. Wer früh bucht, zahlt nur sieben Euro. Die Busse sind mit Toiletten ausgestattet. Es gibt kostenloses Drahtlosinternet. Passagiere können Getränke und kleine Snacks kaufen.

Die Liberalisierung war ein Erfolg. Im Vorjahr fuhren 20 Millionen Menschen mit den Fernbussen, heuer könnten es 30 Millionen werden. Mittlerweile werden auch kleine und mittelgroße Städte angefahren. Das wirkte sich positiv auf den Tourismus aus. Reisen ist in Deutschland mit der Liberalisierung billiger geworden, viele Menschen verreisen jetzt öfter.

In Österreich dagegen ist man vom freien Wettbewerb noch weit entfernt. Auch zeigt das Beispiel des Fernbusmarkts, welche bürokratische Hürden in Österreich privaten Unternehmen auferlegt werden. Schuld daran ist das Kraftfahrliniengesetz. Jeder, der zwischen zwei Städten mit einem Linienverkehr starten will, braucht dafür eine Konzession. Diese wird vom Verkehrsministerium erteilt. Bei überregionalen Strecken müssen sich auch die jeweiligen Bundesländer damit beschäftigen. Hinzu kommt, dass die Österreichischen Bundesbahnen, die betroffenen Verkehrsverbünde sowie die Kammern (Arbeiterkammern, Landwirtschaftskammern und Wirtschaftskammern) anzuhören sind. Diese haben die Möglichkeit, die Konzessionserteilung erheblich zu verzögern. Private Busunternehmen klagen, dass ein Verfahren jahrelang dauern kann.

Mit dem umständlichen Prozedere will der Staat sicherstellen, dass den Österreichischen Bundesbahnen keine allzu große Konkurrenz entsteht.

Wien–Graz: Populäre Strecke

Besonders beliebt ist derzeit die Strecke Wien–Graz, die von Dr. Richard mehrmals täglich angeboten wird. Das billigste Ticket kostet neun Euro.

Dr. Richard hat diese Strecke nur deswegen im Programm, weil es einst ein Unternehmen gekauft hat, das für Wien–Graz über eine Konzession aus der Zeit vor der Errichtung der Südautobahn verfügt hat. Mehrere private Busfirmen wollten die Strecke Wien–Graz ebenfalls anbieten. Doch immer legten sich die Behörden quer.

Wie absurd die Situation ist, zeigt sich bei der Firma Westbus. Sie kann Wien–Graz nur über einen Umweg anbieten. Die Firma erhielt die Konzession für die Strecke Wien bis St.Michael in der Steiermark. In St.Michael müssen die Passagiere dann auf den Bus, der von Linz nach Graz fährt, umsteigen. Durch das Umsteigen ist die Strecke Wien–Graz von Westbus nicht so attraktiv wie die direkte Verbindung von Dr. Richard.

„Irgendwann werden wir auch in Österreich deutsche Verhältnisse haben“, sagt Dr.-Richard-Geschäftsführer Werner Gumprecht. Er kann sich nicht vorstellen, dass in Österreich der Widerstand gegen eine Liberalisierung ewig dauern wird. Spätestens wenn sich ein Unternehmen beim Europäischen Gerichtshof beschwert, dürfte sich die Situation ändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2015)

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