Finanzen: So unwissend sind die Österreicher

PK ZU HYPO-ENTSCHEIDUNG: NOWOTNY
PK ZU HYPO-ENTSCHEIDUNG: NOWOTNYAPA/HERBERT NEUBAUER
  • Drucken

Laut Nationalbankumfrage weisen die Österreicher bei einfachen Finanzfragen teilweise große Wissenslücken auf. Daher forciert die Nationalbank die Finanzbildung in Schulen.

Wien. Eigentlich müsste man davon ausgehen, dass die Österreicher in Finanzfragen besonders gebildet sind. Denn in keinem EU-Land wurden so vieleKredite in Schweizer Franken vergeben wie in Österreich. Und solche Darlehen sind nur für Profis geeignet. Im Vorjahr lag das Volumen der Frankendarlehen in Österreich bei umgerechnet 35,6 Milliarden Euro, gefolgt von Polen mit 34 Milliarden Euro und Frankreich mit 21,2 Milliarden Euro. In Deutschland, wo es zehnmal so viele Einwohner gibt wie in Österreich, sind nur 14,9 Milliarden Euro an Frankenkrediten ausständig.

Doch laut Studie der Nationalbank, die am Montag präsentiert wurde, können viele Österreicher das Risiko von Fremdwährungskrediten gar nicht richtig einschätzen. Auch sonst haben viele Menschen in Finanzfragen teilweise massive Wissenslücken.

Für die Studie führte die Nationalbank die in Österreich bislang größte Umfrage zum Thema Finanzwissen durch. Dazu wurden 2000 Haushalte in Form von persönlichen Interviews befragt.

Männer schneiden besser ab

Die Ergebnisse sind ernüchternd. „Selbst relativ grundlegende wirtschaftliche Begriffe wie Inflation, Zinseszinsen, Risikostreuung oder die Auswirkungen von Wechselkursschwankungen werden von vielen nicht verstanden“, erklärte die Nationalbank. Vor allem bei Frauen, Jugendlichen und Senioren sowie bei Personen mit geringer Ausbildung sei der Wissensstand besonders niedrig.

In der Umfrage wurden den Menschen elf Fragen gestellt. Diese Fragen waren laut Nationalbank so einfach, dass dafür kein Expertenwissen notwendig war. Doch nur vier Prozent der Befragten konnten alle elf Fragen richtig beantworten.

Im Detail zeigt die Auswertung der Nationalbank, dass die ganz einfachen Fragen von den meisten Österreichern zunächst korrekt beantwortet wurden. 94 Prozent der Befragten konnten einen Betrag von 1000 Euro durch fünf dividieren. Weiters hatten 85 Prozent verstanden, dass man bei einem Nullzinssatz keine Zinsen erhält.

Was ist der Realzins?

Bei etwas schwierigeren Fragen sank der Anteil der richtigen Antworten merklich: So begriffen nur 71 Prozent der Befragten, was der Realzins ist. 67 Prozent konnten richtig berechnen, wie hoch der Kontostand nach einem Jahr ist, wenn man 100 Euro auf ein gebührenfreies Sparkonto mit einem Zinssatz von zwei Prozent pro Jahr legt. Nur 65 Prozent hatten verstanden, was Inflation bedeutet.

Den Begriff Risikostreuung kannten lediglich 61 Prozent der Befragten. Und nur 54 Prozent der Befragten konnten angeben, was mit einem Fremdwährungskredit passiert, wenn der Wechselkurs schwankt. Gravierendere Wissenslücken gab es bei anspruchsvolleren Fragen: So konnten nur 43 Prozent das Prinzip von Zinseszinsen nachvollziehen.

Im Vergleich zu einer OECD-Pilotstudie schneidet Österreich etwas besser ab als die Vergleichsländer, mit Ausnahme von Ungarn. Doch das sei „angesichts der großteils wirklich einfachen Fragen alles andere als beruhigend“, sagt Studienautorin Maria Silgoner.

Nowotny: „Sind unabhängig“

Nationalbank-Chef Ewald Nowotny forciert daher die Finanzbildung in den Schulen. Zu Beginn des Schuljahres startet das Institut mit der Internet-Plattform eurologisch.at. Dort gibt es Angebote wie Lehrmaterialien, Online-Tools und Kurzfilme sowie Informationen zu Seminaren. „Wir wollen hier als Leitfigur auftreten, weil wir unabhängig und neutral sind“, sagt Nowotny. Die Finanzbildung werde immer wichtiger. Denn die niedrigeren Zinsen würden zu riskanteren Veranlagungen verleiten. Auch würden Kinder und Jugendliche immer früher mit Geld konfrontiert.

Zuletzt forderte auch die Schuldnerberatung den Ausbau der Finanzbildung in den Schulen. Denn immer mehr Österreicher schlittern in die Schuldenfalle. Rund 50 Länder haben nationale Strategien zur Förderung der finanziellen Bildung entwickelt. Österreich ist nicht dabei. In der Finanzbildung geht es nicht nur darum, wie Menschen mit ihren Einkommen auskommen, sondern auch um das Verständnis für volkswirtschaftliche Zusammenhänge.

>>> Das Quiz zur Umfrage finden Sie hier

Auf einen Blick

Die Nationalbank führte in Österreich die bislang größte Umfrage zum Thema Finanzwissen durch. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Selbst grundlegende Begriffe wie Inflation, Zinseszinsen, Risikostreuung oder die Auswirkungen von Wechselkursschwankungen werden von vielen nicht verstanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Home

Quiz: Testen Sie Ihr Finanzwissen!

Die Nationalbank hat bei einer aktuellen Umfrage das Finanzwissen der Österreicher auf die Probe gestellt und dabei einige Lücken entdeckt.
Mein Geld

Finanzwissen der Europäer: Größtes Defizit bei Zinseszins

Wie Risiko und Ertrag zusammenhängen, das weiß ein Großteil der europäischen Bevölkerung. Die Fitness der Europäer in Finanzfragen ist jedoch ausbaufähig.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.