„Es gibt auch die soziale Komponente“

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RUCK(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Wiens Wirtschaftskammer-Präsident, Walter Ruck, setzt auf soziale Marktwirtschaft und Harmonie mit den Arbeitnehmervertretern. Beim Ladenschluss bleibt er defensiv. Steigende Arbeitslosigkeit führt er auch auf den Zuzug zurück.

Die Presse: In ganz Österreich gibt es Tourismuszonen mit Sonntagsladenöffnung, in Wien noch immer nicht. Warum wird hier so lange – mit Verlaub – herumgeeiert?

Walter Ruck: Wenn es nach uns geht, könnten die Tourismuszonen sofort umgesetzt werden. Unser Vorschlag, wo Tourismuszonen möglich und sinnvoll sind, liegt auf dem Tisch.

Der Landeshauptmann, also der Wiener Bürgermeister, könnte das ja einfach verordnen.

Er hat aber gesagt, dass er das ohne eine Einigung der Sozialpartner nicht macht. Wir haben unseren Entwurf der Gewerkschaft übergeben.

Laut Entwurf wären die Innenstadt, Teile der Mariahilfer Straße und das sogenannte Hietzinger Platzl Tourismuszone. Ist das nicht eine unfaire Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Geschäften außerhalb der Zone?

Einerseits ist derzeit gesetzlich ganz klar geregelt, welche Stadtteile die Voraussetzungen für eine Tourismuszone erfüllen. Andererseits: Einschränkungen sind Teil jeder sozialen Marktwirtschaft.

Ist die bestehende gesetzliche Regelung aus unternehmerischer Sicht überhaupt sinnvoll?

Man kann über eine großzügigere Lösung diskutieren. Aber wenn ich Potenzial sehe, dann ist es sinnvoller, dieses lieber jetzt zu nutzen und parallel über weitere Möglichkeiten nachzudenken. Eine grundsätzliche Änderung der Ladenschlussregeln ist derzeit nicht umsetzbar.

SPÖ und ÖVP haben aber einem Griechenland-Paket zugestimmt, das dort die volle Liberalisierung des Ladenschlusses fordert. Ist es nicht scheinheilig, wenn die Sozialpartner das im eigenen Land nicht umsetzen wollen?

Sie dürfen nicht vergessen, dass Wirtschaftskammer und Gewerkschaft in der Vergangenheit generell gegen eine Lockerung waren. Aber die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Wir müssen jetzt reagieren und die richtigen Schritte setzen.

Wieso soll man Unternehmern überhaupt vorschreiben, wann sie Geschäfte machen dürfen?

Weil eine totale Freigabe mit sozialer Marktwirtschaft wenig zu tun hat. Die Freiheit des einen endet da, wo sie die Freiheit des anderen einschränkt. Und es gibt auch die soziale Komponente.

Die aber eigentlich eine Frage des Kollektivvertrags, nicht des Ladenschlussgesetzes wäre.

Man kann nicht in Verhandlungen gehen, wenn man die Interessen seines Gegenübers vollständig ausblendet. Ich habe als Unternehmer noch keine Geschäftsverhandlung geführt, bei der ich nicht auf den Verhandlungspartner eingegangen bin.

Trotzdem: Im Rest Österreichs funktionieren die Tourismuszonen wunderbar, selbst im katholischen Italien ist die Sonntagsöffnung kein Problem. Muss man in einer Region mit ohnehin schwacher Wirtschaftsdynamik solche Bremsen einbauen?

Die Dynamik könnte in Österreich besser sein, das unterschreibe ich. Jetzt konzentriere ich mich beim Ladenschluss aber darauf, den Spatz in der Hand zu halten – also durchzusetzen, was derzeit gesetzlich möglich ist.

Das Greißlersterben hat der strenge Ladenschluss jedenfalls nicht verhindert: Wir haben den strengsten Ladenschluss und eine der höchsten Handelskonzentrationen in Europa.

Ich weiß nicht, ob ich das so stehen lassen kann. Es hängt natürlich zusammen, aber nicht eins zu eins.

Anderes Thema: In Wien steigt die Arbeitslosigkeit besonders stark, und es gibt Abwanderungstendenzen bei den Betrieben. Was ist da los?

Die Abwanderung betrifft vor allem das produzierende Gewerbe, also alles, was Lärm macht. Da haben wir zwei Probleme: Die zur Verfügung stehenden Gewerbeflächen haben stark abgenommen, und der Wohnbau rückt immer näher an die Gewerbeflächen heran. Bei direkten Konflikten zwischen Anrainern und Gewerbebetrieben gewinnen meist die Anrainer. Das erzeugt natürlich Abwanderungsdruck.

Die Verkehrspolitik spielt dabei keine Rolle?

Doch, es existiert ein ganzer Cocktail von Dingen, die den ansässigen Unternehmen nicht guttun. Dazu gehört auch die Bürokratie. Wien ist eine sehr gut verwaltete Stadt, aber es ist auch eine sehr massiv verwaltete Stadt.

Die Arbeitslosenrate in der Hauptstadt scheint auch ein wenig außer Kontrolle zu geraten.

Gewerbe und Industrie sind große Arbeitgeber. Für die Beschäftigung braucht es daher Produktionsbetriebe. Da ist die Betriebsabwanderung ein großes Problem. Man muss aber auch den starken Zuzug nach Wien berücksichtigen. Immerhin haben wir nicht nur eine hohe Arbeitslosenrate, sondern auch eine hohe Beschäftigung. Das heißt, dass die Betriebe Jobs schaffen, wenn man sie lässt.

Also ist ohnehin alles in Ordnung?

Die Stadt ist schön, aber wir können sie noch schöner und wirtschaftsfreundlicher machen. Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, die Wirtschaftspolitik mit erhobenem Zeigefinger zu bewerten. Wir wollen lieber neue Ideen einbringen und Verbesserungspotenzial aufzeigen.

ZUR PERSON

Walter Ruck, geboren 1963, ist Präsident der Wirtschaftskammer Wien, Obmann des Wiener Wirtschaftsbundes und Unternehmer. Ruck studierte an der Technischen Universität Wien, Fakultät für Bauingenieurwesen, und legte im Jahr 1989 die Baumeisterprüfung ab. 1991 stieg er in die Geschäftsführung der Baufirma seines Vaters ein. Seit 2004 leitet er das Unternehmen, das im Schnitt rund 50 Mitarbeiter beschäftigt. In seiner bisherigen Berufslaufbahn war Ruck unter anderem Mitglied der Bauoberbehörde Wien, stellvertretender Vorsitzender der Wiener Landesstelle der AUVA und Vizepräsident des Normungsinstitutes. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

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